Kaum hat die Bertelsmann-Stiftung ihre - alles in allem nicht mal neuen - Vorschläge zur Neuordnung der Krankenhaus-Landschaft veröffentlicht, haben Landes- und Kommunalpolitiker empört Stellung genommen. Gerade aus den Ländern, in denen Wahlen anstehen, war noch am selben Tag zu hören, dass Krankenhausschließungen gar nicht in Frage kommen.
Natürlich lassen sich gegen die Studie - im Detail auch berechtigte - Einwände finden. Dennoch beweisen gerade die Reaktionen auf sie eindringlich: Der unheilvolle Zusammenhang zwischen örtlichem Krankenhaus und Politikern, die wiedergewählt werden wollen, verhindert, dass über eine sinnvolle Umgestaltung der Versorgungsstrukturen im größeren Rahmen überhaupt auch nur nachgedacht werden kann.
Es ist doch bei Lichte betrachtet gar keine Frage, dass es in Deutschland – historisch gewachsen – zu viele Krankenhäuser gibt. Schließungen gelten jedoch als "der Bevölkerung nicht vermittelbar". Das Problem ist folglich primär, dass sich zu wenig mit der Frage beschäftigt wird, worum sich der Bürger im Kern sorgt.
Einer der wesentlichsten Aspekte ist die Zugänglichkeit zu qualifizierter Versorgung in echten Notfällen. Es geht also um Transportzeiten, nicht aber um Weglängen, denn fünf Kilometer in der Großstadt entsprechen gut und gerne 20 Kilometern auf dem Land. Das Krankenhaus um die Ecke ist hierbei ein Faktor, klar – aber auch nur, wenn es über die entsprechende Ausstattung verfügt. Gleichermaßen ließe sich aber auch über eine gezielte Neuorganisation des Rettungsdienstes nachdenken und hinsichtlich der allgemeinen Erreichbarkeit die Taktdichte und Wegführung des ÖPNV überdenken. Nicht einfach, aber allemal weniger komplex als flächendeckend kleine Allgemeinkrankenhäuser künstlich am Leben zu erhalten. Zumal die übergroße Mehrzahl der Betten eben nicht mit akuten Notfällen belegt ist, sondern es sich um elektive oder zumindest planbare Behandlungen handelt. Würden hierbei alle Bürger ihrem örtlichen Krankenhaus die Treue halten, sähe die Welt wahrlich auch ganz anders aus.
Dennoch: Es gibt sie doch inzwischen, die gut funktionierenden Beispiele des Krankenhausrückbaus in Gesundheitszentren, die am Ende lokal mehr Arbeitsplätze schaffen, die eine gute Versorgung vor Ort bei guter Erreichbarkeit garantieren und vor allem: die Bürger und Lokalpolitiker gleichermaßen zufriedenstellen. Wieso wird dieser Weg nicht stärker herausgestellt?
Der Befund ist meines Erachtens klar: Es fehlt eindeutig am übergeordneten Willen, sich überhaupt mit strukturellen Fragen zu befassen. Regionale Akteure, die sich hier vorwagen, erhalten kaum Rückendeckung – dafür häufig verbale Prügel der Parteikonkurrenz. Lassen Sie uns hoffen, dass der Potsdamer Ansatz hier ein Umdenken andeutet: "Selbstverständlich sollen die Krankenhausstandorte erhalten bleiben", sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dem Deutschen Ärzteblatt. (...) "Wir wollen, dass sie sich noch stärker als Gesundheitszentren auch im ländlichen Raum öffnen können." Sie könnten dann auch gern Poliklinik heißen.