Herznetz. Der Name ist Programm. Das Norddeutsche Herznetz fängt Patienten mit einer Herzerkrankung auf, bietet ihnen Diagnostik und Therapie in enger Verknüpfung – von der haus- und fachärztlichen Erstdiagnostik über die Diagnostik beim Facharzt bis zur invasiven Therapie oder der eventuell notwendigen Herzchirurgie mit anschließender Rehabilitation und der haus- oder fachärztlichen Nachuntersuchung.
Partner dieses Norddeutschen Herznetzes sind das Gesundheitsnetz Region Wedel (GRW), das Hamburger Gesundheitszentrum (HGZ), das Ärztenetz Hamburg Nordwest, das Herzzentrum des Albertinen-Krankenhauses und des Amalie Sieveking-Krankenhauses, die Kardiologie des Marienkrankenhauses, das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, die Reha-Kliniken Schönberg-Holm, die Kom-pass Klinik Kiel sowie die Barmer Ersatzkasse, die HEK, IKK, die Techniker Krankenkasse, Berlin-Chemie und die Arbeitsgemeinschaft Herz-Kreislauf Hamburg (Herz In-Form).
In der Sache koordiniert der Hausarzt alle notwendigen Behandlungsphasen mit den Partnern des Norddeutschen Herznetzes. Das abgestimmte Therapie- und Behandlungskonzept berücksichtigt modernste Leitlinien und vermeidet belastende Doppeluntersuchungen. Die Teilnahme an diesem Behandlungsprogramm ist für die Patienten kostenlos und freiwillig.
Eine solche Kooperation war noch vor zehn Jahren undenkbar. Ambulant, stationär, Reha – das war in der Vergangenheit die festgeschriebene Aufteilung in der medizinischen Versorgung, jeder Bereich mit seinem eigenen, detailbesessen ausgehandelten und eifersüchtig verteidigten Budget. Für die Patienten bedeutete die strikte Arbeitsteilung die Notwendigkeit, die Koordination der unterschiedlichen Behandlungsbereiche selbst zu organisieren und sich trotz Krankheit durch die Regularien zu kämpfen.
Finanzielle Anreize locken
Bereits seit dem Jahr 2000 war die integrierte, grenzüberschreitende Versorgung im Sozialgesetzbuch festgeschrieben, aber nur punktuell, beispielsweise durch Ärztenetze, realisiert. Erst mit der Gesundheitsreform wurden rechtliche Hemmnisse in der Kooperation abgebaut. Darüber hinaus locken seither finanzielle Anreize in die sektorenübergreifende Zusammenarbeit. So steht seit 2004 jährlich bis zu einem Prozent der jeweiligen Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhausvergütungen jenseits des Sicherstellungsauftrags als Anschubfinanzierung für die Integrierte Versorgung zur Verfügung.
Krankenkassen können Verträge nicht nur mit Medizinischen Versorgungszentren abschließen, sondern auch mit ambulant tätigen Trägern, die selbst keine medizinische Qualifikation besitzen, aber, zum Beispiel als Managementgesellschaften, das richtige Fachpersonal beschäftigen. Das ist wahrlich ein Wandel, denn zuvor hatten ausschließlich die Kassenärztlichen Vereinigungen den Sicherstellungsauftrag in der ambulanten Versorgung. Mit anderen Worten hatten die Vertragsärzte das Behandlungsmonopol, das von der Politik aber geknackt wurde.
Seit 2004 sind eine ganze Reihe von neuen Kooperationen entstanden, darunter die Medizinischen Versorgungszentren an Krankenhäusern und Universitätsklinika, aber auch eine Anzahl von Pauschalverträgen über so genannte strukturierte Behandlungsmodelle. Vor allem die innovativen gesetzlichen Krankenkassen haben die Chance erkannt, mit den Anbietern bestimmte Leistungspakete zu Komplettpreisen auszuhandeln, Garantieleistungen eingeschlossen. Die Techniker Krankenkasse (TK) hat beispielsweise bundesweit rund 280 Projekte für die Integrierte Versorgung verwirklicht. Ziel der Kooperation ist in erster Linie, mehr Qualität in der medizinischen Versorgung zu erreichen.
Die Qualität bedingt unmittelbar finanzielle Vorteile: „Durch die Verpflichtung zu Garantieleistungen auf die Behandlungsergebnisse rechnen wir mit indirekten Einsparungen", sagt Dorothee Meusch, Sprecherin der Techniker Krankenkasse. Wenn die Kranken nicht zur Nachbehandlung in die Klinik müssen, spart die Kasse weitere Kosten. Die Leistungsanbieter wiederum sollten ein Interesse daran haben, so gut zu arbeiten, dass sie nicht nachbessern müssen.
Auch die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) hat die Chancen der Sonder-Verträge von Anfang an genutzt und Versorgungsnetze geknüpft. Zur Versorgung der Patienten schloss sie einen Vertrag über ambulante Diagnostik, Operation in der Klinik, stationäre und ambulante Rehabilitation sowie die ambulante Nachbetreuung mit der Damp GmbH, Endo-Klinik Hamburg.
Die Patienten können sich der Operation und Reha nach Wahl in den Einrichtungen der Gruppe in Hamburg, Damp, Schloss Schönhagen oder Stralsund unterziehen. Die Damp-Gruppe hat sich unterdessen mit einem Angebotsnetz von der Akutklinik über die Reha bis zu gesundheitlichen Präventionsprogrammen mit Ernährungsberatung, Bewegung und Sportgruppen sowie mit Touristik aufgestellt.
Zur Behandlung von Herzleiden hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) schon 2004 ein engmaschiges Netz geknüpft, das ambulante und klinische Versorgung, Apotheke und Reha sowie eine neunmonatige medikamentöse Nachbehandlung verbindet. Auch hier wurden Bonus-Aspekte und Qualitätssicherung in den Vertrag eingebaut, beispielsweise bei der Kooperation mit der DAK zur Versorgung mit medikamentenbeschich-teten Stents bei Patienten mit verengten Herzkranzgefäßen.
Das Versorgungskonzept ist unterdessen zu einem Netz mit Praxen und Partnerkliniken herangewachsen. So betreibt das UKE gemeinsam mit den Krankenhäusern des Kreises Pinneberg, die gleichsam als Portalkliniken fungieren, ein Herzkatheterlabor. Patienten von jenseits der Landesgrenze, die eine Operation benötigen, werden für den Eingriff nach Hamburg verlegt und danach am Wohnort weiterbehandelt.
Mit mehr Kooperation zu mehr Qualität
Die Park-Klinik Manhagen in Großhansdorf an der Hamburger Landesgrenze, die auf Orthopädie, Endoprothetik und Augenchirurgie spezialisiert ist, hatte bereits 2004 den bundesweit ersten Vertrag mit den Ersatzkassen abgeschlossen, der Operation, Rehabilitation, kostenlose Arzneimittel und Nachuntersuchung aus einer Hand einschloss. Auf künstliche Gelenke gibt es Garantie. Kooperationspartner sind Ärztenetze, Kliniken, Krankenkassen, Pharmaunternehmen und Hersteller von Medizintechnik.
Für Patientinnen und Patienten kann sich die Teilnahme an integrierten Versorgungsformen finanziell lohnen, denn die Krankenkassen können die Bereitschaft zum Beispiel durch Bonusprogramme oder durch geringere Zuzahlungen fördern. Wichtiger aber noch ist der Qualitätssprung, den die strukturierten Behandlungsprogramme ausgelöst haben. Mit ihnen wurden feste Standards in Diagnostik und Therapie eingeführt. Sie setzen nachvollziehbare Qualitätsmaßstäbe. Hinzu kommt, dass die Kranken nicht länger von Pontius zu Pilatus laufen müssen, um weiterführende Behandlungswege zu erkunden und auf Termine zu warten, sondern dass sie mit allen notwendigen Daten und Informationen innerhalb des Netzes weitergereicht werden.
Das Norddeutsche Herznetz hat unterdessen über die Versorgung von Patienten hinaus Würdigung erfahren. Das Albertinen Diakoniewerk wurde 2006 mit dem 3. Platz des Deutschen Klinik-Marketingpreises ausgezeichnet. Marketing und Markenkommunikation des um die Gruppe geknüpften Herznetzes wurden gewürdigt. „Wir haben erstmals eine Marke in der Integrierten Versorgung von Grund auf aufgebaut und platziert", sagt Peter Claußen, Marketing- und Kommunikationschef des Albertinen Diakoniewerks und des Managements des Norddeutschen Herznetzes. Besonders bei erklärungsbedürftigen Produkten komme dem Markenmanagement eine große Bedeutung zu. Denn was für den Arzt selbstverständlich sei, könne den Patienten im äußersten Fall sogar derart verschrecken, dass er sich zu seinem persönlichen Nachteil einem Angebot verschließe.
Erklärungsbedürftig seien eben auch viele Angebote der Integrierten Versorgung. Eine mit positiven Attributen profilierte Marke wie das Norddeutsche Herznetz dagegen mache es möglich, die Patienten für das Angebot zu gewinnen, das sich allein über die Belehrungen über Rechte und Pflichten im Kleingedruckten nur schlecht erschließe.
„Mit dem Norddeutschen Herznetz gehen wir konsequent diesen Weg der Markenpolitik und etablieren den Verbund als Synonym für Geborgenheit, Wärme, gut aufgehoben sein, aber eben auch medizinische Kompetenz", sagt Claußen.