Für die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation werden aufwendige Kriterien einer Intensivbehandlung definiert, die etwa die Hälfte der Frührehabilitationsstandorte nicht erfüllen kann. Ein Kommentar.
Das deutsche Gesundheitssystem hat an vielen Stellen seine Belastungsgrenze überschritten. Seine Ineffektivität ist in vielen Bereichen dem Grundkonzept des Systems geschuldet: Krankheiten werden als Fehlfunktionen eines einzelnen Organes betrachtet, die von einer Fachdisziplin isoliert behandelt („repariert“) werden.
Auch im stationären Bereich ist eine disziplinenübergreifende Koordination kaum vorgesehen, zudem wird die Behandlung auf die Dauer der unmittelbar notwendigen Krankenhausbehandlung begrenzt. Auch die für die Krankenhausreform vorgesehenen Strukturkriterien der Bettenplanung in NRW bilden diese arzt- und gerätefixierte „Werkstattphilosophie“ ab.
Einer der Gründe für die Funktion des Gesundheitssystems trotz dieser konzeptuellen Mängel ist die Tatsache, dass Deutschland ein ausdifferenziertes und leistungsfähiges Rehabilitations-system hat, das in seiner Bedeutung allerdings chronisch unterschätzt wird. Dieses System stellt einerseits einen „Abfluss“ von Patientinnen und Patienten aus den immer knapper werdenden Krankenhausbetten sicher, andererseits vermeidet beziehungsweise reduziert es jährlich in Tausenden Fällen Pflege und auch außerklinische Intensivpflege im poststationären Bereich. Im System der Anschlussrehabilitation können frisch operierte oder stationär behandelte Patientinnen und Patienten – häufig noch als „blutige Übernahmen“ – in ein medizinisch gesichertes Umfeld verlegt werden. In diesem Setting gibt es ein koordiniertes, evidenzbasiertes Zusammenwirken verschiedener Professionen und gegebenenfalls auch Fachdisziplinen mit abgestimmter Ausrichtung auf die poststationäre Versorgung – wo dieses Zusammenwirken dann zerfällt.
Die Frührehabilitation leistet dies für Patientinnen und Patienten, die formell noch einer Krankenhausbehandlung bedürfen. Speziell die Neurorehabilitation hat zudem mit den im „neurologischen Phasenmodell“ definierten Rehabilita-tionsphasen B bis D Strukturen geschaffen, die auch schwer und schwerst betroffenen Patientinnen und Patienten eine kontinuierliche medizinische und rehabilitative Behandlungskette von der Beatmungspflichtigkeit bis hin zur beruflichen Reintegration bietet.
Allerdings blutet der von Krankenkassen und Rentenversicherungen unterfinanzierte Rehabilitationsbereich aufgrund des auf Individualverhandlungen beruhenden pauschalen Vergütungssystems seit Jahren kontinuierlich aus. Schon jetzt gelingt es beispielsweise vielen Stroke-Units immer seltener, einen Rehabilita- tionsplatz für Schlaganfallpatientinnen und -patienten zu organisieren. Die Frührehabilitation als leistungsrechtliche Krankenhausbehandlung konnte bisher noch auf die Krankenhausfinanzierung zurückgreifen. Leider berücksichtigt auch die als Revolution angekündigte Krankenhaus-reform der Ära Lauterbach nicht die besondere Rolle dieses Bereiches. So werden für die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation aufwendige Kriterien einer Intensivbehandlung definiert, während die therapeutische und rehabilitative Leistung einer inhaltlichen Beliebigkeit überlassen wird. Einer internen Erhebung zufolge können diese Kriterien etwa die Hälfte der Frührehabilitationsstandorte nicht erfüllen, insbesondere nicht die leistungsfähigen „Fachkliniken“, die nicht an einem Akutkrankenhaus angeschlossen sind.
Somit zeichnet sich ab, dass sowohl die Finanzierungszwänge des Rehabilitationssektors als auch die angestrebten Veränderungen im Rahmen der Krankenhausreform das Angebot für (Früh-) Rehabilitation weiter ausdünnen werden. Wie dargestellt, wird diese Entwicklung durch „Rückstau“ in den Akuthäusern und steigenden Bedarf an Pflegeleistungen im ambulanten Bereich diese ohnehin instabilen Sektoren zusätzlich belasten. Speziell die Reformbemühungen der Krankenhauslandschaft können nicht gelingen, wenn der Bereich der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation nur als Subsegment der Intensivmedizin betrachtet wird. Für die dringend erforderlichen Nachbesserungen stehen die rehabilitativen Fachgesellschaften jederzeit gerne zur Verfügung.