Nachdem im Fall des Krankenpflegers Niels H. weitere mögliche Morde bekannt geworden sind, hat der Marburger Bund die Todesursachenstatistik in Deutschland kritisiert. „Wir tappen weitgehend im Dunkeln, weil es zu wenig Obduktionen gibt“, teilte der Vorsitzende Rudolf Henke heute mit. Die klinische Sektionsrate liege bundesweit bei etwa ein bis drei Prozent. Dabei sei die Autopsie nicht nur „unabdingbar“, um unnatürliche Todesfälle aufzuklären. Sie sei auch generell zur Qualitätssicherung bei der Feststellung von Todesursachen wichtig. „Deshalb brauchen wir eine Quote von mindestens zehn Prozent Obduktionen, um zu einer haltbaren Todesursachenstatistik zu kommen“, so Henke.
Der Ärzteverband reagiert damit auf die Ergebnisse einer Sonderkommission, die am Montag vorgestellt wurden. Die Ermittler gehen demnach davon aus, dass der Krankenpfleger Niels H. in Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg wesentlich mehr Menschen getötet haben soll als bisher bekannt war. Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ingrid Fischbach (CDU), hatte sich daraufhin gestern für ein neues vertrauliches Meldesystem in Krankenhäusern ausgesprochen. Zwar gebe es in den meisten Kliniken solche Systeme, sagte Fischbach dem Radiosender hr-Info. Diese müssten aber auch konsequent umgesetzt werden.
Das Klinikum Oldenburg kritisierte am Montag nach Bekanntwerden der neuen Ermittlungsergebnisse das Handeln der früheren Klinikleitung. „Warum die seinerzeit Verantwortlichen die Ermittlungsbehörden nicht eingeschaltet haben, können wir nicht nachvollziehen“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir halten deren Einschätzung aus heutiger Sicht für falsch.“
Das Klinikum Oldenburg hatte bereits im Jahr 2014, vor der Einrichtung der Sonderkommission, eine interne Untersuchung veranlasst und einen externen medizinischen Gutachter beauftragt. Die neuen Ergebnisse der Staatsanwaltschaft und der Sonderkommission bestätigten nun die damaligen Ergebnisse und zeigten weitere Opfer auf.