Schulterschluss gegen die Klinikreform der Bundesregierung: Auf einer Veranstaltung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) am Freitag in Berlin kündigten Vertreter der DKG, der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, der Ärztekammer und des Aktionsbündnisses Patientensicherheit an, gemeinsam deutschlandweit gegen die Reform zu kämpfen, wie sie derzeit noch im Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums formuliert ist. Zahlreiche Klinikmanager nutzten dabei die Chance, ihrem Ärger Luft zu machen. Sie schilderten den wachsenden Unmut ihrer Beschäftigten aufgrund der immer schlechter werdenden Bedingungen infolge wachsendener Arbeitsverdichtung. Ohne eine bessere Finanzierung werde die Versorgung und damit auch die von der Politik geforderte Qualität schlechter, es drohe eine Rationierung der Klinikleistungen
Die Reform bringt laut DKG-Präsident Thomas Reumann keine Entlastung für Ärzte und Pflegekräfte. Er sprach von einem „bürokratischen Overkill" und kündigte in Anwesenheit der Bundestagsabgeordneten Lothar Riebsamen (CDU), Erwin Rüddel (CDU) und Marina Kermer (SPD) an: „Wir sind heute hier, um den Druck zu erhöhen." Ziel der Krankenhäuser sei es ganz klar: „So, wie sie jetzt geplant ist, müssen wir diese Reform verhindern." Dafür sei das Engagement der Geschäftsführer, Ärzte, der Pflegefachpersonen und aller Mitarbeiter in den Krankenhäusern nötig. Reumann: „Nur dann werden wir die nötigen Veränderungen durchsetzen. Wir müssen bis zur Verabschiedung möglichst viele Termine vor Ort machen. Sprechen Sie mit Ihren Bundestagsabgeordneten. Laden Sie sie in ihre Krankenhäuser ein. Machen Sie vor Ort greifbar, wo es in der Versorgung vielleicht schon heute hakt. Konfrontieren Sie ihren Abgeordneten mit Zahlen, Daten und Fakten. Es muss klar werden, dass wir uns nicht aus einer diffusen Angst gegen Veränderungen wehren."
Nicht nur die mangelnde Finanzierung der Investitionskosten und die aus Sicht der DKG absehbare Verschlechterung der Betriebskostenfinanzierung, die DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum im Interview des Fachmagazins „f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus" ausführlich darlegt, sondern auch die wachsende Bürokratie durch unangemeldete Kontrollen der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK), kritisierte Reumann. Der DKG-Präsident warnte vor „Qualitätsrazzien" des MDK: „Es sollte sich doch eigentlich herumgesprochen haben, dass der MDK die Krankenhäuser schikaniert, wo er nur kann."
Unterstützung erhielt Reumann von Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. „Die Ärzte hauen ab, die Pflegefachkräfte mögen ihren Beruf nicht mehr. Helfen Sie uns!", rief der praktizierende Chirurg den Politikern zu. Er warnte darüber hinaus vor zunehmend zentralistischen Strukturen durch die immer stärkere Stellung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) der Selbstverwaltung.
„Die mangelhafte Darstellung der Pflege in diesem Gesetz ist so desaströs, dass man sie nicht hinnehmen kann", sagte Hedwig Francois-Kettner, Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit und lange Jahre Pflegedirektorin der Berliner Charité. Sie vertrat den Präsidenten des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, der kurzfristig absagen musste. Es nutze nichts über mehr Projekte der Infektionsprävention zu sprechen, so Francois-Kettner. „Was wir brauchen ist schlicht mehr Mann am Bett."
Der Gesetzgeber habe offenbar nicht verstanden, dass im Krankenhaus Fachpflegekräfte nötig seien. „Patienten gehen ins Krankenhaus, weil sie Pflege bedürfen. Sie würden sonst ambulant behandelt werden können." Es müsse zu denken geben, dass Pflegekräfte Deutschland verließen und etwa in die Schweiz gingen, wo bereits 70 Prozent der Pflegefachkräfte aus der Bundesrepublik kämen. „Sie gehen, weil sie keine Perspektive in Deutschland sehen."
Das Pflegestellenförderprogramm in Höhe von 660 Millionen Euro reiche bei weitem nicht aus. Es müsse überlegt werden, auf zusätzliche Prüfstellen und die damit einhergehende wachsende Bürokratie zu verzichten, und die dafür vorgesehenen Gelder „für die Pflege am Bett" zu verwenden. Doch der Gesetzentwurf sagte „nichts über Kosten der Fort- und Weiterbildung" oder über die Finanzierung von Tariflöhnen. „Das geht nicht." Ins gleiche Horn stieß Hans-Albert Gehle, Mitglied im Bundesvorstand der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB): „Heilen findet nicht vom Schreibtisch eines Qualitätssicherungsinstituts statt."
Der Abgeordnete Riebsamen ging in einem kurzen Statement auf die Vorwürfe ein, verwies aber auch auf die Krankenkassenbeitragssätze. Diese könnten schon in wenigen Jahren die Rentenversicherungsbeiträge überholen. „Das müssen wir im Blick haben."