Krankenhäuser, die originäre Aufgaben der niedergelassenen Ärzte beispielsweise in der Notfallversorgung übernehmen, sollten dafür auch entsprechend vergütet werden. Das unterstrich der CDU-Gesundheitspolitiker Lothar Riebsamen heute auf dem 15. Nationalen DRG-Forum in Berlin, das mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Das ambulante Krankenhaus" in den zweiten Kongresstag startete. „Wenn der niedergelassene Bereich einer Aufgabe nicht nachkommt, können wir die Krankenhäuser nicht im Regen stehen lassen", so Riebsamen. Nicht alle ambulante Aufgaben sollten auf Krankenhäuser konzentriert werden. Dort, wo Kassenärzte aber ihren Sicherstellungsauftrag nicht mehr gewährleisten könnten, sollten sie dazu bewegt werden, gemeinsame Strukturen mit den Kliniken aufzubauen.
Den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) stehe es frei, ihre Aufgaben auch ohne die Krankenhäuser zu erfüllen. „Dann sollen sie aber eigene Wege aufzeigen, wie sie das hinbekommen", forderte Riebsamen. Die Krankenhäuser haben aus seiner Sicht kein großes Interesse, in diesem Bereich tätig zu werden. Einen grippalen Infekt in der Notaufnahme zu versorgen, käme dem Transport eines Sacks Kartoffeln auf einem 40-Tonner gleich, so der CDU-Politiker. Mit Blick auf die bislang stockende Einführung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) warnte Riebsamen vor weiteren Blockaden. Wenn die Akteure nicht bereit seien, die von Gesundheitsminister Hermann Gröhe geforderte „Brücke" zwischen den Sektoren freiwillig zu bauen, sei eine „Zwangsbegehung" durch den Gesetzgeber nicht auszuschließen. „Es wird der Tag kommen, an dem wir gesetzgeberisch eingreifen werden", kündigte er an.
Mehr Kooperation forderte auch die Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg (UKH), Irmtraut Gürkan. „Das ambulante Krankenhaus existiert an den Uniklinika, weil es der medizinische Fortschritt verlangt." Aus einigen stationären Fächern seien in den vergangenen Jahren ambulante Fächer geworden. Am UKH liege der ambulante Teil des Gesamtumsatzes von 975 Millionen Euro bereits 148 Millionen Euro. Gürkan erwartet, dass dieser in den kommenden Jahren steigen wird – „nicht, weil es günstiger ist, sondern weil es dem Patienten entgegenkommt". Einige Behandlungen seien am Krankenhaus besser angesiedelt als im niedergelassenen Bereich, zum Beispiel die Nachsorge nach einer Lebertransplantation.
Gürkan bezeichnete die Kardiologie als ein „Paradebeispiel" für die teure doppelte Facharztschiene in Deutschland. „Jedes Gerät schafft Nachfrage." Gürkan berichtete, dass ihr Klinikum die niedergelassenen Kardiologen eingeladen habe, im Krankenhaus mitzuarbeiten. Mit Onkologen gebe es in ihrem Uniklinikum beispielsweise gemeinsame Visiten, bei denen sich Klinik- und Fachärzte aus dem ambulanten Bereich über die weitere Therapie austauschten. „Dazu braucht man keinen Vertrag, es ist eine einfache Absprache – und es fließt kein Geld", so Gürkan.
Unterstützung bekam Gürkan von CDU-Politiker Riebsamen, der betonte, dass es aus Patientensicht vernünftig sei, bei seltenen Erkrankungen und sehr schweren Verlaufsformen Krankenhäuser zuzulassen. Die ASV ist für die Heidelberger Geschäftsführerin in der derzeitigen Form aber nicht geeignet, die Sektoren zusammenzuführen. Der dritte Sektor sei angesichts des relativ niedrigen Budgets und der großen Bürokratie eine Fiktion. „Wenn man das nicht entschlackt, wird man es nicht zum Fliegen bekommen." Um die Vernetzung der Sektoren zu beschleunigen und die Qualität zu verbessern, sollte man sich die Einführung des Ambulanten Operierens mit dem Grundsatz „Wer kann, der darf" zum Vorbild zu nehmen.
Ein weiterer Treiber für die Ambulantisierung ist auch für Gürkan die zunehmende Übernahme von Aufgaben in der ambulanten Notfallversorgung durch die Kliniken. Die Forderung von Gesundheitsminister Gröhe, Brücken zu bauen, sei eine gute Aufforderung, der Krankenhäuser auch gerecht werden könnten. So seien kassenärztliche Notdienste in den Räumlichkeiten eines Krankenhauses bereits bei vielen Maximalversorgern Standard.
Nach Auffassung von Lars F. Lindemann, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschland (SpiFa), werden die KVen die aktuellen Herausforderungen nicht mehr stemmen können. Er sprach sich für Selektivverträge in der fachärztlichen Versorgung und die damit verbundene Einweisungssteuerung in Kliniken aus. Die Debatten um die doppelte Facharztschiene seien nicht hilfreich, da sie unterstellten, dass beide Bereiche das selbe tun. „Die Zusammenarbeit wird man verbessern müssen", betonte er. Die bestehenden Instrumente brächten aufgrund der Blockade der Sektoren derzeit keinen Durchbruch. Die Entstehung der ASV sei ein Paradebeispiel, wie beide Bereiche versucht hätten, dem jeweils anderen Geld wegzunehmen. „Wenn man will, dass an der Sektorengrenze mehr passiert, wird sich die Politik einen Ruck geben müssen, um Veränderungen zuzulassen", sagte Lindemann. Die ASV beispielsweise mit nur einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag zu starten, könne nicht zu signifikanten Veränderungen führen.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), forderte einen sinnvollen, bedarfsgerechten Einsatz von Krankenhäusern in der ambulanten Versorgung. Im städtischen Raum werde der Blick eher auf Qualitätssteigerung und Spezialisierung liegen, im ländlichen Raum eher auf der Sicherung der Notfallversorgung, prognostizierte sie. Die vdek-Chefin kritisierte zudem, dass die ASV ohne Kapazitätspläne gestartet worden sei und daher einem „Schlaraffenland" gleich käme. Notwendig ist aus ihrer Sicht eine klarere Abgrenzung der Aufgaben der Sektoren sowie eine stärkere Einbindung des Rettungsdienstes.
Die ausdifferenzierte Bedarfsplanung im niedergelassenen Bereich in eine fachärztliche und spezialfachärztliche Versorgung sei ein erster, sinnvoller Schritt, um Ressourcen besser zuzuweisen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass man den speziellen Bereich stärker in Kliniken verlagert. Warum sollten wir einen hoch technischen Bereich mit doppelten Kapazitäten vorhalten – wo zudem die die Indikationsstellung bisweilen fraglich ist?" Ein guter Ansatz sind aus Elsners Sicht auch die gemeinsamen Lenkungsgremien auf Landesebene, die mit Vertretern der Länder, der KVen, der Landeskrankenhausgesellschaften und der Krankenkassen besetzt seien. Diese verabschieden gemeinsame Empfehlungen, um eine bessere Vernetzung auf den Weg zu bringen und sollen sich auch um die sektorenübergreifende Notfallversorgung kümmern. „Es ist gut, das in die Länder zu verlagern, denn die Bedarfe sind heterogen", so Elsner. Eine bundesweite Vorgabe sei nicht sinnvoll.
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