Freiwillige in Kliniken

Die Corona-Fighter

  • Strategie
  • Titel
  • 01.05.2020

f&w

Ausgabe 5/2020

Seite 424

Im St. Elisabeth Krankenhaus in Damme unterstützen Studierende aus dem klinischen Semester im Kampf gegen Corona.

In der Corona-Krise haben bundesweit viele Tausend Unterstützer den Kliniken ihre Hilfe angeboten. Vor allem auf Intensivstationen sollen sie Mitarbeitern zur Seite stehen. Doch auf manche Angebote werden Kliniken wohl auch verzichten müssen. 

Im St. Elisabeth Krankenhaus im niedersächsischen Städtchen Damme stehen neun junge Frauen und Männer bereit, um die Herausforderung anzunehmen. Ein Logo auf ihren weißen Polohemden steht für ihre Mission: Ein blauer Äskulapstab-Stab durchbohrt ein Coronavirus. „Corona-Fighter“, so nennt Dr. Bert Mierke die Studierenden, die sich gemeldet haben, um im Einsatz gegen das Virus zu helfen. Sie kennen das Krankenhaus durch ihr Pflegepraktikum während des Studiums, berichtet der Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin. Nun, da ihre Universitäten den Betrieb vorübergehend eingestellt haben, wollen sie die Beschäftigten des Grund- und Regelversorgers unterstützen.

So wie in Damme haben sich bundesweit viele Tausend Unterstützerinnen und Unterstützer gemeldet. Darunter sind Medizinstudierende und Ärzte im Ruhestand. Auch frühere Pflegekräfte, die mittlerweile anderweitig tätig sind, sowie viele andere ohne Medizin- oder Pflegekenntnisse haben sich auf Listen setzen lassen. Allein auf der Plattform „match4healthcare“ haben sich bis Mitte April rund 9.000 Studierende und Auszubildende aus Gesundheitsberufen angemeldet. Vielerorts sind Krankenhausmitarbeiter gerade noch dabei, die vielen Hilfsangebote zu sichten und Konzepte zur Einarbeitung zu entwickeln. Da die Lage zum Redaktionsschluss für diese f&w-Ausgabe an vielen Standorten noch stabil ist, sind die meisten Kliniken noch nicht auf ihre Hilfe angewiesen – aber das kann sich schnell ändern.

Freiwillige als Springer

Grundsätzlich sind die Häuser vor allem auf der Suche nach Unterstützung für ihre Intensivstationen. „Ausreichend Fachpersonal mit Erfahrung in der Pflege und Behandlung von beatmeten Patienten zu haben, wird ein Schlüssel dazu sein, der Krise Herr zu werden“, sagt etwa Andreas Schlüter, Hauptgeschäftsführer der Knappschaft Kliniken GmbH. Auch in Damme liegt das Hauptaugenmerk darauf. Hier stehen die Medizinstudierenden den Intensivpflegekräften zur Seite. Sie helfen beispielsweise dabei, Patienten zu lagern oder übernehmen Botengänge. Dabei arbeiten sie als Springer: Fällt eine Pflegehilfskraft auf der Intensivstation aus, kommt dafür ein Studierender ins Krankenhaus. Für jede Schicht steht ein Helfer bereit. In Damme arbeiten sie nun auf 450-Euro-Basis.

Vorab haben alle Studierenden eine Hygieneeinweisung erhalten, bei der sie unter anderem gelernt haben, wie sie die Schutzkleidung richtig an- und ablegen. Auch eine Einführung in das EDV-System stand auf dem Programm. „Der große Vorteil ist, dass fast alle vorher schon einmal hier waren und deshalb die Intensivstation kennen“, sagt Mierke.

Erfahrung bringen auch die Studierenden mit, die am Universitätsklinikum Mannheim mithelfen. Die Uniklinik habe gezielt diejenigen auf der Unterstützerliste angesprochen, die vorher eine Ausbildung in der Pflege, zum Medizinisch-technischen oder Operationstechnischen Assistenten gemacht hatten oder Rettungsassistenten sind, berichtet Pflegedirektorin Yvonne Dintelmann. Auch diejenigen, die während einer Famulatur bereits in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation waren, haben die Mannheimer kontaktiert. Die Studierenden sind nun unter anderem als sogenannte Co-Worker auf der Intensivstation tätig. Sie füllen Material nach, helfen bei der Lagerung oder erledigen Krankentransporte. Auf Grundlage einer Delegationsverfügung übernehmen sie auch Blutentnahmen, richten Infusionen her oder messen den Blutzucker. Dafür werden sie als Pflegehilfskräfte vergütet.

Arbeitsvertrag auf Abruf

Auf der Intensivstation helfen zudem nun Pflegekräfte, die noch bis vor Kurzem in der Verwaltung oder auf peripheren Pflegestationen gearbeitet haben, aber bereits über Erfahrung auf Intensivstationen verfügen. „Wir sehen uns damit gut gerüstet“, sagt Pflegedirektorin Dintelmann. Das Uniklinikum hat zudem Mitarbeiter geschult, die freie Kapazitäten haben, weil elektive Eingriffe zurückgefahren wurden. Darunter sind etwa Anästhesie-Pflegekräfte. Sie haben einen Auffrischungskurs zum Thema Beatmung bekommen und sind dann eine Woche lang mit einem Praxisanleiter auf der Intensivstation mitgegangen. „So können wir nun schnell auf sie zurückgreifen, wenn wir sie benötigen“, sagt Dintelmann.

Um sich auf die möglicherweise steigende Zahl an Covid-19-Patienten vorzubereiten, haben manche Kliniken Arbeitsverträge auf Abruf unterzeichnet. So hat sich beispielsweise der Klinikverbund Südwest für den Fall der Fälle den Dienst von medizinischem und pflegerischem Personal gesichert. Durch die Vorabverträge sind bereits jetzt alle Formalia geklärt. „Die Mitarbeiter können dann im Bedarfsfall von den einzelnen Fachabteilungen direkt abgerufen werden“, sagt Pressesprecher Ingo Matheus.

Weitere Unterstützung könnte auch von Mitarbeitern des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) kommen, bei dem manche Arbeiten derzeit ruhen. Mitte April waren etwa 400 Mitarbeiter wegen der derzeitigen Lage außerhalb des Medizinischen Dienstes tätig, hieß es auf f&w-Anfrage. Der Großteil ist in Krisenstäben und Gesundheitsämtern tätig, um beispielsweise Infektionsketten nachzuvollziehen. Ein kleiner Teil ist aber auch im medizinischen und pflegerischen Bereich im Einsatz.

Teilweise wird auch überlegt, Fachkräfte einzusetzen, die bereits im Ruhestand sind. Doch Klinikverantwortliche raten zur Vorsicht. So hat sich beispielsweise das Uniklinikum Mannheim dagegen entschieden, solche ehemaligen Mitarbeiter anzusprechen. „Wir wollen diejenigen, die zur Risikogruppe gehören, keinem Risiko aussetzen“, sagt Pflegedirektorin Dintelmann.

Unklar bleibt in jedem Fall erst einmal, aus welchem Budgettopf die Arbeit der Unterstützer später einmal gegenfinanziert werden soll. Zwar verzichten manche Helfer auf eine Bezahlung, aber das ist nicht die Regel. Und so kommen zusätzliche Kosten auf die Kliniken zu. Gleichzeitig fallen viele Einnahmen weg. „Der pauschal auf 185 Euro am Tag erhöhte Pflegeentgeltwert hilft nur bedingt, weil viele Krankenhäuser wegen fehlender elektiver Patienten und dem Freihalten großer Kapazitäten für Covid-19-Patienten nur zur Hälfte belegt sind“, sagt Felix Ehlert, Sprecher der Knappschaft Kliniken.

Auch das Dammer Krankenhaus hat seine Auslastung auf 50 Prozent heruntergefahren. Der Grund- und Regelversorger musste deshalb bereits eine Bürgschaft beim Landkreis beantragen. „Wir kümmern uns jetzt erst einmal nur in dritter Linie um die Finanzierung“, sagt Geschäftsführer Ralf Grieshop. „Wir vertrauen darauf, dass die Politik uns später nicht im Regen stehen lassen wird.“

Grieshop sieht in der derzeitige Lage aber auch Chancen. So sind nun einige Studierende am Dammer Krankenhaus tätig, obwohl es kein akademisches Lehrkrankenhaus ist. Und wer weiß: Möglicherweise kehrt der eine oder andere so auch langfristig wieder in die Region zurück, hofft der Geschäftsführer. Mancherorts können die Kliniken nun zudem Pflegestellen besetzen, für die sie bereits vor der Corona-Krise dringend jemand gesucht hatten. So berichten etwa die Rems-Murr-Kliniken, dass sie nach ihrem Unterstützeraufruf zahlreiche Arbeitsverträge abgeschlossen haben. Eine kleine positive Überraschung immerhin, in diesen Zeiten der Ungewissheit.

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