Nur mit einem gesunden Mix aus Menschlichkeit und Ökonomie sei die Transformation zum Krankenhaus der Zukunft – einem „Human Hospital“ – überhaupt möglich, schreibt Jochen A. Werner in der Kolumne Orientierungswert.
Seit einem Jahrzehnt transformiert sich die Universitätsmedizin Essen hin zum „Smart Hospital“. Zeit für ein Resümee – oder zumindest ein Zwischenfazit: Das menschliche Miteinander ist eine wichtige, nein, sogar die unverzichtbare Triebfeder für die digitale Transformation.
Deswegen stellt die Universitätsmedizin den Menschen bei allen Aufgaben konsequent in den Fokus, wenngleich ökonomische Aspekte als spürbare und wichtige Effekte der Digitalisierung nicht aus den Augen verloren werden. Aber nicht die Generierung von Daten sollte originäre Triebfeder auf dem Weg zu einem besseren Krankenhaus sein – erst recht nicht, wenn es um die dringende Neuausrichtung des Krankenhauswesens und Gesundheitssystems geht.
Vielmehr müssen Menschlichkeit und Ökonomie sinnvoll ineinandergreifen. Die Digitalisierung als Basis kann die Medizin wieder empathischer machen. Der sinnvolle Einsatz von digitalen Systemen – und immer stärker auch Künstlicher Intelligenz (KI) – trägt dazu bei, Prozesse zu beschleunigen und administrative Aufwände zu reduzieren. Mitarbeitende werden von sich wiederholenden Aufgaben entlastet, Abläufe effizienter und sicherer. Insgesamt erzielen wir so eine bessere Versorgung der Patienten.
Denken wir dies konsequent zu Ende, geht es zwangsläufig auch um ökologische und Klima-Aspekte. Deswegen hat die Universitätsmedizin die Vision vom „Smart Hospital“ zunächst zum „Green Hospital“, schließlich zum „Human Hospital“ weiterentwickelt.
Das „Human Hospital“ vereint die maximale Leistungsfähigkeit der Krankenversorgung, die spürbare Entlastung der Beschäftigten, eine enge, digitalgestützte Verknüpfung mit anderen Akteuren im Gesundheitssystem, mehr Wirtschaftlichkeit, mehr Wertschätzung und ausgeprägten Klima- und Ressourcenschutz. Das „Human Hospital“ ist nicht mehr die traditionelle Reparaturwerkstatt, sondern Partner und lebenslanger Begleiter für Patient:innen.
Mit Blick auf die sich dramatisch verändernde Welt brauchen wir auch und gerade in der eigentlich eher statischen, veränderungsresistenten Medizin den „Wind of change“. Dies gilt für die Kliniken, ebenso wie für die niedergelassenen Ärzten als Rückgrat der Gesundheitsversorgung. Gerade in den Kliniken müssen tradierte Verhaltensweisen und überholte spitzhierarchische Kommunikations- sowie Führungsmodelle aufgebrochen werden, um das Neudenken von Prozessen zu ermöglichen – und natürlich, um den Nachwuchs im Arztberuf zu halten.
Angesichts des aktuellen Wahlkampfs kommen tragfähige Zukunftsentwürfe für den Gesundheitssektor in der öffentlichen Diskussion quasi gar nicht vor. Auch der demografische Wandel fehlt nahezu komplett. Das ist höchst irritierend: sind die explodierenden Kosten für die Beitragszahler doch einer von vielen Indikatoren für die dringende und durchgreifende Reformbedürftigkeit des Gesundheitswesens.
Ich hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung die Gesundheitspolitik nicht nur als Kostenminimierung, sondern als Auftrag und Dienst am Menschen begreift. Mehr Menschlichkeit wagen – in Abwandlung eines alten Slogans von Willy Brandt – wünsche ich mir als Grundausrichtung für die Versorgung und Medizin von morgen.