MVZ-Debatte

Mehr Sachlichkeit, bitte!

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Mehr Sachlichkeit, bitte!

Vereinfachung, Zuspitzung und Überzeichnung sind legitime Mittel der Beeinflussung. Die Debatte um das MVZ wird von der Ärztelobby mit einer Vehemenz geführt, die deutlich über das Ziel hinausschießt. 

Alle wissen es inzwischen, denn viele Ärzteinstitutionen und in der Folge zahlreiche Zeitungen sowie Funk und Fernsehen haben es ausgerufen: Es gibt eine „Investorenschlacht“ um die ambulante Versorgung. Investoren dringen als zähnefletschende Haie in das Aquarium die niedlichen Doktorfische (Grafik der KV Hamburg) und der fiese, auf einem Berg an Geld stehende Anzugträger beäugt begehrlich die netten kleinen Doktoren, mit dem ach so kleinen Geldstapel (Illustration KV Bayerns). 

Keine Frage: Vereinfachung, Zuspitzung und Überzeichnung sind legitime Mittel der Beeinflussung in der politischen Arena. Aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was das mit einer so komplexen Debatte und ihrer Wahrnehmung durch Politik und Gesellschaft macht, wenn nicht in der Fachöffentlichkeit, sondern in den Publikumsmedien in genau dieser überspitzen Tonalität darüber berichtet wird? Nur drei prominente Beispiele von ARD und ZDF seien an dieser Stelle genannt: „Spekulanten greifen nach Arztpraxen“, „Investorengeführte Arztpraxen stellen teure Rechnungen“ – und der Satirebeitrag „Unnötige Operationen: die Augenhöhle der Löwen“, zu dem ergänzend erklärt wird: „So machen Investoren Gewinn mit Arztpraxen“. Jeweils verbunden mit solchen Berichten ist mindestens die Andeutung, dass Patienten schlecht, unter- oder überversorgt werden, während der Investor seine Rendite zählt – dass also beim Besuch im MVZ per se gesundheitliche und gesellschaftliche Risiken bestehen. 

Die Debatte um das MVZ als Politikum wird von Seiten des Arztverbandswesens mit einer Vehemenz, um nicht zu sagen Leidenschaft geführt, die deutlich über das Ziel hinausschießt. Nicht alle Mittel sind dabei legitim. Die KV Bayerns schreibt zum Beispiel in ihrer Pressemeldung vom April 2022 zur Veröffentlichung eines eigenen Gutachtens zu MVZ: „In investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren liegen die abgerechneten Honorarvolumina deutlich über denen in anderen MVZ“. Dabei steht in eben diesem Gutachten der gegenteilige Satz: „Der Träger, der am ehesten mit konstant höheren Honorarvolumina assoziiert ist, sind die Vertragsärzte.“ Wenn die KV also bewusst Falschmeldungen oder Fehlinterpretationen in ihrer Pressemeldung platziert, die dann wiederum zum Ausgangspunkt der Arbeit der unabhängigen Journalisten und Redaktionen werden, müssen Fragen zur Motivlage gestellt werden.

Sie fragen sich vielleicht, warum die Kamellen vom April 2022 heute noch wichtig sind. Ganz einfach: Weil mit dieser sprachlich und inhaltlich mindestens fragwürdigen Pressekampagne eine neue Qualität der MVZ-Debatte losgetreten wurde, die sich längst verselbstständigt hat. Warum mühselig die Fakten hinterfragen, wenn die diversen Überschriften doch die Richtung längst vorgeben? 

Durch diese – man muss es so sagen – absichtsvoll sprachlich auf- und überladene Investorendebatte gerät leider außer Acht, was ein MVZ im besten Sinne ist, welche Möglichkeiten es für Ärzte und Patienten bietet und warum sich MVZ – einschließlich derer von nicht-ärztlichen Trägern – im Laufe der vergangenen 19 Jahre sowohl gesundheitspolitisch etabliert als auch in der Versorgung bewährt haben. Natürlich muss die Politik sensibel auf die Entwicklungen und etwaige Fehlsteuerungen achten, damit die bestmögliche Patientenversorgung auch künftig für alle gewährleistet bleibt. Eine sehr einseitig und stark polemisch, auf Emotionen zielende Debatte der Ärzteinstitutionen gegen MVZ wird gerade diesem Ziel aber so gar nicht gerecht. 

Wer Transparenz will – eine Forderung, die unbedingt unterstützenswert ist – sollte hierbei Patienten- und Systeminteressen nicht vermengen. Werden Patienten nicht durch markige Überschriften permanent verunsichert, „spielt hier die genaue Praxisform meist eine untergeordnete Rolle“ – hat es zuletzt auch der von Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) vorgelegte Jahresbericht 2021 der Patientenberatung quasi amtlich belegt. Weiter heißt es: „Offensichtlich vollzieht sich der Wandel der zahnärztlichen Praxislandschaft grundsätzlich nicht zum Nachteil der Versorgungsqualität.“ Ein seltenes, aber nachahmenswertes Beispiel im Sinne der eingangs geforderten Rückkehr zu einer sachliche(re)n Debatte rund um den Aufreger MVZ.

Link: Positionspapier des BMVZ zur Debatte

Autor

 Susanne Müller

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