Rambam Medical Center Haifa

In der Bunkerklinik

  • Strategie
  • Titel
  • 12.10.2023

f&w

Ausgabe 3/2020

Seite 218

Israelische Krankenhäuser wissen wie es ist, unter Raketenbeschuss zu arbeiten. Das Rambam Medical Center in Haifa kann binnen 72 Stunden zu einem Notfallkrankenhaus mit 2.000 Betten umgerüstet werden. f&w hat die Bunkerklinik 2020 besucht.

Am 11. Oktober 2023 vermeldete das Rambam Medical Center Haifa auf dem Nachrichtendienst X, dass sein unterirdischen Notfallkrankenhaus einsatzbereit ist. Hunderte von Mariensoldaten und Einsatzkräfte des Heimatfrontkommandos haben Betten, OPs, Untersuchungsräume und Traige auf den drei Etagen der Tiefgarage hergerichtet - um so für eine mögliche Eskalation des Kriegs im Norden Israels vorbereitet zu sein. f&w konnte im Rahmen der Vordenkerreise 2020 die Bunkerklinik besichtigen.
 

Tief unter der Erde laufen alle Informationen zusammen: Im Kommandozentrum des Rambam Medical Center in Haifa hat das Sicherheitsteam auf sechs großen Monitoren Charts und Tabellen, das Liveprogramm eines Nachrichtensenders sowie abwechselnd Bilder von 680 Überwachungskameras im Blick. Das Foyer einer Klinik, die Hubschrauberplattform – und soeben zoomt ein Bildschirm auf eines der zahlreichen Containerschiffe in der Meeresbucht gegenüber. Das Command-Center ist rund um die Uhr besetzt, tagsüber mit 22 Mitarbeitern, in der Nacht mit 11. Im Kriegs- oder Katastrophenfall sollen hier Krankenhausleitung, Armee, Polizei und andere Organisationen das komplette Krankenhaus leiten können.

In Sichtweite der Hisbollah

Das Rambam Medical Center in Haifa ist mit über 962 Betten, 30 Medizinischen Instituten und rund 5.100 Mitarbeitern das größte Krankenhaus in Nord-Israel und das fünftgrößte des Landes. Bis zur Grenze ist es nicht weit. Von der höchsten Terrasse der Bahai-Gärten, dem Wahrzeichen Haifas, ist die gut 50 Kilometer entfernte libanesische Grenze im Dunst zu sehen. Die vom Iran unterstützte Hisbollah ist eine der größten Bedrohungen Israels, erst im Herbst 2019 hatte die Terror­organisation Raketen Richtung Süden gefeuert. 2006, im zweiten Libanonkrieg, gingen Dutzende in Haifa und der Umgebung des Rambam nieder. Aus dieser Erfahrung hat man gelernt. Inzwischen steht hier das größte Untergrundkrankenhaus der Welt. 150 Millionen US-Dollar hat der Bau gekostet – für deutsche Verhältnisse wenig, für das Rambam, das fast nur auf Spender zurückgreifen konnte, war es ein Kraftakt.

Andere Krankenhäuser wie das Haddasah in Jerusalem arbeiten ebenfalls im Untergrund – allerdings im Regelbetrieb. Im Rambam wird hingegen im Krisenfall ein dreistöckiges Parkhaus zum Klinikum transformiert. In Friedenszeiten fasst es bis zu 1.500 Fahrzeuge. Bei einem drohenden Angriff kann es binnen 72 Stunden zu einem Notfallkrankenhaus mit 2.000 Betten umgerüstet werden. Bis zu 10.000 Menschen können dort Platz finden, das Parkhaus bietet Schutz vor direkten Treffern aller heute bekannten Bomben (außer Atombomben). Jeder Patient dürfte im Ernstfall einen Angehörigen mitbringen. Seit 2017 ist auch das Command-Center, das zuvor oberirdisch betrieben wurde, Teil dieser Welt.

Der zweite und dritte Stock – 16,5 Meter unter Erde – können hermetisch abgeriegelt werden, fünf Tonnen schwere Stahltüren schützen vor Gas- und anderen chemischen Kampfstoffen. Lebensmittel, Material und Medikamente werden alle drei Tage nachgefüllt. Im Ernstfall können Ärzte, Pfleger und Patienten auch von der nahe gelegenen Kaserne mit Lebensmitteln versorgt werden. Vier Tunnel führen zu den Lagerhäusern, zum MRT und zur Medizinischen Fakultät. Der Strom kommt aus eigenen Generatoren – die das Krankenhaus derzeit auch im Regelbetrieb laufen hat, weil dies preiswerter als die öffentliche Stromversorgung ist. Aus Sicherheitsgründen hält das Rambam zwei Wassertanks vor, einen davon auf dem Campus-Gelände. Bis zu drei Tage könnte das Krankenhaus abgeschnitten von der Außenwelt hier weiterarbeiten.

Zwei Mal im Jahr trainieren Ärzte, Pflegekräfte und alle anderen Beschäftigten konventionelle, unkonventionelle und radioaktive Kriegs- und Terrorszenarien. „Wir lernen eine Menge aus den Notfallübungen und überarbeiten unsere Protokolle, wenn nötig, jedes Mal“, sagt Abigail Zohar, Abteilung Internationale Beziehungen im Rambam. Sicherheit, das wird jedem Besucher klar, steht hier an erster Stelle, Alarmbereitschaft ist der Normalzustand, rund um die Uhr.

 

OP in der Tiefgarage

Insgesamt arbeiten im Rambam 90 Sicherheitskräfte. „Unsere ständige Alarmbereitschaft gegen mögliche Terroranschläge versetzt uns in die Lage, auch gut auf Szenarien mit Massenanfällen einschließlich Naturkatastrophen vorbereitet zu sein“, sagt Zohar. Gewalt von Patienten gegenüber Ärzten und Pflegekräften kennt man auch in Israel. Auf den Monitoren laufen nicht nur Sicherheitsinfos ein. Ein Dashboard zeigt, wie viele Zimmer gerade frei sind, welche OPs gerade laufen und den Auslastungsgrad der Abteilungen

Auf dem Fußboden und an den Wänden der Parkdecks prangen grüne, gelbe, pinke und blaue Streifen, dazwischen zahlreiche mit weißer Farbe aufgesprühte Nummern. Sie zeigen, unter welchem Gebäude man sich befindet. Jede Abteilung kennt das Krisenprotokoll und weiß, wo sie sich im Notfall einfinden muss. Zusätzlich helfen Koordinatoren in jeder Abteilung. Hinter einem großen Rollladen versteckt sich ein Notfall-OP. Kein Vergleich mit den Hightech-OPs im Obergeschoss, aber mit allem ausgestattet, was nötig ist, um unter Extremsituationen zu operieren: Tische, Lampen, Besteck und unzählige Anschlüsse in Decke und Wänden.

Ein vergleichbares Notfallkrankenhaus unterhält seit 2011 das Sourasky Medical Center in Tel Aviv. Auch im mit 1.500 Betten drittgrößten Krankenhaus des Landes bietet das Gebäude Schutz vor konventionellen, chemischen und biologischen Angriffen. Auch hier kann das Krankenhaus innerhalb von 72 Stunden unter die Erde verlegt werden. Bei einem plötzlichen Angriff ist das viel Zeit, wenn es jedoch Anzeichen für Bedrohung gibt, laufen die Vorbereitungen schnell an. Zuerst müssen alle Autos aus dem Parkhaus geschafft werden – kaum vorstellbar angesichts des dichten Verkehrs in der Mittelmeer-Metropole. Doch im Notfall rücken die Menschen eng zusammen, dann zähle nur die Sicherheit, versichert man uns. Nachdem die Fußböden gereinigt wurden, bekommen alle Abteilungen das Signal, Patienten und Beschäftigte zu evakuieren.

Anschlüsse auf jedem Deck

Eine unterirdische Notfallzentrale koordiniert den Umzug. Hinter unscheinbaren Plastikdosen in den Wänden verbergen sich Anschlüsse für Sauerstoff, ein Bereich ist für Dauerbeatmungs- und Dialysepatienten vorgesehen. In jedem Stockwerk finden sieben oder acht Abteilungen Platz. Auf jedem Parkdeck gibt es zwei Stationen für den Pflegedienst, zudem Badezimmer, ein Lager und eine Wäscherei. Insgesamt bietet das Untergrundkrankenhaus bis zu 1.000 Patienten Platz. Auch hier hätte das Klinikum die Kosten von 110 Millionen US-Dollar alleine nicht stemmen können. Der israelische Milliardär Sammy Ofer, nach dem das Gebäude benannt ist, spendete dafür 45 Millionen US-Dollar.


    

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In the bunker clinic

Israeli hospitals know what it's like to work under rocket fire. The Rambam Medical Center in Haifa can be converted into a 2,000-bed emergency hospital within 72 hours. f&w visited the bunker clinic in 2020.

   

All the information comes together deep underground: in the command center of the Rambam Medical Center in Haifa, the security team has an eye on charts and tables, the live program of a news channel and alternating images from 680 surveillance cameras on six large monitors. The foyer of a clinic, the helicopter platform - and a screen is currently zooming in on one of the numerous container ships in the bay opposite. The command center is staffed around the clock, with 22 employees during the day and 11 at night. In the event of war or disaster, the hospital management, army, police and other organizations should be able to manage the entire hospital here.

 

Within sight of Hezbollah The Rambam Medical Center in Haifa, with over 962 beds, 30 medical institutes and around 5,100 employees, is the largest hospital in northern Israel and the fifth largest in the country. It's not far to the border. From the highest terrace of the Bahai Gardens, Haifa's landmark, the Lebanese border, a good 50 kilometers away, can be seen in the haze. Hezbollah, which is supported by Iran, is one of Israel's biggest threats; the terrorist organization only fired rockets towards the south in autumn 2019. In 2006, during the Second Lebanon War, dozens were killed in Haifa and the Rambam area. Israelis learned from this experience. The largest underground hospital in the world is now located here. The construction cost 150 million US dollars - little by German standards, but for the Rambam, which could rely almost exclusively on donors, it was a feat of strength.

 

Other hospitals such as Haddasah in Jerusalem also work underground - albeit in regular operation. In the Rambam, however, a three-story parking garage is transformed into a clinic in the event of a crisis. In peacetime it holds up to 1,500 vehicles. In the event of an impending attack, it can be converted into a 2,000-bed emergency hospital within 72 hours. Up to 10,000 people can find space there; the parking garage offers protection against direct hits from all bombs known today (except atomic bombs). In an emergency, every patient is allowed to bring a relative with them.

 

Since 2017, the Command Center, which was previously operated above ground, has also been part of this world. The second and third floors - 16.5 meters underground - can be hermetically sealed, and five-ton steel doors protect against gas and other chemical warfare agents. Food, materials and medicine are replenished every three days. In an emergency, doctors, nurses and patients can also be supplied with food from the nearby barracks. Four tunnels lead to the warehouses, the MRI and the Medical Faculty. The electricity comes from its own generators - which the hospital currently runs in regular operation because it is cheaper than the public power supply. For security reasons, the Rambam maintains two water tanks, one of which is on the campus grounds. The hospital could continue to operate here, cut off from the outside world, for up to three days.

 

Twice a year, doctors, nurses and all other employees train in conventional, unconventional and radioactive war and terror scenarios. “We learn a lot from the emergency drills and revise our protocols each time if necessary,” says Abigail Zohar, international relations department at the Rambam. Security, as every visitor will realize, is the top priority here; alertness is the norm, around the clock.

 

A total of 90 security guards work at the Rambam. “Our constant alert against potential terrorist attacks enables us to also be well prepared for mass casualty scenarios, including natural disasters,” says Zohar. Violence by patients against doctors and nurses is also known in Israel. It's not just security information that appears on the monitors. A dashboard shows how many rooms are currently free, which operating rooms are currently running and the degree of utilization of the departments

 

There are green, yellow, pink and blue stripes on the floor and on the walls of the parking decks, with numerous numbers spray-painted in white in between. They show which building you are under. Every department knows the crisis protocol and knows where to go in an emergency. Additionally, coordinators help in each department. An emergency operating room is hidden behind a large roller shutter. No comparison to the high-tech operating rooms on the upper floor, but equipped with everything necessary to operate in extreme situations: tables, lamps, cutlery and countless connections in the ceiling and walls. The Sourasky Medical Center in Tel Aviv has had a comparable emergency hospital since 2011.

 

The building also offers protection against conventional, chemical and biological attacks in the country's third largest hospital with 1,500 beds. Here too, the hospital can be moved underground within 72 hours. This is a lot of time in the event of a sudden attack, but if there are signs of threat, preparations begin quickly. First, all the cars have to be removed from the parking garage - hard to imagine given the heavy traffic in the Mediterranean metropolis. But in an emergency, people move closer together and then only safety matters, we are assured. After the floors have been cleaned, all departments receive the signal to evacuate patients and employees. Connections on each deck An underground emergency center coordinates the move. Connections for oxygen are hidden behind inconspicuous plastic boxes in the walls, and an area is intended for long-term ventilation and dialysis patients.

 

There is space for seven or eight departments on each floor. There are two nursing stations on each parking level, as well as bathrooms, storage and laundry facilities. In total, the underground hospital can accommodate up to 1,000 patients. Here, too, the clinic would not have been able to cover the costs of $110 million on its own. Israeli billionaire Sammy Ofer, after whom the building is named, donated $45 million for it.

 

Dieser Artikel wurde im März 2020 in f&w veröffentlicht.

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