Sterben im Krankenhaus

Eine Frage von Ethik und Qualität

  • Strategie
  • Titel
  • 30.06.2022

f&w

Ausgabe 7/2022

Seite 612

Heidemarie Haeske-Seeberg

Der Umgang mit Sterbenden ist ein wichtiges und zentrales Thema der klinischen Ethik. Kliniken sollten es aber nicht den jüngsten und unerfahrendsten Mitarbeitenden überlassen, wie sie Menschen in dieser Lebensphase begleiten. Hier helfen im Rahmen des Qualitätsmanagements definierte Prozesse. 

Bereits in der Qualitätsmanagement-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von 2015 sind Themen aus der medizinischen Ethik verankert und Gesundheitseinrichtungen zur Umsetzung aufgefordert. Ein wichtiges und zentrales Thema der klinischen Ethik ist der Umgang mit Sterbenden.

Doch woher sollen Mitarbeitende wissen, wie umgegangen werden soll mit

  • Eltern, die einen Spätabort oder eine Fehlgeburt erlitten haben,
  • Wahrheit im Angesicht schwieriger Diagnosen,
  • Patientenverfügungen von Patient:innen bei zutreffenden oder gar nicht korrekt zutreffenden Lebenssituationen,
  • Patienten, denen Schmerz, Übelkeit, Durst und Erbrechen begegnen, insbesondere im Rahmen eines Sterbeprozesses,
  • Sterbenden der verschiedenen Religionsgruppen,
  • dem Körper eines Verstorbenen,
  • Gleichbehandlung, Organspende, Selbstbestimmung?

Gerade in diesen wichtigen Ausnahmesituationen sollte es nicht den jüngsten und unerfahrendsten Mitarbeitenden überlassen bleiben, wie sie Menschen in den für sie entscheidenden Lebensphasen begleiten, behandeln, unterstützen und auffangen können. So etwas sollte gelenkt und über ein Qualitätsmanagementhandbuch den Mitarbeitenden zur Kenntnis gebracht werden.

Definierte Prozesse können Unsicherheiten ausräumen, Hilfe bieten und Vertrauen schaffen. Und damit Patientenorientierung lebendig werden lassen, aber auch die Mitarbeitenden unterstützen und vor belastenden Erlebnissen bewahren. Das ist ein Kernanliegen des Qualitätsmanagements.

Solche Themen werden oft in Qualitätszirkeln oder Projektgruppen erarbeitet. Die Moderation solcher Gruppen gehört zum Rüstzeug und Erfahrungshintergrund eines Qualitätsmanagementbeauftragten. Sobald sich ein Qualitätszirkel damit beschäftigt und für die Einrichtung eine entsprechende, in die Unternehmenskultur passende Vorgehensweise definiert hat, sollte diese in die in der Organisation gebräuchlichen Dokumentenformate überführt werden. Dabei kann ein QMB den Autor beraten. Und zuletzt hilft das Qualitätsmanagement durch Befragungen von Patient:innen und Mitarbeitenden, die Ergebnisse zu evaluieren – als Basis für eine Weiterentwicklung. Auch in internen Audits kann überprüft werden, inwieweit die Vorgehensweisen im klinischen Alltag angekommen sind.

Ein weiteres Beispiel zum Thema Sterben: In jedem Krankenhaus begegnen uns Menschen aus unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften. Grundsätzlich sollten die Wünsche der Patienten und gegebenenfalls ihrer Angehörigen bei der Sterbebegleitung im Vordergrund stehen. Keine Pflegekraft hat die Zeit, sich in dieser aktuellen Situation um die Bedürfnisse der Angehörigen verschiedener Glaubensgemeinschaften zu kümmern. Eine Checkliste, die die zentralen Informationen als Anhaltspunkte umfasst, sollte eine Klinik deshalb vorhalten:

  • protestantische oder römisch-katholische Kirche: auf Wunsch des Sterbenden einen Geistlichen rufen, mit oder für den Patienten ein Gebet sprechen.
  • Jehovas Zeugen: Da Angehörige dieser Religionsgemeinschaft die Entnahme von Organen ablehnen, ist dies als mutmaßlicher Wille anzusehen und die Angehörigen sollten nicht dazu befragt werden.
  • Islam: Im Sterben heben viele gläubige Moslems einen Finger zum Himmel. Fehlt die Kraft, hilft gegebenenfalls eine Pflegekraft. Anschließend wird das Glaubensbekenntnis gesprochen. Dem Sterbenden sollte etwas zum Trinken angeboten werden, denn ein Moslem darf nicht durstig sterben. Außerdem sollte der Sterbende so gedreht werden, dass sein Gesicht gen Mekka (Südosten) gewandt ist. Auch nach dem Tod sind zahlreiche Vorgehensweisen zu beachten.
  • Hinduismus/Buddhismus: für eine stille Umgebung sorgen. Der Buddhist möchte den Sterbeprozess in meditativer Geisteshaltung erleben, er nimmt den Tod als Tor zu neuem Leben wahr. Einem buddhistischen Priester oder Freund sollte die Möglichkeit der Totenwache gegeben werden.
  • Und auch für den Umgang mit Atheisten sollte festgelegt werden, dass der Wunsch des Sterbenden und seiner Angehörigen insbesondere auf das Unterlassen von Ritualen zu respektieren ist.

Zum Thema gehört auch der Lebensanfang. Bei einer Fehl- oder Totgeburt in einer fortgeschrittenen Schwangerschaftswoche gilt es auch, neben den medizinischen Notwendigkeiten ethische Vorgehensweisen zu definieren und den Mitarbeitenden an die Hand zu geben. So sollte der Partner oder eine andere Vertrauensperson jederzeit bei der betroffenen Frau sein können. Auf räumliche Trennung zur geburtshilflichen Station sollte geachtet werden. Einfühlsam sollte mit der Patientin über den weiteren Ablauf gesprochen und die Wichtigkeit des Begrüßens und Abschiednehmens vom Kind betont werden. Dazu sollten vorhandene Broschüren zum Thema ausgehändigt und Gespräche mit Seelsorgern angeboten werden. Älteren Kindern sollte ein Name gegeben und ein Namensbändchen am Handgelenk angebracht werden. Das Kind sollte gebadet, gereinigt, in ein Tuch gewickelt, eventuell angezogen werden. Erst in diesem Zustand sollte es der Mutter/den Eltern gezeigt und gegeben werden. Auch sollten Erinnerungsobjekte geschaffen und den Eltern zum Beispiel eine Karte mit Foto und Fußabdruck des Kindes ausgehändigt werden. Stets sollte man von einem Kind und einer Geburt sprechen.

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