Die Charité nimmt eine Schlüsselrolle in der Versorgung von Covid-19-Patienten in der Metropole Berlin ein und koordiniert außerdem die Forschungsaktivitäten von Impfstoffen gegen die Pandemie. Vorstandschef Heyo Kroemer spricht über die Herausforderungen der zurückliegenden Wochen - und kommenden Monate.
Herr Kroemer, wirkt sich der Krisenmodus auf Sie als Chef der größten Uniklinik Deutschlands aus?
Wie für alle anderen Menschen hat sich mein Leben völlig geändert. Ich bin quasi permanent im Online-Video-Modus und was sonst so gut wie nie der Fall war, ist jetzt Alltag: Ich fahre nirgendwo mehr hin, gehe um sechs nach Hause, kann mit meiner Frau kurz spazieren gehen und abends und nachts weiter Videokonferenzen machen. In der Charité sind wir gerade in einer außergewöhnlichen Situation: Ein großes Krankenhaus wartet darauf, in Anspruch genommen zu werden. Das ist ein eigenartiges Gefühl, aber auch eines, das viel Energie freisetzt. Ich glaube, keiner an der Charité fragt sich, warum wir das alles gerade machen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spüren, dass die Charité und ihre Arbeit nicht ersetzbar sind.
Die Berliner Krankenhäuser bereiten sich auf einen Ansturm von schwerkranken Patienten vor. Die Stadt hat knapp über 1.000 Intensivbetten und seit kurzem auch ein Notfallkonzept, das die Kliniken der Stadt in drei Level aufteilt. An der Spitze steht die Charité. Sie koordiniert auch die Verteilung der Covid-19-Patienten. Zeigt sich in dieser Krise die besondere Rolle der Uniklinik?
Ich denke schon. Dies war sicher auch der Grund, warum die Bundesregierung ein 150-Millionen-Euro-Programm aufgelegt hat, mit dem die Covid-19-Aktivitäten aller deutschen Uniklinika koordiniert werden sollen. Die Koordination erfolgt durch die Charité.
Berlin baut außerdem ein provisorisches Krankenhaus mit bis zu 1.000 zusätzlichen Betten. Ist diese Aktion angemessen?
Das ist eine sinnvolle Maßnahme, vor allem wenn man schaut, wie andere Metropolen reagieren. Anspruchsvoll wird es jedoch, diese Klinik mit geeignetem Personal zu besetzen. Wir wurden schon gefragt, sind allerdings zurückhaltend. Denn wir haben selbst unsere Intensiv-Kapazitäten massiv ausgebaut und müssen schauen, wie wir dafür Personal vorhalten. Schließlich muss man aus den Erfahrungen im Ausland auch damit rechnen, dass sich Teile der Arbeitskräfte infizieren.
Wie schafft man so schnell so viele Intensivbetten?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Wir haben zum Beispiel 2013 bis 2016 das Bettenhochhaus in Mitte renoviert und während der Arbeiten gab es nebenan eine Ersatzklinik in Modulbauweise, die nach Abschluss der Renovierung zu einem Bürokomplex wurde. Jetzt haben wir dieses Gebäude in knapp einer Woche wieder zur Klinik mit OP-Sälen und Intensivstation umgerüstet, das ist schon rekordverdächtig. Vor Beginn der Krise hatte die Charité 364 beatmungsfähige Intensivbetten. Durch Reorganisation und Einschränkung der klinischen Aktivitäten konnten davon 186 Intensivbetten für Covid-19-Patienten reserviert werden. Für diese Patienten werden zusätzlich 199 neue Betten geschaffen, so dass insgesamt 385 Intensivbetten zur Verfügung stehen und die politische Vorgabe einer Verdopplung mit Bezug auf die Covid-19-Patienten erreicht wurde.
Sie haben die Infektionsgefahr der Mitarbeiter angesprochen. Muss man damit rechnen, dass ganze Abteilungen krank werden?
Man muss schon damit rechnen, dass es in bestimmten Abteilungen Infektionscluster geben wird. Die zentrale Frage ist, wie man in Zukunft darauf achtet, das Gesamtinfektionsgeschehen im Blick zu halten.
Wie macht die Charité das?
Wir werden zunächst zeitnah damit beginnen, alle Mitarbeiter der Charité auf ihren Infektionsstatus zu untersuchen, um den aktuellen Stand der Infektionen zu ermitteln und bereits abgelaufene Erkrankungen bei den Mitarbeitern zu diagnostizieren. Wenn entsprechende Schnelltests vorliegen, wird man dazu übergehen, auch alle neuaufgenommenen Patienten auf das Virus zu testen.
Derzeit werden überall Freiwillige für den Klinikdienst rekrutiert. Wie hat die Charité das organisiert?
Wir haben alle Charité-Studierende angeschrieben, das sind über 7.000 und auch bei unseren Partnereinrichtungen in Berlin geworben. Viele dieser Studierenden haben eine komplette Pflegeausbildung teils mit Erfahrung auf Intensivstationen. Das sind natürlich sehr wertvolle Helfer. Die Personalabteilung kontrahiert die Leute per Blitzeinstellungsverfahren. Auch aus Forschung und Lehre stehen jetzt natürlich mehr Kräfte für die Krankenversorgung zur Verfügung. Bei uns haben sich aber auch Mitglieder des Personalrats, die eigentlich freigestellt sind, wieder in den medizinischen Dienst gestellt. Das finde ich toll.
Insgesamt ist die Hilfsbereitschaft groß - auch in der Bevölkerung und bei den Unternehmen. Unsere Beschäftigten nutzen kostenloses Carsharing, ein Müsli-Hersteller versorgt sie mit Powerriegeln und vieles mehr. Auch das Spendenaufkommen ist gewachsen. Allein die Einsteinstiftung Berlin hat uns 300.000 Euro gespendet, mit denen wir Studierende im Corona-Einsatz finanzieren können.
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Lesen Sie außerdem im kompletten Interview für die kommende f&w, welche Rolle die Uniklinika nach Einschätzung von Heyo Kroemer in der Versorgung einnehmen sollten, wie er den Rettungsschirm der Bundesregierung bewertet und wie es um die Kooperationsbemühungen mit Vivantes bestellt ist.
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