Mangelware Innovationen

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  • 01.01.2007

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 1/2007

Die Pharmaindustrie kann eine wahre Goldgrube sein. Die Besten der Branche erwirtschaften Betriebsgewinne bis zur Hälfte des Umsatzes, und auch am unteren Ende der Skala sind Renditen von 25 Prozent noch immer die Regel. Von solchen Gewinnmargen können andere nur träumen. Doch es mehren sich Spekulationen, Ankündigungen und Meldungen, die nur einen Schluss zulassen: Die Arzneimittelbranche geht schweren Zeiten entgegen.

Der amerikanische Weltmarktführer Pfizer baut bis Ende 2008 Tausende von Stellen ab, darunter 760 in Deutschland. Der französische Konzern Sanofi-Aventis hat in Frankfurt-Höchst fest eingeplante Investitionen erst einmal zurückgestellt und 350 Stellen gestrichen. Auch der amerikanische Konzern Eli Lilly senkt seine Kosten deutlich, unter anderem durch die Schließung eines Forschungslabors in Hamburg. Die Krise der Arzneimittelbranche hat einen Kern, der sich leicht erkennen, aber schwer beheben lässt: Es fehlt an Innovationen.

Der Nachschub neuer Präparate ist aber nach wie vor existenziell für die forschende Pharmaindustrie, weil sie für ihre Medikamente nur einen zeitlich begrenzten Patentschutz erhält. Wenn dieser abläuft, sorgen die Hersteller von Nachahmerpräparaten (Generika) in der Regel dafür, dass der Umsatz der Original-arznei schon im ersten Jahr um mehr als 80 Prozent zurückgeht. Trotz dieser wirtschaftlichen Zwänge fehlt es an Neuheiten, wie der Blick auf die Zulassungsstatistiken zeigt: In den fünf Jahren bis 1994 wurden noch 215 Medikamente für den Markt freigegeben, im Fünf-Jahres-Zeitraum bis 2004 waren es nur noch gut 160. Seitdem hat sich die Situation nicht verbessert. 2006 ließ die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA nur noch 18 Arzneimittel zu, so wenig wie nie seit Beginn des Jahrzehnts.

Gesundheitsbehörden prüfen strenger

Diese Innovationsschwäche hat mehrere Gründe. Zum einen prüfen die Gesundheitsbehörden in den klinischen Tests inzwischen erheblich strenger. Damit wollen sie echten oder vermeintlichen Medikamentenskandalen entgegenwirken, wie im Falle des Blutfettsenkers Lipobay des Bayer-Konzerns, der seinen Kassenschlager nach Todesfällen in den Vereinigten Staaten wieder vom Markt nehmen musste.Zum anderen erkennt die Branche allmählich, dass es nicht die beste Idee war, deutlich mehr in die Vermarktung der bestehenden Medikamente zu investieren als in die Forschung.

Schließlich spielen auch Pech oder Unvermögen in den Labors und den klinischen Tests eine Rolle, wie der Altana-Konzern erfahren musste. Er arbeitete mehr als ein Jahrzehnt an der Entwicklung zweier vielversprechender Atemwegspräparate, die den mit dem Patentauslauf von 2009 an absehbaren Umsatzausfall des einzigen Altana-Kassenschlagers Pantoprazol mehr als ausgleichen sollten. Beide Kandidaten konnten nach teils schweren Rück-schlägen in der klinischen Entwicklung die Erwartungen nicht erfüllen. Inzwischen wird das Altana-Pharmageschäft vom deutlich kleineren dänischen Nycomed-Konzern fortgeführt, hinter dem drei Finanzinvestoren stehen. Eine der ersten Entscheidungen von Nycomed nach der Übernahme war der Abbau von fast 1 000 der ehemaligen Altana-Stellen.

Doch auch wenn die Markteinführung gelingt, gibt es keine Garantien für den wirtschaftlichen Erfolg. So wird ein Schlankheitsmedikament von Sanofi-Aventis in Deutschland inzwischen nicht mehr von der Gesetzlichen Krankenkasse bezahlt, weil ihm als Life-Stile-Präparat der medizinische Nutzen abgesprochen wurde. Das ist ein Beleg dafür, dass die Gesundheitsbehörden in aller Welt unter immer stärkerem Kostendruck stehen und diesen an die Pharmabranche weiterzureichen versuchen.

Auf den wachsenden Druck reagieren die Pharmakonzerne höchst unterschiedlich. Der führende britische Anbieter Glaxo Smith Kline beispielsweise versucht es mit einer internen Lösung: Er hat seine Forschung und Entwicklung neu ausgerichtet, und zwar nicht mehr auf einzelne Projekte, sondern auf Krankheitsgebiete. Außerdem sollen die Wissenschaftler künftig auch unternehmerische Entscheidungen etwa über Budgets treffen.

Damit will der Konzern die Entwicklung verschlanken und beschleunigen. Bayer geht einen anderen Weg: Mit der Übernahme von Schering hat der Konzern nicht nur erfolgreiche Präparate etwa für die Empfängnisverhütung erworben, sondern auch beträchtliche Forschungskompetenz. Außerdem schob sich Bayer in der deutschen Pharmarangliste wieder auf die führende Position vor Boehringer Ingelheim.

Fusionen in der Weltliga der Pharmabranche

Auch in der Weltliga der Pharmabranche könnte es zu Fusionen und Übernahmen kommen. Dafür spricht schon die generelle Überlegung, dass sich Rückschläge in der For-schung und Entwicklung desto leichter verkraften lassen, je größer das betroffene Unternehmen ist. Als einer der wahrscheinlichsten Übernahmekandidaten wird der amerikanische Arzneimittelkonzern Bristol-Myers Squibb genannt, der durch Generikakonkurrenz unter Druck geraten ist. Branchenkenner halten Sanofi-Aventis für einen ernsthaften Interessenten, da sich die Forschung beider Unternehmen gut ergänzen soll und Sanofi-Aventis außerdem auf dem amerikanischen Markt geschäftliche Lücken schließen könnte.

Die alte Industrie zielt auf die junge Biotech-Branche

Als aussichtsreich gilt auch der Erwerb von Biotechnologie-Unternehmen. Diese Branche, die ihre Präparate in lebenden Organismen entwickelt, ist noch relativ jung, weshalb die meisten Unternehmen noch klein und umsatzschwach sind, oftmals aber vielversprechende Produkte aufweisen. Ein Musterbeispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen herkömmlicher Pharmabranche und Biotechnologie bietet der schweizerische Roche-Konzern, der seine Krebsmedikamente inzwischen überwiegend in Kalifornien bei der Tochtergesellschaft Genentech entwickeln lässt.

Ähnliches strebt jetzt auch die Darmstädter Merck KGaA an, die die schweizerische Serono erworben hat, den größten europäischen Biotech-Konzern. Im Gegenzug will sich Merck von seiner Generikasparte trennen. Der Schweizer Novartis-Konzern, der in jüngster Zeit im innovativen Pharmageschäft Wachstumsschwächen zeigt, geht den umgekehrten Weg. Er hat mit dem Kauf der deutschen Hexal seine Generikasparte entscheidend gestärkt und darüber hinaus ein mittlerweile bedeutendes Impfstoffgeschäft aufgebaut, um sich gegen die wachsenden Risiken des klassischen Pharmageschäfts zu wappnen.

Die Beispiele zeigen, dass die Pharmabranche gewaltig in Bewegung geraten ist. Patentrezepte gegen den zunehmenden wirtschaftlichen Druck gibt es nicht, wie die unterschiedlichen Lösungsansätze zeigen. Auf ihrem ungewissen Weg aber können die Konzerne einen gewaltigen Vorteil nutzen: Sie sind finanziell fast durchweg noch hervorragend ausgestattet, wie die hohen Renditen zeigen

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