Die Gesundheitswirtschaft wächst. Doch wer stillt den Kapitalbedarf? Die Finanzierung von kompletten Leistungskonzepten in der Gesundheitsbranche ist noch Neuland. Derweil aber kommen die ersten Kapitalanlagen auf den Markt, die nicht nur Kliniken oder ambulante Versorgungseinrichtungen finanzieren, sondern auch spezielle Leistungen.
Pionierprojekt unter den innovativen Finanzierungsmodellen war der Fonds PPSmed Clinical Engineering GmbH & Co. KG, der in die Patienten-Prozess-Steuerung in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen investierte. Das Arbeitsfeld sind Daten im Gesundheitssystem, die vielfältig und immer wieder neu erhoben in unterschiedlichen Systemen verwaltet und kommuniziert werden und deshalb jeweils nur begrenzt zugänglich sind. PPSmed vereinheitlicht diese Systeme inklusive der Abrechnung mit den Krankenversicherern über neue Software und ein mobiles Tablettsystem, in das Daten eingetragen werden.
Das System, das ein mittelständisches Unternehmen entwickelt hat, begleitet den Patienten von der ersten Diagnose bis zur Entlassung aus der Klinik und von der Reha bis zur vollständigen Heilung. Es ist mit der digitalen Patientenakte vereinbar.
Araber investieren, Deutsche tun sich schwer
Das Fondsvolumen lag bei 20 Millionen Euro, erklärt Ulrich von Ofen, der das Fondskonzept entwickelt hat und die Vertriebskoordination organisiert. Offenbar ein überzeugendes Konzept, denn das Projekt wurde mit privatem Kapital aus den arabischen Ländern finanziert, während sich deutsche Kapitalanleger sehr schwertaten.
„Man muss einfach wissen", sagt von Ofen, „dass in Deutschland neue, innovative Ideen zwar gerne eingefordert, in der Umsetzung aber mit großer Skepsis betrachtet werden. In diesem Falle mussten wir uns deshalb noch international orientieren." Die Vermittlung übernahm der Management-Berater Ralf Schnell über seine Firma Healthcare Finance Engineering als Entwickler von Finanzierungskonzepten für Anbieter und Anleger.
Ein zweites Projekt, das von Ofen in Form einer Privatplatzierung entwickelt hat, zielt auf die Finanzierung von Dialyseeinrichtungen. Die HaemoConcept Betriebsgesellschaft mbH will in den nächsten Jahren eine Kette von Dialysezentren aufbauen und unter einer Marke platzieren. Auch hier liegen die Verdienstchancen in der Verschlankung der Organisation sowie im günstigen Einkauf der Kette.
Das Volumen für HaemoConcept liegt gegenwärtig bei 25,5 Millionen Euro, die im Zuge des Generationswechsels bei den ärztlichen Betreibern in solche Zentren investiert werden sollen. Das Kapital stammt von Privatanlegern. Die Betriebsgesellschaft ist von Herstellern und Institutionen unabhängig und kann frei und unvoreingenommen über Marken und Preise entscheiden. Die Anleger investieren in die Dialyse als einen wachsenden Markt, in welchem die Zahl der Patienten pro Jahr um etwa sechs Prozent zunimmt.
Die Kapitalbestände der Anleger sind immens
In dieses Projekt steigt nun die Commerz-Leasing ein und stellt bis zu 75 Prozent Fremdkapital zur Verfügung. „Das Konzept ist für einen Finanzinvestor interessant, weil es ein skalierbares Geschäft ist, das bei einem weiteren Wachsen der Kette aufgestockt werden kann, während die Vorbereitungs- und Beurteilungsprozesse nur einmal zu bewältigen sind", sagt Schnell, der in der Gesundheitswirtschaft große Potenziale für Anleger sieht.
Das deutsche Gesundheitswesen genießt international einen sehr guten Ruf. Und die Kapitalbestände der Anleger sind immens. Gleichzeitig wird dieses deutsche Gesundheitswesen mit jährlichen Kosten von rund 300 Milliarden Euro zum Teil nach veralteten Methoden organisiert. Es ist um etwa 30 Prozent zu teuer."
Attraktiv ist nach von Ofens Überzeugung die Investition in die Umstrukturierung der klinischen Transfusionsmedizin. Leistet sich bisher noch nahezu jedes einzelne Krankenhaus seine eigene Abteilung, so soll zukünftig ein Zentrum alle Kliniken in einer Region mit Blutkonserven und -produkten beliefern.
Methodisch gesteuert wären in Deutschland nämlich anstelle der bislang verbrauchten 5,2 Millionen Blutkonserven pro Jahr nur noch rund 3,5 Millionen nötig, weil durch das System der optimale Einsatz gefördert und der Verfall von Präparaten verhindert werden soll. Das ist nicht nur ein finanzieller Profit, sondern auch ein humanitärer, weil die Blutspender seltener zur Ader gelassen werden müssten und Versorgungsengpässe, wie sie immer wieder in den Sommermonaten auftreten, vermieden werden könnten. „Dieses Konzept", so von Ofen, „wird einem begrenzten Anlegerkreis noch im Sommer 2007 vorgelegt."
Als viel versprechendes Feld für Investoren gelten unterdessen selbst die großen Volkskrankheiten und die Vorsorge vor ihnen. Hier liegen die Gewinnpotenziale in optimierten Behandlungspfaden, in standardisierten Therapien – kurz in einer Steigerung der Effizienz. Die Anbieter des Produkts übernehmen von den Kassen die Versicherten mit einer bestimmten Diagnose und steuern die Versorgung mit ihren Vertragspartnern, die sich wiederum über den Preis, vor allem aber über die Versorgungsqualität profilieren.
Die Patienten profitieren eben durch diese Versorgungsqualität sowie durch besonderen Service. Die Krankenkassen sparen Kosten, was wiederum für die Versicherten die Beiträge senkt. Von Ofen erwartet die Entwicklung einer Art „Gesundheits-TUI": Die Kassen oder Patienten buchen ihre Reise über die Gesundheitsversorgungsagentur und nehmen zu günstigen Preisen die Pauschal-Versor-gung in der Klinik und die Behandlung in der Praxis in Anspruch. Das Angebot wird dabei zum exakt definierten und damit auch überprüfbaren Produkt werden.
Vorteile für alle
„Mit den Investitionen in die Gesundheitswirtschaft eröffnet sich eine neue Asset-Klasse, die es systematisch zu erschließen gilt", sagt von Ofen. Das finanzielle Engagement auf diesem Sektor bringe Vorteile für alle. Die Anleger haben finanziellen Erfolg, die Versorgungssysteme werden besser und die öffentliche Hand, die investieren müsste, wird entlastet.
Vielen, die den überkommenen Vorstellungen der Versorgungssysteme noch anhängen, ist Private Equity im Gesundheitswesen ein Gräuel. Sie warnen vor Heuschrecken, die aus der Krankheit anderer Kapital schlügen und die Beschäftigten bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit ausquetschten. Als Gegenindikation zur Investition in Kliniken gilt unterdessen auch das Verhalten des Bundeskartellamts, das jüngst gegen Klinikfusionen Einspruch erhob, weil es auf örtlichen Versorgungsmärkten die Gefahr der Kartellbildung witterte.
Die Heuschrecken sind als Retter willkommen
Aber das Klima wandelt sich. Inzwischen wächst auch unter den Kommunen die Bereitschaft, sich Kapital ins Haus zu holen, um In-estitionslücken zu decken, statt die Krankenhäuser komplett zu verkaufen. Immer häufiger sind Finanzinvestoren, Pensionskassen und Private-Equity-Gesellschaften als Retter willkommen. Das Interesse der Anleger ist groß, denn der Kapitalstock in den Sammelstellen ist immens, das Interesse internationaler Investoren an funktionierenden deutschen Kliniken ebenfalls.
Ein Hemmnis ist aber bislang die unsichere Zukunft des deutschen Gesundheitswesens, dessen Finanzierungssystem im Umbruch steht. Bislang sind es vor allem noch die klassischen Investitionsmodelle, mit denen private Anleger ihr Geld in Gesundheitseinrichtungen investieren. „Beispielsweise in Sale-and-Leaseback-Modelle der Kommunen", sagt Dr. Bent Lüngen, Geschäftsführer und Eigentümer der B-LUE Management Consulting in Hamburg. Strategische Investments in Betriebe stünden dagegen bislang wegen des dualen Finanzierungssystems durch Bund und Län-der und der schwankenden Gesundheitspolitik noch am Anfang.