Streit um Krankenhausreform

Kritik am KHAG wächst

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Kritik am KHAG wächst
Widerstand gegen das KHAG: Kassen, Kliniken und Verbände warnen vor Ausnahmen, Qualitätsverlust und Gefahren für die Patientensicherheit. © GettyImages.com/AndreyPopov

Mehr Willkür und Abweichungen von Standards fürchten die Krankenkassen durch das KHAG (Krankenhausreformanpassungsgesetz). Auch Krankenhäuser und Verbände äußern Kritik. Mitten in der Sommerpause werden die Nachbesserungen der jüngsten Reform beraten.

Die Krankenkassen warnen vor einer Aufweichung der Krankenhausreform durch vorgesehene Nachsteuerungen. "Mit dem gerade diskutierten Krankenhausreformanpassungsgesetz sollen die Bundesländer weitreichende Ausnahmeregelungen erhalten", sagte Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, der dpa in Berlin. "Statt wirklich verbindlicher, in ganz Deutschland geltender Mindeststandards, wie zum Beispiel die Mindestanzahl an Ärztinnen und Ärzten je nach Fachgebiet, sollen die Bundesländer solche relativ frei unterschreiten können."

Stoff-Ahnis mahnte: "Eine Aufweichung der geplanten Qualitätsvorgaben würde die zentralen Ziele der Reform, also eine bundesweit einheitliche und hohe Behandlungsqualität für mehr Patientensicherheit, grundlegend gefährden." Die Bundesländer sollten von einheitlichen Qualitätskriterien abweichen können. Die Folge wäre, dass Krankenhäuser auch zukünftig Leistungen anbieten könnten, "für die sie nicht die notwendige personelle und technische Ausstattung oder ausreichende Erfahrung vorhalten".

Reform soll Kliniknetz verkleinern

Am Donnerstag, 21. August, findet im Ressort von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) eine Anhörung zum entsprechenden Referentenentwurf statt. Um die Reform vor Ort umsetzbar zu machen, sollen den Ländern mehr Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden. Warken und die Länder hatten sich im Juli dazu abgestimmt, die noch von der Ampel-Koalition gegen Proteste durchgesetzte Reform nachzubessern. Sie trat Anfang 2025 in Kraft und soll bis 2029 umgesetzt werden. Das Netz der 1.700 Kliniken dürfte damit kleiner werden.

Die Kassenverbandsvize forderte: "Die Qualität einer Behandlung darf nicht davon abhängen, in welchem Bundesland jemand ins Krankenhaus kommt, doch genau das droht nun." Statt mehr Erfahrung und Routine gerade bei komplizierten Operationen bekäme Deutschland wieder häufiger eine Gelegenheitsversorgung - "zulasten der Qualität", so Stoff-Ahnis. "Darunter leiden die Patientinnen und Patienten mitunter ihr Leben lang."

Als "völlig unverständlich" kritisierte sie die geplante Streichung von bundeseinheitlichen Erreichbarkeitsvorgaben für Ausnahmen. Hierbei geht es laut Experten um eine Mindesterreichbarkeit: Gäbe es sie nicht, dann könnte ein Bundesland praktisch immer erklären, dass die flächendeckende Versorgung gefährdet ist - auch wenn Voraussetzungen wie genug Personal nicht gegeben sind. Bereits die Grünen hatten vor einer Entkernung der Reformprinzipien gewarnt.

Verbände: Pflegequalität muss Teil der Krankenhausreform sein

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) haben ebenfalls eindringlich vor einer Schwächung der Versorgungsqualität gewarnt. Beide Organisationen kritisierten in Presseaussendungen am Mittwoch insbesondere die geplante Streichung der Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) als verbindliches Qualitätskriterium – ein Schritt, der aus ihrer Sicht gravierende Folgen für die Patientensicherheit haben könnte.

Aus Sicht des Bundesverbandes der Privatkliniken (BDPK) wird das zentrale Reformziel einer verbesserten Qualitätssicherung und -steigerung nach wie vor nicht erreicht. "Eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung kann nur gelingen, wenn neben der Strukturqualität auch die Prozess- und insbesondere die Ergebnisqualität – also der tatsächliche Behandlungserfolg – konsequent berücksichtigt werden." Kritisch bewertet der Verband zudem das Vorhaben, dass Krankenhausleistungen nicht mehr abgerechnet werden können, wenn sie den Qualitätskriterien der Leistungsgruppen nicht entsprechen.

Der Verband der Uniklinika Deutschlands (VUD) warnt hingegen vor einem Aufweichen der Reform. "Die geplante Ausweitung von Ausnahme- und Kooperationsmöglichkeiten gefährdet nicht nur dringend notwendige Strukturveränderungen, sondern führt auch zu einer ungleichen finanziellen Behandlung der Krankenhäuser", so Sprecherin Barbara Ogrinz. Kliniken, die trotz Nichterfüllung von Qualitätsanforderungen Leistungsgruppen und Vorhaltevergütung erhielten, würden wirtschaftlich bessergestellt, während andere für die Erfüllung derselben Anforderungen zusätzlichen Aufwand tragen müssen. "Es droht ein weiterer Ausgabenanstieg, der die finanzielle Lage der Krankenkassen zusätzlich belastet und infolgedessen auch die wirtschaftliche Situation der bedarfsnotwendigen Krankenhäuser weiter verschlechtern wird", so Orginz.

Weitere Ausnahmen für Fachkliniken gefordert

Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) sieht bei den Fachkliniken weiteren Korrekturbedarf. "Ein Fachkrankenhaus für Neurologie oder Kinder- und Jugendmedizin braucht keine rund um die Uhr besetzte Intensivstation, um exzellente Medizin leisten zu können", sagt der Vorstandsvorsitzende Christoph Radbruch. Stattdessen fordert der Verband eine dauerhafte gesetzliche Ausnahme für Fachkliniken bei der Zuweisung von Leistungsgruppen.

Die Katholischen Krankenhäuser (KKVD) wollen die umstrittene Vorhaltefinanzierung kippen. "Personal, Infrastruktur und die Einsatzbereitschaft rund um die Uhr verursachen hohe Fixkosten, die die vorgesehene Vorhaltevergütung nicht abdeckt. Damit geraten gerade die Häuser unter Druck, die in der Fläche die Grund- und Regelversorgung sichern. Daher muss dieses Finanzierungsmodell gestoppt und durch ein fallzahlunabhängiges Modell ersetzt werden, das die realen Vorhaltekosten realitätsnah abbildet," so Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin.

Eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs fordert auch die Deutsche Gesellschaft für Medizincontrolling (DGfM). Die Fachgesellschaft warnt unter anderem vor fehlender Rechtsklarheit, etwa bei Auswahlkriterien und Fristenregelungen, einer Überkomplexität in Melde- und Nachweispflichten sowie ökonomischen Fehlanreizen infolge der Hybrid-DRG. Problematisch seien auch ungleiche Prüf- und Planungsstandards zwischen Bundesländern und Kostenträgern.

 

dpa/Bibliomed

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