Der Arzt als Unternehmer

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  • 01.01.2007

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 1/2007

Über die Gesundheitsreform ist monatelang gestritten worden. Doch den Arbeitsalltag niedergelassener Vertragsärzte völlig umkrempeln wird das Vertragsarztrechtsände-rungsgesetz (VÄndG). Seit 1. Januar 2007 in Kraft, ermöglicht es die freiere und fachübergreifende Anstellung von ärztlichen Kollegen. Auch die Teilzulassung mit halbem Versorgungsauftrag und paralleler Tätigkeit in der Klinik wird möglich.

Was bringen die neuen Optionen des VÄndG? Sowohl die überörtliche Gemeinschaftspraxis (GP) als auch die fachfremde Anstellung von Kollegen in der Vertragsarztpraxis ermöglichen eine bessere und direktere interdisziplinäre Betreuung unter Einbindung auch von Klinikärzten. Es können nämlich durchaus auch mehrere Praxen unterschiedlicher Gebiete eine überörtliche GP gründen. So entsteht ein Verbund mit verschiedenen Leistungen „aus einer Hand", ohne dass man ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gründen müsste. Andererseits kann sich auch ein MVZ als Partner einreihen. Auch das „Ketten-MVZ", also ein überörtlicher Verbund mehrerer MVZ, ist denkbar. Synergien bietet zudem ein überörtlicher Zusammenschluss fachgleicher Praxen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Der Weg einzelner Klinikärzte in die ambulante Versorgung ohne den Umweg über ein MVZ ist frei. So könnte ein Oberarzt mit Einverständnis der Klinikleitung seine stationäre Tätigkeit reduzieren und eine Teilzulassung erwerben, mit der er an der Klinik eine Praxis betreibt. Als Praxisinhaber (nicht in seiner stationären Funktion) könnte er dann wiederum Partner eines Verbundes von überörtlichen GP werden. Auch die Teilzeitanstellung eines Klinikarztes bei einer schon bestehenden Kassenarztpraxis ist künftig möglich.

Desgleichen die Beschäftigung eines schon Niedergelassenen in der Klinik. Bisher waren Anstellungen neben der Praxis im Umfang bis 13 Stunden pro Woche zwar auch schon erlaubt, aber nicht in der Klinik. Dies verbot die Zulassungsverordnung, man befürchtete die Verlagerung oder Manipulation von Patienten. Dieser Passus ist laut VÄndG zu streichen. Wichtig diesbezüglich zu wissen: Eine erstmalige Voll- oder Teilzulassung ist seit Anfang 2007 auch für Ärzte möglich, die älter als 55 Jahre sind, was bisher untersagt war. Das kann insbesondere für leitende Klinikärzte interessant sein, die die oben genannten Chancen nutzen möchten.

Zulassungssperren bleiben

Doch ein Hemmschuh versperrt den Weg in die neue Freiheit: Die  Zulassungssperren gelten unverändert weiter. Ein Niedergelassener möchte einen Kollegen ohne Abrech-nungsbegrenzung anstellen? Dann darf der Bezirk für diese Fachgruppe nicht gesperrt sein. Das gilt auch für die gerade diskutierte Gründung einer Praxis an der Klinik.

Da für Fachärzte der meisten Disziplinen (nicht für Haus-ärzte) fast ganz Deutschland gesperrt ist, wird man für ein solches Projekt oft eine Praxis mit Zulassung kaufen müssen, deren Sitz sodann verlegt wird. Alternative: Ein Niedergelassener erklärt gegenüber dem Zulassungsausschuss, dass er in einer anderen Praxis angestellt werden möchte und seine Zulassung in diese Praxis einbringt. Das ist ihm laut VÄndG zu gewähren. Bei späterem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis bleibt die Zulassung beim Arbeitgeber und kann für eine Neueinstellung auch im Sperrgebiet eingesetzt werden.

Für die Zweigpraxis benötigt man keine weitere Zulassung, wenn sie mit der Manpower der schon bestehenden Einzel- oder Gemeinschaftspraxis betrieben werden kann. Braucht man hingegen neue Partner oder angestellte Ärzte, stehen auch hier wieder die Zulassungssperren erst einmal im Wege. Allerdings ist die Zweigpraxis ge-nehmigungspflichtig. Zuständig ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Sie macht die Genehmigung davon abhängig, dass sich die Versorgung am Ort der Zweigpraxis verbessert und am Stammsitz nicht verschlechtert.

Nicht alle der neuen Chancen stehen Ärzten sofort zur Verfügung. Denn für einige von ihnen müssen noch „untergesetzliche Normen" geändert werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nennt hier Bedarfsplanungsrichtlinien, Bundesmantelverträge, Vereinbarungen zur Qualitätssicherung, Richtlinien zu Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen und den Vertrag über den Datenträgeraustausch mit den Kassen. Hierbei handelt es sich um Regelungen, die von Vertretern der gesetzlichen Kassen und der Vertragsärzte entweder im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) oder in direkten Verträgen zwischen KBV und Kassen-Spitzenverbänden zu treffen sind. Mit einem Inkrafttreten dieser Bestimmungen wird zum 1. Juli 2007 gerechnet. Außerdem muss der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM), das Abrechnungsregelwerk der Vertragsärzte, in vielen Punkten angepasst werden.

Die überörtliche Gemeinschaft ist laut VÄndG sogar über den Bereich mehrerer KVen möglich. Das gilt auch für die Zweigpraxis. Gerade für solche bisher völlig undenkbaren KV-übergreifenden Gebilde muss man die oben erwähnten Regelungen treffen. Denn die KVen, in denen die Vertragsärzte Zwangsmitglieder sind, kontrollieren Abrechnung und Verordnung der Ärzte bisher separat in ihrem Gebiet nach Regeln, die in allen 17 KVen verschieden sind.

Was sofort umsetzbar ist

Ortsübergreifende Kooperationen und Zweigpraxen innerhalb einer KV-Region sind da viel einfacher zu handhaben. Eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (das ist die neue offizielle Bezeichnung für Gemeinschaftspraxen) ist laut KBV-Rechtsabteilung denn auch innerhalb eines KV-Bereichs schon möglich, KV-übergreifend erst später. Auch Zweigpraxen innerhalb eines KV-Gebiets werden als sofort genehmigungsfähig erachtet, wenn es nicht mehr als zwei sind.

Für „Filialen" in einem anderen KV-Bereich werden noch Ausführungsbestimmungen erwartet. Nachzulesen ist dies in einem umfangreichen Papier der KBV-Rechtsabteilung (www.kbv.de). Für sofort umsetzbar erachtet wird auch die Teilzulassung mit halbem Versorgungsauftrag neben der Anstellung etwa in einer Klinik. Auch die (gegebenenfalls fachfremde) Anstellung von Kollegen in einer Vertragsarztpraxis soll sofort möglich sein, wenn es sich um nicht mehr als eine Vollstelle oder entsprechende zeitliche Stückelungen handelt.

Für die Beschäftigung einer größeren Zahl von Ärzten werden noch vertragliche Regelungen zwischen KBV und Kassen erwartet. Hier denkt man offenbar an bis zu drei Stellen je Niedergelassenem, bis zu vier bei eher technisch orientierten Fächern. Eine Zweier-Gemeinschaftspraxis könnte also immerhin sechs Ärzte anstellen. Die müsste man erst mal finden und dann noch die nötigen Zulassungen auftreiben (siehe oben).

MVZ bedeutungslos?

Die Bedeutung des MVZ scheint zu sinken, ist doch vieles, wie etwa die fachübergreifende Anstellung von Ärzten, schon in der normalen Praxis möglich. Die erwähnte Be-schränkung der Zahl angestellter Ärzte gilt aber für das MVZ nicht.  Beschäftigungsverhältnisse zwischen Arztgruppen, die nur auf Überweisung tätig sein dürfen, und ihren potenziellen Zuweisern (und umgekehrt) sollen in den Bundesmantelverträgen verboten werden. Man befürchtet missbräuchliche Überweisungen zu teuren Leistungen wie Labor, Zytologie oder Radiologie. Für MVZ gilt das nicht.

Ein niedergelassener Orthopäde könnte also keinen Radiologen anstellen, ein MVZ mit diesen Fachgruppen ist sehr wohl möglich. Ein Sonderfall ist die Teilgemeinschaftspraxis, eine Kooperation von Praxen für nur einen Teil des Leistungsspektrums (etwa die Versorgung von Schmerz-patienten). Diese verbietet das VÄndG zwischen nur auftragnehmenden Ärzten und möglichen Zuweisern. Vollumfängliche Gemeinschaftspraxen dieser Arztgruppen sind nicht untersagt, da sie als wenig praktikabel gelten. Entsprechend gering erscheint das Missbrauchspotenzial.

Hat ein Arzt im Sperrbezirk gegen Geld seine Praxis und Zulassung für eine Anstellung eingebracht, und hat sich das Einbinden dieser Fachgruppe nicht bewährt, und es kommt zur Kündigung ohne Neubesetzung, so kann nach Rechtsauffassung der KBV diese Zulassung nicht ausgeschrieben und veräußert werden. Damit geht die Investition des Arztes oder des MVZ unter.

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