Noch herrscht beschauliche Ruhe an dem kleinen See auf dem Campus Lübeck. Doch auf der benachbarten Wiese des Universitätsklinikums baut die Maritim-Gruppe ab März kommenden Jahres das erste Patientenhotel Schleswig-Holsteins. Solche oder alternative Konzepte zur außerstationären Versorgung von Patienten verfolgen Kliniken überall in Deutschland.
Ob Patientenhotel oder Stadthotel, ob „Low-Care-Station" oder Patientenhaus: Die derzeitigen Konzepte für Bauten auf den Arealen deutscher Universitätskliniken sind beinahe ebenso vielfältig wie die Orte, für die sie geplant werden. Am konsequentesten in Richtung des skandinavischen Modells marschiert derzeit das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. An seinen beiden Standorten in Lübeck und Kiel will es je ein Patientenhotel bauen.
Die Ausschreibungen für Investor und Bauträger des 19,5 Millionen Euro-Projektes am Campus Lübeck laufen bereits im Verhandlungsverfahren. Diese sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Auf einem 15 000 Quadratmeter großen Grundstück entsteht dann neben der Universitätsklinik ein Hotel der Kategorie 3 Sterne plus mit Rezeption, Restaurant, Bistro, Tagungsräumen und Bar.
Ein separater Bereich für Physiotherapie mit Bewegungsbad für weitere 2,4 Mil-lionen Euro soll dem Patientenhotel angeschlossen werden. Der Vertrag mit dem Hotelbetreiber wurde Mitte Februar unterzeichnet. Die Konzeptionsphase soll Ende April 2007 abgeschlossen sein. Die drei im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vertretenen Ministerien unterstützen das Vorhaben.
120 Zimmer werden voraussichtlich ab Sommer 2009 von gehfähigen Patienten des Klinikums bezogen werden können. Anders als auf Krankenstationen üblich, erwartet sie dort die behaglichere Atmosphäre eines Hotels mit gehobenem Komfort: Warme Töne und wohnliche Möbel bestimmen das Ambiente. Zum Essen geht der Patient, der hier als Gast empfangen werden soll, ins hauseigene Bistro oder Restaurant. Dort serviert das Hotelpersonal die Speisen und Getränke.
Erfahrene Pfleger und Krankenschwestern bieten den Patienten bei Bedarf rund um die Uhr medizinische Hilfe. Zu ihren Arztgesprächen, Untersuchungen und Behandlungen gehen die Patienten zu Fuß ins direkt benachbarte Klinikum. Im Notfall aber eilen dessen Ärzte in das Patientenhotel.
Als Gäste kommen im Allgemeinen Hüft- oder Kniegelenksoperierte ebenso in Frage wie junge Mütter. Auch ambulant operierten Selbstzahlern stehen die Türen offen: Wer nach Hause entlassen wird, aber noch die Versorgung des Patientenhotels oder die Sicherheit des benachbarten Klinikums zu schätzen weiß, ist hier ebenso richtig wie Familienangehörige, die ihren Kranken nah sein wollen, auch wenn sie selbst dafür zahlen müssen.
Für den Betreiber, sagt Dr. Monika Gommolla, Aufsichtsratsvorsitzende der Maritim Hotelgesellschaft, ist das Patientenhotel in Lübeck ein Pilotprojekt. Die Hotelkette habe in der Zusammenarbeit mit medizinischen Einrichtungen, wie mit der Klinik am Aegi im Maritim Stadthotel Hannover, schon seit 1998 Erfahrungen gesammelt. Wer beim Stichwort Patientenhotel an Luxusherbergen für Privatpatienten denkt, der irrt. Das Konzept, das die Schleswig-Holsteiner verfolgen, geht auf Erfahrungen in Skandinavien zurück.
Dort betreiben Kliniken seit mehr als 15 Jahren erfolgreich Patientenhotels. Was auf den ersten Blick ungewöhnlich luxuriös erscheint, ist es offenbar nicht. Die Skandinavier haben herausgefunden: Gehfähige Patienten in Hotelzimmern unterzubringen ist günstiger als die übliche stationäre Versorgung. Das liegt auch an einer klar getrennten Aufgabenver-teilung des Personals.
DAK-Chef Prof. Herbert Rebscher begegnet der Entwicklung offen: „Patientenhotels sind für die DAK kein Tabu. Unter den Bedingungen der Fallpauschalen (DRG) sind sie kostenneutral und bieten Vorteile. Als Gesundheitsdienstleister vernetzen wir uns mit Partnern zum Vorteil unserer Kunden. Patientenhotels bieten nicht nur mehr Service für den Kranken, sondern auch erweiterte Möglichkeiten, Verträge der integrierten Versorgung zu vereinbaren. Eine ambulante Operation mit Unterbringung im Patientenhotel vermeidet eine vollstationäre Operation."
„Eher skeptisch" äußerte sich Jens Kuschel, Pressesprecher bei der AOK Schleswig-Holstein in Kiel. Zum jetzigen Zeitpunkt hege er Zweifel, ob die Qualitätsstandards der Krankenhäuser in Patientenhotels gehalten werden könnten. Für die AOK gebe es „keine Kompromisse in der Patientensicherheit". Aber Barbara Schulte, Vorstand für Krankenpflege und Patientenservice am Uniklinikum Schleswig-Holstein, stellt klar: „Der Aufenthalt im Patientenhotel ist für die dort liegenden Patienten ein integraler Bestandteil des Krankenhausaufenthaltes.
Die Zimmer im Patientenhotel sind bei entsprechender Belegung keine Hotelzimmer, sondern so genannte Low-Care-Einheiten. Für diese gelten dieselben Sicherheits- und Hygienestandards wie in der Klinik. Die Einhaltung der Standards ist durch bauliche Maßnahmen sowie die Ausbildung des eingesetzten Personals gewährleistet."
Zurückhaltend, aber vom Posten des neugierigen Beobachters aus betrachtet die private Krankenversicherungswirtschaft die Entwicklung der Patientenhotels. Dr. Joachim Patt, Geschäftsführer des PKV-Verbandes in Köln, hat zwar unter krankenhaus-, krankenversicherungs- und haftungsrechtlichen Erwägungen Bedenken: „Die Grenze zum medizinisch Notwendigen wird verwischt", befürchtet der Jurist, der sich seit eineinhalb Jahren mit rechtlichen Fragen rund um Patientenhotels beschäftigt.Viele Unklarheiten lägen schon im Begriff.
Er fordert „die verlässliche Akutversorgung in den Kliniken, nicht den Vier-Sterne-Komfort bei Unterbringung und Verpflegung". Über Wahlleistungen für Krankenhäuser könne man allerdings nachdenken. Dennoch, so gibt er zu, „bin ich ganz heiß darauf, das zu sehen". Geht alles wunsch- und plangemäß, wird das Uniklinikum Schleswig-Holstein in etwa zwei Jahren ein weiteres Patientenhotel an seinem zweiten Standort in Kiel nach gleichem Konzept wie in Lübeck europaweit ausschreiben.
Andere Orte – andere Konzepte
Nicht jeder Hotelbau auf einem Klinikgelände folgt einem medizinischen Nutzungskonzept. So entsteht auf dem Gelände des Univer-sitätsklinikums Köln ein Tagungshotel, das vor allem Wissenschaft-lern kurze Wege zu Veranstaltungen des Klinikums bescheren soll – ein Stadthotel, das lediglich auf Klinikgelände entsteht.
Der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg, Professor Dr. Jörg Debatin, sagt, sein Haus habe zu keinem Zeitpunkt ein eigentliches „Patientenhotel" geplant: „Wir halten die stationäre Versorgung von Patienten für eine unserer Kernkompetenzen. Eine externe Vergabe macht wenig Sinn." Natürlich könne und solle das Hotel von Patienten, die nicht direkt aus Hamburg kommen, vor- und nachstationär genutzt werden. Einen großen Markt für das Hotel auf dem Klinikgelände sieht das UKE in den Angehörigen seiner Patienten.
Auch das Universitätsklinikum in Mannheim baut ausdrücklich kein Patientenhotel, sondern ein fünfstöckiges 118-Zimmer-Haus für Patienten, deren Pflegebedarf unter dem einer Normalstation liegt. Der elf Millionen Euro teure Neubau, der im Herbst 2008 auf einer Gesamtnutzfläche von 4 385 Quadratmetern in Betrieb gehen soll, entsteht in eigener Trägerschaft des Universitätsklinikums, finanziert aus Eigenmitteln der Klinikum Mannheim gGmbH, berichtet der für die Pressearbeit zuständige Klaus Wingen. „Hier, im Patientenhaus, steht der Komfort der Unterbringung stärker im Vordergrund als auf den Klinikstationen.
Ärzte und medizinische Versorgung werden – vom Notfall abgesehen – im Radius von 250 Metern erreichbar sein." Außerdem wolle das Klinikum beispielsweise älteren alleinstehenden Patienten nach einem ambulanten Eingriff die Möglichkeit bieten, noch eine Nacht versorgt und überwacht zu verbringen. „Das Personal wird gestellt aus der Pflege und der eigenen Klinikum Mannheim Dienstleistungs GmbH", so Wingen.
In Sachsen, am Universitätsklinikum Dresden, sei zu keinem Zeit-punkt auch nur ein konkreter Ort für ein Patientenhotel bekannt gewesen, so Pressesprecher Holger Os-termeyer. Das vage umrissene Projekt sei „schleichend gestorben". Statt eines Patientenhotels eröffnete die Universitäts-Augenklinik im Sommer vergangenen Jahres auf einer Etage eine „Low-Care-Station" mit 43 Betten, verteilt auf Ein- und Zweibettzimmer. Versorgt werden die mobilen Patienten von einem externen Servicedienstleister. Die Unterbringung habe auf dieser Etage Hotelcharakter.
Auch am Uniklinikum Münster werden unterschiedliche Konzepte diskutiert.