Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns als spezialisiertes Beratungsunternehmen intensiv mit dem Risikomanagement im Gesundheitswesen, mit der Patientensicherheit in Krankenhäusern und der Vermeidung von Behandlungsfehlern. Wir dachten nach 25 Jahren, nahezu alles gesehen zu haben.Das, was wir im Moment erleben, ist aber neu, ist außerordentlich und bedrohlich. Keiner von uns hat mit diesem Ausmaß gerechnet und die Folgen sind noch nicht abschätzbar.
Unsere Kunden, die Kliniken in Deutschland und Österreich organisieren im Moment mit Hochdruck den Notstand, kommen an ihre Grenzen und gehen darüber hinaus. Am Rande bin ich in meiner Funktion als Aufsichtsrat eines Klinikverbundes in Norddeutschland involviert. Der ärztliche Leiter beschrieb es so: Wir stehen vor dem Tsunami und sehen gerade, wie sich das Meer zurückzieht. Krisenmanagement dort erfordert im Moment Know-how, Kreativität und Mut.
Natürlich sind wir als Beratungsunternehmen unmittelbar von der Um- und Einstellung des Routinebetriebes in den Krankenhäusern betroffen. Verständlicherweise haben unsere Krankenhauskunden bereits beauftragte Risikomanagement-Projekte auf die Zeit nach Corona verschoben.
Ich bin allerdings der Meinung, dass wir in vielerlei Hinsicht unseren Blick auf Strukturen und Prozesse verändern werden und der Beratungs- und Organisationsbedarf nach der Krise ein anderer sein wird. Darauf bereiten wir uns bereits vor. In Sicherheitskonzepten kommt dem Krisen- und Kontinuitätsmanagement eine zentrale Rolle zu. Wir befinden uns in der Phase des professionellen Krisenmanagements. Danach kommt aber die Reorganisation und sicher vielfach die Neuordnung des Normalbetriebes. Und dies beinhaltet eine strukturierte Evaluation der Krisenintervention: Auf was konnten wir verzichten? Was war wichtig und auch vorhanden? Was war wichtig, aber nicht vorhanden? Welche Kommunikationswege funktionierten, welche nicht, und wie müssen wir uns für die Zukunft rüsten.
Privat hat mich eine Information emotional sehr beschäftigt. Meine Tochter, die mich in vier Wochen zum Großvater machen will, erfuhr, dass ihr Mann vor dem Hintergrund der Corona-Krise sie nicht bei der Geburt im Kreißsaal begleiten und unterstützen darf. Das war für sie ein entsetzlicher Gedanke. Ich konnte als geburtsbegleitender, zweifacher Vater diese Enttäuschung nachvollziehen. Glücklicherweise lenken die Kliniken zwischenzeitlich ein, da man anerkannt hat, wie wichtig Väter bei der Entbindung sind. Hier siegte die Emotionalität über Rationalität. Und es zeigt sich, dass auch in der Krise immer abgewogen werden muss, in welcher Relationen Aufwand und Nutzen stehen.