Für wichtige Medizinprodukte fordert die Barmer eine frühe Nutzenbewertung ähnlich wie bei Arzneimitteln. Zudem appelliert die gesetzliche Krankenversicherung, die Beschlüsse zur Nutzenbewertung regelmäßig zu aktualisieren und die Praxis des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) dahingehend anzupassen. Der Krankenkasse würden Extrakosten in Milliardenhöhe bei Medizinprodukten ohne erwiesenen Zusatznutzen drohen, heißt es in einer Mitteilung. Die Barmer setze sich für Innovationen und neue Behandlungsmethoden ein, der Fortschritt müsse aber im Rahmen der Beschlüsse des GBA sein. Dabei will die Kasse künftig durch ihre Daten unterstützen und die Versorgungsrealität einbringen, heißt es im aktuellen Barmer Hilfsmittelreport 2022.
Wie sinnvoll eine Nutzenbewertung ist, zeige eine Analyse zu Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) im Hilfsmittelreport. Diese ermöglichen Diabetikern, den Blutzucker rund um die Uhr mit Hilfe eines Sensors zu messen. Bis zum Jahr 2020 wurden über eine halbe Million Diabetiker mit den Geräten ausgestattet. Mit Beschluss vom Juni 2016 erkannte der GBA die Geräte zur Therapiesteuerung des insulinpflichtigen Diabetes mellitus als Untersuchungs- und Behandlungsmethode an. Eine Bewertung zur Wirtschaftlichkeit der neuen Methode wurde jedoch nicht vorgenommen.
Für den Hilfsmittelreport wurden nun die Abrechnungsdaten der Barmer aus verschiedenen Leistungsbereichen anonymisiert ausgewertet, um eine erste gesundheitsökonomische Einschätzung zu ermöglichen. Im Ergebnis ist aus Sicht der Barmer "in der Versorgungsrealität ein bedeutsamer Zusatznutzen der CGM-Systeme gegenüber der herkömmlichen Glukose-Messmethode im Durchschnitt nicht gegeben". Der Hilfsmittelreport räumt aber damit ein, dass "der Einsatz dieser Systeme für einzelne Personen mit Diabetes einen Mehrnutzen entfaltet". Auch Diabetologen stehen der digitalen Messmethode aufgeschlossen gegenüber. Angesichts der Hinweise auf geringen oder keinen medizinischen Zusatznutzen der CGM-Systeme sei die Frage zu stellen, ob die sehr weite Ausweitung des Indikationsrahmens für eine zehnfach teurere Messmethode wirtschaftlich angemessen sei. Analog zu den gesetzlichen Regelungen für Arzneimittel im AMNOG-Verfahren wäre auch hier zu fordern, dass das Ausmaß des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichsmethode ausschlaggebend für die angemessene Höhe der zusätzlichen Kosten sein sollte. "Das AMNOG-Verfahren auf geeignete Medizinprodukte auszudehnen, wäre ein richtiger Schritt", lautet das Fazit im Report.