Damit Patienten aktiv an ihrem Behandlungsprozess teilhaben können, benötigen sie Zugriff auf Gesundheitsdaten über ihr Smartphone. Das Projekt zeigt, wie mittels IHE XDS-Konnektor für Apple HealthKit und CareKit eine standardisierte Integration des Patienten-Smartphones gelingen kann und welche Nutzungsszenarien sich daraus ergeben.
Für ein Krankenhaus ist der Datenaustausch mit dem Patienten im klinischen Alltag nur dann praktikabel, wenn das Smartphone wie jedes andere System auch in die standardisierten Kommunikationsflüsse eingebunden ist. Im vorliegenden Projekt wird gezeigt, wie solch eine standardisierte Integration des Smartphones der Patienten gelingen kann.
Aufgabenstellung
Mit der DSGVO ist mit Art. 20 auch ein Recht auf Datenübertragbarkeit eingeführt worden, womit Patienten nun Anspruch auf die elektronische Übertragung ihrer personenbezogenen Daten haben. Auch mit dem Ende 2015 beschlossenen E-Health-Gesetz soll die Bereitstellung von Daten der Patienten (zum Beispiel Arztbriefe) in einer elektronischen Patientenakte gefördert werden – verschiedene Krankenkassen haben eigene, durch den Patienten zu führende elektronische Akten angekündigt und im (Test-)Betrieb laufen.
Neben dieser Übertragung von im Krankenhaus oder der Gesundheitseinrichtung generierten Daten und Dokumenten in die Hände des Patienten gibt es auch immer wieder Bestrebungen, die vom Patienten mit seinem Handy in diversen Apps gesammelten Daten nutzbar zu machen. Wearables erfassen diverse Daten und geben Empfehlungen für ein gesünderes Verhalten beziehungsweise werden zum Ratgeber und Health Coach.
Nachdem die Ärzte beim Deutschen Ärztetag im Mai 2018 eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots beschlossen haben, beginnen auch die Barrieren gegen die ärztliche Nutzung dieser Daten zu fallen. Bereits in 2017 wurde im Rahmen der Entscheiderfabrik mit der smartvisit App von aycan eine Lösung entwickelt und vorgestellt, welche diese patientenindividuell konfigurierte Datenerhebung mit Hilfe des Handys umsetzt. Ärzte können – individuell auf das Krankheitsbild des Patienten abgestimmt – einen Zusatzservice anbieten. Die App stellt einen Medikationsplan mit Erinnerungen und einen bidirektionalen Dokumentenaustausch zum Versand von beispielsweise Entlassdokumenten und von Patientendokumenten oder Bildaufnahmen (zum Beispiel zur Wundheilung) zur Verfügung. Weiterhin werden ausgewählte Körpermesswerte und ausgefüllte Fragebögen über den Therapieerfolg an die Klinik übertragen. Es wurden bereits Fragebögen für einige verschiedene Krankheitsbilder entworfen und umgesetzt.
Das diesjährige Folgeprojekt hat es sich zum Ziel gemacht, die Funktionalitäten des Datenaustauschs auszubauen und mit einer IHE-konformen Anbindung die Schnittstelle zu standardisieren (IHE XDS). Es sollen Konnektoren zu institutionellen Patientenakten zur Konfiguration des Patientencontents auf dem Smartphone und zur Übermittlung von HL7-Objekten geschaffen werden. Dies wird dem Patienten eine barrierefreie Kommunikation mit allen Beteiligten ermöglichen. Für eine noch wesentlich größere Reichweite – der Marktanteil von iOS-Geräten liegt derzeit bei 22 Prozent – wird die App inklusive Teilen von Apple ResearchKit und CareKit auf Android portiert. Des Weiteren ist eine Apple Watch App geplant, die dem Patienten die Dokumentation seiner Medikamenteneinnahme erleichtert.
Die Healthbridge im Krankenhaus ist das Interface zum Kliniksystem und stellt ein Dashboard für die Auswertung bereit. Hier werden die neuen Module implementiert, welche die standardisierte IHE-Kommunikation mit den Systemen des Krankenhauses ermöglichen. Die Healthbridge ist auch die Instanz für die Kommunikation mit der App auf dem Smartphone des Patienten. Von hier werden die Dokumente an die App versendet, von der App versendete Daten angenommen sowie die Krankenhaus-individuelle Konfiguration der App ausgelöst.
Im Rahmen des Entscheiderfabrik-Sommer-Camps in Potsdam erarbeitete die Projektgruppe die verschiedenen Anwendungsszenarien und diskutierte die Lösungswege. Dabei ging es nicht nur um technische Lösungen, sondern es wurden auch immer wieder die notwendigen Geschäftsprozesse für die Nutzung der technischen Lösungen thematisiert. Die Ergebnisse wurden in Arbeitspakete verteilt und priorisiert.
Ergebnis Klinikum Ingolstadt
Im Klinikum Ingolstadt werden nach einem stationären Aufenthalt des Patienten alle relevanten Daten über ein Zuweiserportal den am Behandlungsprozess beteiligten niedergelassenen Ärzten zur Verfügung gestellt. Auf diese Daten soll auch der Patient über sein Smartphone zugreifen können. Das dem Patienten zur Verfügung zu stellende Dokumentenset ist damit definiert. Mit der Installation der Healthbridge wurde der Grundstein für die Datenübertragung gelegt.
Zusätzlich soll der Patient mit notwendigen Übungen und Medikamenteneinnahmen über sein Smartphone versorgt werden, sodass er dieses als Coach zuhause einsetzen kann. Die App kann den Patienten täglich zum Zustand befragen, die Daten in der Nachbehandlung an die Ärzte im Krankenhaus senden und somit den Genesungsprozess begleiten und unterstützen. Bei geplanten Krankenhausaufenthalten können die Ärzte bereits im Vorfeld, in Absprache mit dem Patienten, wichtige Daten durch Wearables und elektronische Fragebögen erheben und in die Anamnese einfließen lassen. Der Patient wird zum aktiven Teil seiner eigenen Behandlung und bleibt Herr seiner eigenen Daten.
Ergebnis Vivantes
Auch bei Vivantes sollen die Patienten über die smartvisit App Zugriff auf ihre Dokumente aus dem stationären Aufenthalt bekommen. Vivantes hat für den Datenaustausch und die Datenhaltung ein zentrales IHE-Repository etabliert. Die lokal installierte Healthbridge wird so eingebunden, dass sie sowohl Consumer als auch Source ist – das heißt, Dokumente werden dem Patienten in der App zur Verfügung gestellt und/oder die Daten des Patienten werden dem behandelnden Arzt über das Vivantes-System zugänglich gemacht. Die für Vivantes spezifische Konfiguration der App wird über das KIS erfolgen, ebenso wie die Registrierung des Smartphones des Patienten als empfangsberechtigtes Gerät.
Ergebnis edia.con-Gruppe
Die edia.con-Gruppe entschied sich für die Gefäßchirurgie des Diakonissenkrankenhauses Leipzig als Piloteinrichtung. Hier leiden Patienten oft an Gefäßerkrankungen aufgrund von Bewegungsmangel. Diese sollen motiviert werden, ihrem Krankheitsbild angemessen Schritte zu leisten, die über den Schrittzähler mit der smartvisit app erfasst und über das medico KIS an den Arzt übermittelt werden. Dieser erhält eine grafische und tabellarische Auswertung. Die Erfassung von Patienten als Teilnehmer am Pilotprojekt, die Festlegung patientenindividueller Bewegungsmuster sowie die Auswertung und Überprüfung sind als weitere Schritte terminiert.
Entscheidend für die Relevanz einer solchen App in der Praxis ist die Integration in die Prozesse des Krankenhauses. Mit der Healthbridge verfügt die App über den Zugang zu den Systemen des Krankenhauses, hierüber können die standardisierten Kommunikationsprozesse realisiert werden: Die Registrierung des Patienten über das KIS im Rahmen des Aufnahmeprozesses, die Übermittlung von Dokumenten an die App sowie die Übernahme von Daten aus der App in die Dokumentenspeicher des Krankenhauses.
Die unterschiedlichen Anwender können aus der gewohnten Arbeitsumgebung heraus die weiteren Funktionalitäten der App je nach Bedarf abrufen. Wie ein Baukasten kann dieses System erweitert werden. Hierfür wurden im Projekt die technischen Grundlagen geschaffen, die Relevanz und Gebrauchstauglichkeit für die Praxis muss noch anhand definierter Anwendungsfälle gezeigt werden.
Das Projekt-Team
- Dr. Gerhard Füchsl, Kliniken Kreis Mühldorf am Inn
- Gunther Nolte, Janina Rexin, Vivantes
- Thomas Kleemann, Klinikum Ingolstadt
- Lars Forchheim, Alexander Lorenz, edia.con/msg
- Dr. Martin Kuhrau, ATEGRIS
- Stephan Popp, aycan Digitalsysteme
- Michael Haumann, Jan Oswald, März
- Dr. Andreas Zimolong, Synagon