Seit Anfang des Jahres führen die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Verdi und DBB-Tarifunion mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände Tarifverhandlungen für die bundesweit rund 55 000 Ärzte an kommunalen Krankenhäusern. Gefordert werden rund zehn Prozent mehr Gehalt und eine Angleichung der Ost-Einkommen an das West-Niveau. Wir haben betroffene Krankenhäuser gefragt, wie sie mit den Forderungen umgehen.
Dilchert: „Wir werden Prozesse straffen und Aufgaben verlagern“
Grundsätzlich habe ich Verständnis für die Erwartung nach einer Gehaltssteigerung. Nach Jahren der Lohnzurückhaltung im nicht-ärztlichen Bereich dürfen die Beschäftigten in den Krankenhäusern nicht von der allgemeinen positiven wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden. Faktisch sind ihre Realeinkommen in den vergangenen Jahren gesunken, und gleichzeitig hat sich durch Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen die Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdichtet. Hier ist die Grenze des Machbaren erreicht.
Eine ganz andere Frage ist die Finanzierung einer Tariferhöhung. Wie alle Krankenhäuser in Deutschland stecken wir in dem Dilemma, dass unsere Einsparpotenziale nach immer neuen finanziellen Belastungen ausgereizt sind und wir hohe Tarifsteigerungen keineswegs schultern können. Da den Kliniken auch 2008 quasi eine Nullrunde auf der Einnahmenseite verordnet wurde, muss selbst für niedrige Tarifabschlüsse eine anderweitige Re-Finanzierung erfolgen. Hier ist die Politik dringend gefordert, sich zu entscheiden, welche medizinische und pflegerische Versorgung sie der Bevölkerung zugestehen will. Einequalitativ hochwertige Patientenversorgung muss im Einklang mit einer angemessenen Bezahlung der Beschäftigten stehen. Das eine geht nicht ohne das andere.
Nur weil der Großteil der Beschäftigten der Gesundheit Nordhessen AG 2007 auf Teile des Gehalts verzichtet hat, konnten wir wieder schwarze Zahlen schreiben. Wir werden jetzt noch intensiver daran arbeiten, Prozesse zügig zu straffen. Zur weiteren Verbesserung der Abläufe und Steigerung der Effizienz entsteht zudem ein zentraler Neubau am Klinikum Kassel. Dadurch ist mittelfristig eine weitere Personalreduzierung möglich, ohne die Arbeitsbelastung für die Einzelnen weiter zu erhöhen. Außerdem werden wir die Verlagerung von Tätigkeiten weiter vorantreiben.
Finklenburg: „Wir müssen bei den Ärzten hart bleiben“
Wir kommunalen Krankenhäuser brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben moderne Arbeitszeitbedingungen und -vergütungen für Ärzte. Wir stehen im Vergleich mit den anderen Trägergruppen gut da. Die politischen Rahmenbedingungen geben uns keinerlei Verhandlungsspielraum für weitere Tariferhöhungen. Wir haben in den letzten zehn Jahren 20 000 Ärzte zusätzlich eingestellt. Bezahlt dafür haben die Pflegenden, denn dort wurden 60 000 Stellen gestrichen.
Wir müssen bei den Ärzten jetzt hart bleiben. Denn wir wollen in Deutschland keine Krankenhäuser, wie es sie in Osteuropa gibt, wo es Aufgabe der Angehörigen ist, die Patienten zu pflegen. Alles in allem sind die Mitarbeiter in den Krankenhäusern Opfer einer völlig verfehlten Politik. Die Mitarbeiter haben mehr verdient, nur wir können es nicht bezahlen. Absolut wichtig für die Zukunft wird es sein, um nicht noch mehr ins Hintertreffen zu geraten, im Basisfallwert die Personalkostenentwicklung zu berücksichtigen. An dieser Stelle muss die Anbindung an die Grundlohnsummenentwicklung aufgehoben werden.
Schmidt: „Augenmaß als Voraussetzung für den Weg aus dem Dilemma“
Nun ist es also so weit: Nach monatelanger öffentlichkeitswirksamer Vorarbeit, hier insbesondere durch die Gewerkschaften Verdi und die DBB-Tarifunion, trafen sich die Tarifkommissionen von Bund und Kommunen sowie der Arbeitnehmervertreter zur Auftaktveranstaltung am 11. Januar in Potsdam. Also business as usual? Und gibt es was wirklich Neues in dieser Runde? Neu ist in jedem Fall die Situation der Krankenhäuser. Wegen des öffentlichkeitswirksamen Auseinanderbrechens der Tarifgemeinschaft auf der Gewerkschaftsseite und der erheblichen gesetzlichen Restriktionen befinden sich die kommunalen Krankenhäuser in einer fast aussichtslosen Sandwichposition. Sie stehen, nach einer „eingeschobenen Lohnrunde“ 2006 ohnehin besonders belastet, exorbitanten Lohnforderungen gegenüber und haben demgegenüber eine gesetzlich verordnete Null-Runde für 2008 aufzufangen.
Die Lohnforderungen klingen märchenhaft in den Ohren
Schließlich klingen die Lohnforderungen märchenhaft in den Ohren. Satte acht Prozent lineare Steigerung, zusätzlich in jedem Fall einen Mindestbetrag von 200 Euro im Monat fordern Verdi und die DBBTarifunion. Dies führte zu einer Steigerung des unteren und mittleren Lohnniveaus um bis zu 15 Prozent und einer Lohnsteigerung im Mittel von insgesamt 9,75 Prozent. Der Marburger Bund toppt dies einmal mehr. Dort werden in den Tabellenentgelten zwischen 8,33 und 14,29 Prozent gefordert. Im Tarifgebiet Ost reicht die Forderung über 18 Prozent hinaus. Im Tarifgebiet West werden im Mittel 10,2 Prozent verlangt. Damit ist die prognostizierte Konkurrenzsituation zwischen den Gewerkschaften offensichtlich eingetreten. Eine Entgelterhöhung von nur einem Prozent bedeutet nach Berechnungen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) allein für diese Mehrbelastungen von 675 Millionen Euro pro Jahr.
Arbeitgeber bilden zwei Tarifkommissionen
Die VKA hat nach 2006 erstmals zwei Tarifkommissionen gebildet, die parallel verhandeln. Zum einen ist dies die Allgemeine Kommission, die gemeinsam mit dem Bund gebildet wurde. In dieser Verhandlung werden die Krankenhäuser als ein wichtiger (inzwischen besonderer) Teil (TVöD-K) mitverhandelt. Zum anderen wurde eine weitere Kommission gebildet, die direkt mit dem Marburger Bund verhandelt. Die Auftaktveranstaltung für diese Verhandlungsrunde wurde am 14. Januar in Düsseldorf geführt.
Der Marburger Bund nutzt seine Position machtpolitisch aus
Somit müssen von der VKA – bezogen auf die Krankenhäuser – Parallelverhandlungen mit den Gewerkschaften Verdi/DBB-Tarifunion und dem Marburger Bund geführt werden. Die Verhandlungen laufen in einer geschäftsmäßigen Atmosphäre, die sich zunächst mit Verfahrensfragen und grundsätzlichem Austausch der bekannten Positionen befasst. Diese liegen grundlegend auseinander und lassen, wie erwartet, eine der schwierigsten Verhandlungssituationen der vergangenen Jahre erwarten. Der Marburger Bund nutzt die durch Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes zunehmende Nachfrage nach qualifizierten Ärzten machtpolitisch konsequent aus und suggeriert eine Auslandsflucht von Ärzten aus den klinischen Bereichen. Sollte es 2006 noch England gewesen sein, so wird heute die Schweiz als Musterland ins Feld geführt.
Die Ärzte verschweigen aber, dass in der Schweiz das insgesamt höhere Lohnniveau mit deutlich höheren Lebenshaltungskosten einhergeht. Eine allgemeine Unzufriedenheit wird vom Marburger Bund konstatiert, die durch „maßvolle Gehaltssteigerung“ von 10,2 Prozent geheilt werden soll. Aber wird die Unzufriedenheit der Ärzte wirklich abnehmen, wenn der wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser in einer Schärfe weiter zunimmt, die bis heute keiner kennt, und wenn die Forderungen und Lasten des Gesetzgebers weiter bestehen bleiben? Die Lösung aus diesem Dilemma kann doch nur sein: Abschlüsse zwischen den Tarifvertragsparteien mit Augenmaß und eine Anhebung des Budgetdeckels durch die Bundesregierung. Diese Forderung hat sich die Gewerkschaft Verdi übrigens schon zu eigen gemacht.
Abschaffung des Sonderopfers
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Hinweise des vorigen Jahres auf eine sehr schwierige Lohnrunde 2008, insbesondere für die Krankenhäuser, bewahrheiten werden. Die nächsten Verhandlungsrunden, die noch Ende Januar stattfinden werden, könnten schon erste (Warn-)Streiks auslösen. Ein gemeinsames Ziel von Gewerkschaften und allen Krankenhausverbänden, hier insbesondere der Deutschen Krankenhausgesellschaft, muss es sein, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, das vollkommen unsinnige Sonderopfer Krankenhaus abzuschaffen und den Budgetdeckel insgesamt anzuheben.