Auch wenn Umfang und Größe der Messe immer wieder Anlass zu Kritik geben – die Medica bleibt der Präsentationshöhepunkt der Gesundheitswirtschaft.
Von Kerstin Schäfer
Die weltgrößte Medizinmesse, die in diesem Jahr vom 14. bis 17. November erneut in Düsseldorf stattfindet, bleibt weiter auf Erfolgskurs. Laut Angabe der Organisatoren, die in diesem Jahr rund 140000 Fachbesucher erwarten, haben sich die Zahl der teilnehmenden Unternehmen und die Ausstellerfläche im Vergleich zum Vorjahr erneut vergrößert: 4.300 Aussteller aus 65 Nationen auf 117.000 Quadratmeter gebuchter Fläche, so die vorläufige Bilanz der 39. Medica.
Aus Europa zeigen insbesondere Unternehmen aus den Niederlanden, der Türkei, Italien, Polen und Dänemark noch stärker als in den Vorjahren Flagge. Brasilien und Argentinien stehen für verstärkte Präsenz aus dem südamerikanischen Raum, Malaysia, Indien, China und Hongkong für Wachstum aus Asien. China beispielsweise belegt mit 345 Ausstellern nach Deutschland (1.309) und den USA (359) inzwischen bereits Platz drei der Länderbeteiligung.
„Der Markt für medizintechnischen Bedarf ist aufgrund prinzipiell positiver Zukunftsaussichten von einem harten Wettbewerb seitens der Anbieter gekennzeichnet, aber gleichzeitig auch von starkem Kostendruck hinsichtlich der Nachfrage aus Arztpraxen und Kliniken", sagt Wilhelm Niedergöker, Geschäftsführer der Messe Düsseldorf GmbH. Infolgedessen habe die Preisorientierung zugenommen, was sich viele Anbieter vor allem aus dem asiatischen Raum auf Basis günstiger Produktionskosten zunutze machten. Denn der deutsche Markt in diesem Sektor bleibe allein aufgrund seines Volumens von rund 20 Milliarden Euro attraktiv.
Aber auch für deutsche Anbieterunternehmen ist die steigende Internationalität der Medica interessant. Während sich der Umsatz der deutschen Medizintechnikindustrie im Inland schon seit Jahren eher schleppend entwickelt, boomt das Exportgeschäft mit jährlichen Wachstumsraten von bis zu acht Prozent. Die überwiegend mittelständischen medizintechnischen Unternehmen in Deutschland verfügen jedoch nur selten über weltumspannende Vertriebsnetze. Für diese Unternehmen biete sich auf der Medica die Chance, mit Investitionsentscheidern aus der ganzen Welt zusammenzukommen, erklären die Messeveranstalter.
Die verstärkte Präsenz ausländischer Anbieter, die nicht in international organisierte Konzerne integriert sind, könnte nach Ansicht von Wolfgang Zeise, Hauptabteilungsleiter Materialwirtschaft der Rhön Klinikum AG, durchaus interessant sein. „Beschaffungsentscheidungen trifft man ja standardmäßig über die Komponenten Qualität und Preis. Beim Thema Qualität ist allerdings immens wichtig, dass Kontinuität, Service und Innovation gewährleistet sind." Wer hier nur über den Preis entscheide, werde am Ende sicher nicht sonderlich glücklich.
Das Trendthema auch in diesem Jahr: IT
Insbesondere für den Bereich der medizinischen Informations- und Kommunikationstechnik ist die Medica in den letzten Jahren immer mehr zum Trendsetter geworden.
„Das deutsche Gesundheitssystem braucht intelligente und sektorübergreifende IT-Lösungen", formuliert auch Professor Dr. Roland Trill von der Fachhochschule Flensburg. „Die Neuorientierung der Gesundheitswirtschaft in Richtung intersektorales Denken macht die IT zu einem erfolgsrelevanten Werkzeug."
Im Fokus stehen für den E-Health- Experten bei der diesjährigen Medica beispielsweise Anwendungen aus dem Bereich Telemedizin wie etwa „D2D"-Anwendungen („Doc-tor to Doctor"), aber auch „D2P"-Anwendungen („Doctor to Patient"). „Das Zukunftsmodell E-Health stellt den Bürger mit seiner Patientenakte in den Mittelpunkt der Informationsverarbeitung: Eine Revolution, die alle Anbieter zu einem radikalen Umdenken zwingt", betont Trill.
Als weitere Trendthemen nennt er Data-Warehouse-Lösungen sowie Workflow-Management-Systeme, die die Prozessorientierung im Krankenhaus unterstützen, aber auch Anwendungen aus dem Bereich Customer Relation Management. Ein-weiserportale seien die Vorboten dieses Ansatzes. Künftig könnten zudem kostenlose PR-Portale an Bedeutung gewinnen.
„Mobile Technologien setzen sich ebenfalls weiter durch. Das Handy und ähnliche Geräte werden insbesondere in der Kommunikation zwischen Leistungserbringer und Patient an Bedeutung gewinnen", prognostiziert Trill. Grundlage für diese unternehmensübergreifende Kommunikation sei eine stabile und sichere Datenübermittlung. Daher werden nach seiner Ansicht Sicherheitsfeatures im Hard- und Softwarebereich verstärkt Raum einnehmen.
Aber auch kompakte Medizinprodukte, die den gesundheitsbewussten Patienten aktiv im Sinne der Prävention und des schnellen Behandlungserfolges miteinbeziehen und ihm helfen, bestimmte Körperparameter selbst zu messen, liegen im Trend. Beispielsweise der mobile „Stress-Pilot" des Unternehmens Biocomfort.
Ein Produkt, das aus einem Ohrclip zur Pulsmessung und Trainingssoftware besteht und dem Anwender das nötige Know-how vermittelt, um Stress in den Griff zu bekommen. Ein anderes Beispiel: Die Innovation „smartLAB-genie" von Heidelberger Medical Marketing, ein Blutzuckermessgerät, so kompakt wie eine Kaugummi-Schachtel. Der besondere Clou: Das Gerät ist das erste seiner Art mit einer Bluetooth-Schnittstelle, die die Datenübertragung an den behandelnden Arzt ermöglicht.
Auch die Systeminnovation „Care-Link" der Firma Medtronic setzt auf kabellose Übertragung medizinischer Daten: Die Technologie ermöglicht es implantierten Herzgeräten, beim Auftreten lebensbedrohlicher Krankheitszuspitzung automatisch Patienten- und Gerätedaten an den behandelnden Arzt zu übermitteln.
„Die Medica ist Spiegelbild des Weltmarktes", so bringt Niedergöker das Angebotsspektrums auf den Punkt. Hierzu Walter F. Schäfer, Leitung Marketing Kommunikation der Agfa Health-Care GmbH: „Die Medica zeichnet sich durch eine sehr gute Besucherstruktur aus, wir erreichen mit unseren Aktivitäten eine überdurchschnittliche Anzahl an Entscheidungsträgern.
Dies garantieren zurzeit nur das Nationale DRG-Forum und der Hauptstadtkongress in Berlin. Die Kombination des Ausstellungsangebotes mit dem Kongress der DKG ist optimal. Mit der IT-Halle 15 hat die Messegesellschaft ein ausgezeichnetes Umfeld für die Anbieter der Informationstechnologie geschaffen. Wir sehen die Medica als wertvolle Veranstaltung für die gesamte Gesundheitswirtschaft."
„Die Medica ist inzwischen sehr komplex und teilweise unübersichtlich aufgrund ihrer Größe", kritisiert Rhön-Hauptabteilungsleiter Zeise. Aber nach wie vor sei sie die „Nummer eins" und habe somit eine zentrale Funktion im Rahmen der Marktbeobachtungen. „Wir treffen zwar keine endgültigen Entscheidungen über Beschaffungsvorgänge vor Ort. Aber man muss dabei sein, das ist schon fast so etwas wie eine Pflichtübung."
Fotosheriffs gegen Plagiateure
Der hohe Internationalitätsgrad der Messe – rund 70 Prozent der Aussteller und 40Prozent der Fachbesucher kommen aus dem Ausland – trug dazu bei, dass die Medica in ein seit dem 1. Juni 2007 laufendes Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie aufgenommen wurde. Gefördert wird die Teilnahme von jungen innovativen Unternehmen an ausgewählten internationalen Messen in Deutschland. Der Export von Produkten und Verfahren ist eines der Hauptziele des Programms.
Ebenfalls Ausdruck des internationalen Messeansatzes: Auf der Medica werden in diesem Jahr erstmals „Fotosheriffs" eingesetzt, die Plagiateuren das Handwerk legen sollen.
Kerstin Schäfer lebt und arbeitet als freie Journalistin in Hamburg und Kassel.