Intensivmedizin

Jedes dritte Intensivbett ohne Pflegepersonal

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Jedes dritte Intensivbett ohne Pflegepersonal
Neben intubierten Patientinnen und Patienten gibt es auch wache. Dieser Patient wird über einen Luftröhrenschnitt beatmet. Dadurch kann er bei Bewusstsein sein und sogar Nahrung zu sich nehmen. © Mühlenkreiskliniken/Kai Senf

Eine Umfrage unter 643 Intensivmedizinern ergibt: Immer mehr Intensivbetten sind gesperrt oder stehen nicht mehr zur Verfügung. 20 Prozent der maximal betreibbaren High-Care-Betten, in denen Patienten invasiv beatmet werden können, sind laut Umfrage gesperrt, bei den Low-Care-Betten sogar 35 Prozent. Befragt wurden Intensivmediziner der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin (DGIIN). Die Intensivmediziner warnen: Zukünftig sei mit einer spürbaren Einschränkung in der Intensivversorgung zu rechnen. 

„Konkret können wir einen Negativ-Trend auch anhand der gemeldeten freien und belegten Betten im DIVI-Intensivregister verfolgen“, sagt Professor Christian Karagiannidis, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters und Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim. Die Zahlen belegen die Ergebnisse der Umfrage: Am 20. Oktober seien dem DIVI 22.207 betreibbare Intensivbetten gemeldet worden, so Karagiannidis. Am 1. Januar dieses Jahres seien es noch 26.475 Betten gewesen, also 4.268 mehr. „Das war im Hochpunkt der zweiten Corona-Welle in der zahlreiche Pflegekräfte selbst erkrankt waren und ausgefallen sind.“ 

„Es fehlt schlicht das geschulte Pflegepersonal“, erklärt Prof. Uwe Janssens, Past Präsident der DIVI und Chefarzt für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin St.-Antonius-Hospital. Probleme in der Intensivmedizin habe es schon vor der Pandemie gegeben. Inzwischen hätten sie sich verstärkt, so Janssens. „Die zurückliegenden, zermürbenden Monate haben zu einer Verschlechterung der Stimmung und zu weiteren Kündigungen von Stammpflegekräften geführt.“ 

Bereits 2018 führten die Autoren eine Umfrage mit gleicher Fragestellung unter Intensivmedizinern durch. Damals hatten noch 44 Prozent der Befragten berichtet, Bettensperrungen seien nicht erforderlich. „So sind wir derzeit in der absurden Situation, dass wir zwar glücklicherweise nur rund 1.500 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen behandeln müssen, gleichzeitig fehlen uns aber mehr als 4.000 Betten“, sagt DIVI-Präsident Professor Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen. Dadurch werde die Notfallversorgung eingeschränkt und geplante, schwere Operationen müssten verschoben werden. „Eine dauerhaft nicht vertretbare Situation“, mahnt der DIVI-Präsident.

Prof. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, erwartet eine schwere Herbst- und Winterwelle mit vielen Covid-19-Patienten sowie respiratorischen Infektionen. Diese könne die Intensivmedizin in Deutschland erneut an und über ihre Grenzen bringen. „Der Beatmungsanteil von Intensivpatienten wird voraussichtlich deutlich steigen und mit ihr auch die Arbeitsbelastung des Personals“, so Kluge.

Schnelles Handeln sei nun gefragt, um das vorhandene Pflegepersonal zu halten. Arbeitsbedingungen für Intensivpflegekräfte müssten spürbar verbessert werden. „Für eine erfolgreiche Bewältigung der Corona-Pandemie – wie auch dauerhafte Etablierung einer qualitativ hochwertigen Intensiv- und Notfallmedizin – ist es jetzt unbedingt erforderlich, das System grundlegend zu reformieren“, fordert Professor Felix Walcher, Präsident elect der DIVI und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Magdeburg.

Vorschläge hierzu hat die DIVI gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege (DGF) bereits im März veröffentlicht. ­­­Ein psychosoziales Unterstützungsangebot, ein verbindliches Personalbemessungsinstrument sowie moderne Arbeitszeitmodelle sind darin enthaltene Forderungen. 

Autor

 Anika Pfeiffer

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