Die Notaufnahmen der deutschen Kliniken sind oft überfüllt. Stress bei Hilfesuchenden und beim Personal sind die Folge. Die Bundesregierung will mit einer neuen Organisation für Abhilfe sorgen.
Akute Beschwerden sind längst nicht immer ein Fall für die Notfallversorgung. Und so sollen Patienten, die damit Krankenhäuser aufsuchen, künftig besser vorsortiert werden. Die Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht vor, dass in Krankenhäusern sogenannte Notfallzentren eingerichtet werden. Das Personal am Empfangstresen soll dort einschätzen: Ist das tatsächlich ein Fall für die Notaufnahme – oder doch eher für eine Notdienstpraxis? Nach dem für heute geplanten Kabinettsbeschluss soll die Reform im Parlament beraten werden.
Was ist das Besondere an den Notfallzentren?
Am Empfangstresen der integrierten Notfallzentren (INZ) soll es eine Ersteinschätzung geben: Wohin geht es für die Hilfesuchenden als nächstes - in die Notaufnahme oder eine nahe Notdienstpraxis? Lauterbachs erklärtes Ziel: Patienten sollen dort behandelt werden, wo es am besten und schnellsten geht. Die INZ sollen so im Land verteilt werden, dass mindestens eines stets gut erreichbar ist. Die Öffnungszeiten der angeschlossenen Notdienstpraxen: abends immer bis 21 Uhr – auch an Wochenenden und Feiertagen.
Warum die Reform?
Notaufnahmen und Rettungsdienste sind oft am Limit. Jede und jeder Dritte in einer Notaufnahme wäre nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums in einer Praxis besser aufgehoben. Das liegt auch daran, dass viele schlicht nicht wissen, was sie tun sollen, wenn sie nachts oder am Wochenende plötzlich medizinische Hilfe brauchen. Viele landen beim Rettungsdienst und schließlich erstmal stationär im Krankenhaus.
Was sagen die Ärzte?
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband warnte vor einem Scheitern der Reform – denn es fehle am nötigen Personal, außerdem sollten "Parallelstrukturen" aufgebaut werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lobte positive Ansätze. Die KBV zweifelte aber an der vollen Umsetzbarkeit mangels Personal – etwa auch für die ebenfalls vorgesehene Ausweitung von Hausbesuchen.
Wo sehen die Krankenkassen Licht und Schatten?
Die Krankenkassen lobten die Vorschläge: Stefanie Stoff-Ahnis, Vize-Chefin des GKV-Spitzenverbandes, sagte: "Das Notfallgesetz enthält viele richtige Ansatzpunkte, um die Versorgung unserer Versicherten zu verbessern." Eine Mahnung an Lauterbach haben die Kassen auch parat: Die Kassenärztlichen Vereinigungen dürften nicht vor unlösbare Personalprobleme gestellt werden. Als neue Transparenz begrüßte Stoff-Ahnis die geplante Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen, im Internet bundesweit einheitlich über Sprechstundenzeiten der Ärzte zu informieren.
SWR-Recherche: Rettungsdienste oft zu spät
Laut einer SWR-Recherche könnten tausende Menschen jedes Jahr gerettet werden, wenn die Notfallversorgung in Deutschland besser aufgestellt wäre. In Deutschland überleben demnach bei hochgerechnet 55.000 Reanimationen aufgrund eines Herz-Kreislauf-Stillstands gerade einmal 7.400 Patienten; in Rheinland-Pfalz von mindestens 2.700 Reanimierten pro Jahr nur etwa 370.
Die Überlebenschancen würden sich im Ernstfall auch danach richten, wo Menschen in Deutschland wohnen. "Entscheidend ist unter anderem, dass der Rettungsdienst so schnell wie möglich am Notfallort ist. Experten empfehlen, dass die Retter in 80 Prozent der Fälle innerhalb von acht Minuten vor Ort sein sollten. In Rheinland-Pfalz gelingt es keinem einzigen Rettungsdienstbereich (..)", so der SWR. Helfen kann hier ein Ersthelfer in der Nähe, denn die Überlebenschancen von Menschen mit Herz-Kreislauf-Stillstand steigen, wenn mit dem Notruf auch Ersthelfer alarmiert werden.
Quelle: dpa/Bibliomed