Im Streit um den Risikostrukturausgleich hat der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) nun die Einführung von Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) gefordert. Als Sofortmaßnahme sollen sie die aktuellen Manipulationsvorwürfe um das sogenannte Upcoding von Diagnosen im ambulanten Sektor entkräften. Hintergrund ist ein vielbeachtete Aussage des Chefs der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, wonach die Kassen im Wettbewerb um Mittel aus dem Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) Ärzte dafür bezahlten, Patienten auf dem Papier kränker zu machen, als diese tatsächlich sind. Dies verursache Schäden für das deutsche Gesundheitssystem in Höhe von schätzungsweise einer Milliarde Euro.
„Wir brauchen eine verlässliche Basis für die faire Verteilung der Mittel", sagte nun der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Martin Litsch über den Vorschlag seiner Kasse, Kodierrichtlinien einzuführen. Die deutschen AKR sind eine Geschichte des Scheiterns. 2011 verhinderte der Widerstand der Kassenärzte in Bund und Ländern, dass die im Jahr zuvor bereits beschlossenen AKR in den Arztpraxen auch tatsächlich Anwendung fanden. Die Krankenkassen und der Gesetzgeber hatten sich demgegenüber seinerzeit für die Einführung der Kodierrichtlinien eingesetzt.
Die AOK schlägt nun vor, den Morbi-RSA bestehen zu lassen und weiterzuentwickeln. Litsch sagte zur RSA-Kritik anderer Kassen: „Den Kritikern ist gemein, dass sie allein auf die Optimierung der Zuweisungen für die eigene Kasse oder Kassenart schielen." Litsch forderte die Rückkehr zu einem konstruktiven Dialog. Den AOK-Vorstoß hat der Verband der Ersatzkassen (VDEK) als Affront bewertet.
„Die AOK fordert einen konstruktiven Dialog, tut aber das Gegenteil. Sie setzt vor allem auf den Faktor Zeit, um bestehende Überdeckungen aus dem Gesundheitsfonds möglichst lange als Wettbewerbsvorteil zu konservieren", lautet der Gegenvorwurf des VDEK, der auch eine mögliche Einführung der AKR kritisch kommentierte. So heißt es in einer Mitteilung weiter: „Bundesweite Kodierrichtlinien sind zwar eine notwendige Ergänzung des Regelungskatalogs, bekämpfen aber nur Symptome der aktuellen Probleme im RSA, ohne diese zu lösen." Der Verband fordert eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs zwischen den Kassen.