Berliner Kommentar

Weg des geringsten Widerstands

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  • 27.06.2023

f&w

Ausgabe 7/2023

Seite 599

Jürgen Klöckner

Viel hilft in der Regel viel. Bei den gesetzlichen Krankenkassen ist es offenbar umgekehrt. Je mehr die Versicherten zahlen, desto weiter zögert sich eine Reform hinaus – und desto aussichtsloser wird deren finanzielle Lage.

Wie in diesem Jahr müssen die Versicherten vermutlich auch 2024 das Grand des Defizits tragen. So hat es zumindest Gesundheitsminister Karl Lauterbach kürzlich angekündigt. Es wird teurer und teurer – auch in der sozialen Pflegeversicherung, deren Beiträge schon im Sommer steigen. Das heißt: noch weniger Netto vom Brutto in Zeiten, in denen so ziemlich alles, was man zum Leben braucht, auch teurer geworden ist und Unternehmen dem Standort Deutschland den Rücken kehren. Da kann einem schwindelig werden.

Lauterbach schiebt die Schuld dem Finanzminister zu, weil er sich höheren Steuerzuschüssen verwehrt. Damit macht er es sich viel zu einfach. Nicht der Finanzminister ist für die Kassenfinanzen verantwortlich, sondern Lauterbach selbst. Der hat schon nach Amtsantritt eine große Finanzreform versprochen.

Dazu gehört, die Ausgaben zu kürzen, denn kaum ein Land der Welt gibt so viel für Gesundheit aus. Mit der alternden Bevölkerung wird es noch teurer. Dass das Defizit im kommenden Jahr deutlich geringer ausfallen dürfte als befürchtet, spielt Lauterbach sogar in die Karten. Er käme mit minimalinvasiven Eingriffen um eine erneute Beitragserhöhung herum.

Aber nichts dergleichen geht der Minister an. Stattdessen verteufelt er die Ökonomisierung – also die Sparsamkeit – im Gesundheitswesen. Leistungskürzungen sind für ihn nicht nur ein Tabu, er nutzt sie fälschlicherweise als Argument gegen jegliche Form der Ausgabenkürzungen. Es wäre zumindest ein Anfang, Homöopathie aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu streichen.

Lauterbach müsste sich auch erneut mit den Pharmafirmen anlegen. Die steigenden Arzneimittelpreise sind ein Treiber der Kassenausgaben. Das ist ein drängendes Argument für eine Reform der Preisfindung für patentgeschützte Arzneimittel. Teure Gentherapien, die zwar großen medizinischen Nutzen versprechen, aber Millionen pro Dosis kosten können, wird sich das System auf Dauer und für alle Versicherten nicht leisten können, wenn sie massenhaft auf den Markt kommen. Aber Lauterbach fehlt die Kraft, sich mit der Pharmalobby anzulegen. Schon bei seinem ersten Finanzierungsgesetz war der Protest groß.

Abgesehen davon liegen noch andere Alternativen auf dem Tisch, etwa, dass sich der Bund stärker an den versicherungsfremden Leistungen beteiligt. Oft gefordert, sogar im Koalitionsvertrag verbrieft, bleiben die Kosten für Bürgergeldempfänger auf absehbare Zeit beim Versicherten hängen. Der steigende Beitrag ist damit letztlich auch die Quittung für Lauterbachs Schwäche, seine Forderungen durchzusetzen. Und über allem steht, dass die Ampel ideologisch blockiert ist: SPD und Grüne wollen die Bürgerversicherung, die FDP ist dagegen. Also geht die Koalition den Weg des geringsten Widerstands – nämlich über den Beitragszahler.

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