Biersdorfer Krankenhausgespräche

Kliniken kündigen zivilen Ungehorsam an

  • News des Tages
Kliniken kündigen zivilen Ungehorsam an
© Bibliomed

Jammern gehört im vielstimmigen Verbände-Konzert der Gesundheitspolitik bekanntermaßen zum Geschäft. Doch derzeit, so der Tenor bei den Biersdorfer Krankenhausgesprächen, ist die Lage für die deutschen Krankenhäuser so ernst wie lange nicht. „Wer heute keine gute Basis hat, dürfte schnell rutschen“, prognostizierte Sana-Vorstand Jens Schick. Sinkende stationäre Fallzahlen, Personalmangel, steigende Energiekosten, Inflation – und das vor dem Hintergrund des noch nicht absehbaren Milliarden-Lochs bei den gesetzlichen Krankenkassen. 

„Wir brauchen dringend Unterstützung“, appellierte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der zur Zeit im Rahmen der Kampagne „Alarmstufe Rot“  unterwegs ist und einen Abstecher an den Nürburgring machte. Schonungslos fiel sein Urteil über die ersten neun Monate Krankenhauspolitik unter Minister Karl Lauterbach aus. Ein politisches Zielbild für einen Strukturwandel existiere nach wie vor nicht, ebenso fehle es an politischem Mut und Wille der Politik. Auch die Regierungskommission bekam ihr Fett weg, sie sei eine Blackbox, die Kommunikation untereinander und mit anderen Akteuren praktisch nicht vorhanden. Der Minister selbst erzähle jeden Tag etwas Neues und zerstöre damit die konstruktive Zusammenarbeit. „Ich habe ernste Sorgen, dass dies eine verlorene Legislatur für große Reformen wird“, so Gaß. Auf die nun geforderte Übermittlung der Pandemiedaten werden die Krankenhäuser mit „zivilem Ungehorsam“ reagieren, kündigte der DKG-Chef an. Die Kliniken werden nicht in der Lage sein, die Pandemiedaten manuell zu melden. 

Er verwies zudem auf massive Kostensteigerungen, die nicht mehr gedeckt sind. Auch die Rücklagen sind vielerorts aufgebraucht. Über 60 Prozent der Kliniken drohe 2023 deutliche Liquiditätsengpässe. „Wir brauchen eine sofortigen Inflationsausgleich“, so Gaß. Nötig sei ein Rechnungsaufschlag auf alle Abrechnungen in Höhe von 4 Prozent (2 Prozent in der Psychiatrie) sowie umgehende Verhandlungen für eine Folgeregelung für 2023. 

„Man bekommt klar vor Augen geführt, wie eng es wird“, analysierte auch Reinhard Wichels, Geschäftsführer der WMC Healthcare. Bereits 2021 haben alle Krankenhäuser in Deutschland ein kumuliertes Defizit zwischen 1 und 3 Milliarden Euro verbucht, rechnet er vor. 2022 werden 70 Prozent der Kliniken ein Defizit erwirtschaften. Seine Empfehlung: Das alte Geschäftsmodell der Fallzahlensteigerungen hat ausgedient. Stattdessen sollten sich Kliniken im stationären Bereich auf einen stabilen Leistungskern konzentrieren, den sie sicher und planbar erbringen können. Daneben sollten Krankenhäuser aktiv neue ambulante Strukturen aufbauen und Belegungsketten anders orchestrieren. „Krankenhäuser haben für das ambulante Operieren hervorragende Voraussetzungen“, so Wichels. Auch mit der Konsolidierung im niedergelassenen Bereich entstünden neue, attraktive Partner für die Kliniken. 

Mehr Kooperation und Vernetzung statt Konkurrenz mahnte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein an. Insbesondere im ländlichen Raum sollten Angebote besser gebündelt werden. Henke äußerte sich aber skeptisch, dass bestimmte Rahmenbedingungen für die Krankenhausplanung, etwa die Erreichbarkeit, bundesweit einheitlich geregelt werden sollten. Die Bedingungen in den Regionen sind seiner Einschätzung nach zu unterschiedlich. Henke lobte die neue Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen. „Wir wollen nicht mehr, dass jeder alles macht.“ In dem Bundesland sollen die Verhandlungen zwischen Kliniken und Krankenkassen zur neuen Krankenhausplanung im November starten. In der Presse ist bereits von ersten Vorgesprächen zwischen Klinikträgern berichtet worden. Zielführend ist es nach Henkes Einschätzung aber nicht, wenn ein kleiner gegenüber einem größeren Träger einfordere, einen Bereich, etwa operative Gelenkeingriffe, für sich zu reservieren.  

Autor

 Florian Albert

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Mit unserem täglichen Newsletter informieren wir bereits rund 10.000 Empfänger über alle wichtigen Meldungen aus den Krankenhäusern und der Gesundheitsbranche

Kontakt zum Kundenservice

Rufen Sie an: 0 56 61 / 73 44-0
Mo - Fr 08:00 bis 17:00 Uhr

Senden Sie uns eine E-Mail:
info@bibliomedmanager.de

Häufige Fragen und Antworten finden Sie im Hilfe-Bereich