Fliegende Helfer im Verbund

Operation Drohne

  • Digitalisierung
  • Titel
  • 29.08.2023

f&w

Ausgabe 9/2023

Seite 788

Die Vision der St. Franziskus-Stiftung Münster ist, logistische Drohnenflüge anzubieten. Sie sollen zukünftig unter anderem die Befundung von Gewebeproben onkologischer Operationen beschleunigen und somit Entscheidungen der Operateure am OP-Tisch unterstützen.

Das innovative Konzept der St. Franziskus-Stiftung für das OP-Drohnenprojekt entstand in dem eigens gegründe- ten Krankenhausinformationsmanagement (IKiM). Die Hauptmotivation für das Projekt liegt in der Optimierung der Logistikprozesse im Krankenhausumfeld mit direkter Steigerung der Ergebnisqualität und der Nachhaltigkeit.

Konkret geht es hier um die Befundung von Schnellschnitten während einer onkologischen Operation in der Viszeralchirurgie. Um sicherzustellen, dass der Tumor mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand operiert und das Tumorgewebe vollständig entfernt wurde, muss das während der Operation (OP) gewonnene Gewebe in einem speziellen Labor auf einen tumorfreien Resektionsrand des entfernten Gewebes untersucht werden – nur bei einem negativen Befund wird die Operation beendet. Findet der Pathologe Tumorzellen am Resektionsrand, wird noch während der Operation an dieser Stelle nachreseziert. Diese Histopathologie-Labore werden aber nicht in jedem Krankenhaus vorgehalten. Infolgedessen entstehen aufwendige Transportwege, die die OP verzögern und somit die Patient:innen durch eine verlängerte Narkose belasten als auch eine zeitlich gesehen unproduktive OP-Belegung verursachen können.

Zur Umsetzung des Zukunftsprojektes OP-Drohne sind das St. Franziskus-Hospital in Ahlen und die St. Barbara-Klinik in Hamm-Heessen eingebunden. Beide sind Einrichtungen der St. Franziskus-Stiftung Münster und arbeiten schon heute aufgrund ihrer geografischen Lage sowie des medizinischen Leistungsspektrums eng zusammen. Nur die St. Barbara-Klinik in Hamm verfügt über das notwendige Histopathologie-Labor zur Befundung der Schnellschnitte. Das zu untersuchende Gewebe musste deshalb bisher mit dem Taxi vom OP in Ahlen zum Labor in Hamm transportiert werden.

28 Minuten Zeitersparnis

Die Drohne bietet im Vergleich zum herkömmlichen Transport per Taxi die Chance, den Logistikprozess unabhängig von der Verkehrssituation oder der Fahrzeugverfügbarkeit erheblich zu beschleunigen. Nach ersten Berechnungen wird mittels der Drohnenlogistik eine Zeitersparnis von etwa 28 Minuten erreicht. Durch eine tiefe Integration in die bestehenden Prozessabläufe ist die Drohne per Knopfdruck innerhalb von Sekunden startbereit. Die gewonnene Zeit kommt den Patient:innen direkt zugute: Die Narkosezeit kann verringert werden und damit verbunden die Anzahl an möglichen Risiken und Nebenwirkungen, die mit einer längeren Exposition mit Anästhetika assoziiert sind. Diese sogenannten postoperativen kognitiven Dysfunktionen (POCD) wie Übelkeit, Erbrechen nach der Operation, Verwirrtheit sowie kognitive Beeinträchtigungen wurden bereits mehrfach in Studien mit der Operationszeit in Verbindung gebracht. Zudem kann eine optimierte Narkosezeit dazu beitragen, die Erholungszeit nach Operationen zu verkürzen und Patient:innen schneller in den Alltag zurückkehren zu lassen. Mit Blick auf die teuerste Ressource im Krankenhaus, die OP-Minute im laufenden Betrieb, lässt sich bei der durchschnittlichen Einsparung von 28 Minuten pro OP mit Schnellschnittuntersuchung darüber hinaus ein Kosteneinspareffekt erzielen.

Die Anforderungen an die OP-Drohne sind klar definiert: Sie muss einfach zu bedienen sein, autonom und sicher funktionieren und nachweislich zur Verbesserung der Prozess- und Ergebnisqualität für Patient:innen sowie Mitarbeiter:innen beitragen.

Bei allen patient:innen- und mitarbeiter:innenfokussierten Vorteilen werden auch Umweltaspekte im Projekt nicht außer Acht gelassen. Der Ersatz von fossilen Energieträgern bei einem Taxitransport durch nicht fossile Energieträger bei elektrisch betriebenen Drohnen trägt zur CO2-Reduktion bei.

Zukünftige Einsatzgebiete

Zum Schutz der Patient:innen und Anwohner:innen müssen geeignete Start- und Landebereiche ausgewählt und baulich geplant werden. Für einen autonomen Flug müssen die Drohnen kontinuierlich ihre Position über GPS-Signale senden. Aufwendige Prüfungen sowie Risiko-Assessments sind im Vorfeld notwendig. So werden in dem sogenannten Specific Operational Risk Assessment (SORA) die drei typischen Gefahren für den Fall „Drohneneinsatz außer Kontrolle“ geprüft: Personen am Boden, anderer Luftverkehr sowie kritische Infrastruktur. Diese und weitere Aspekte sind nicht nur für die erfolg- reiche Umsetzung des Projekts von großer Bedeutung, sondern auch für die Akzeptanz und das Vertrauen aller eingebundenen Akteure in eine neue Technologie. Ein einfaches Handling ist zusätzlich ein Muss, denn es gilt, einen bewährten Prozess durch eine technische Innovation zu verändern, die mindestens auf Augenhöhe mit dem bewährten Prozess konkurrieren kann.

In den nächsten Schritten der Projektentwicklung werden mithilfe des konkreten Plans für den Proof of Concept (POC) durch den Drohnenhersteller zwei spezielle Landeplattformen in der Nähe des OP und des Labors errichtet. Diese sogenannten „Hangars“ befinden sich auf dem Gelände der St. Babara-Klinik Hamm-Heessen und auf dem Dach des St. Franziskus-Hospitals in Ahlen. Hier kann die Drohne einfach und ohne direkten Kontakt zum Krankenhauspersonal beladen, gestartet, gelandet und automatisch aufgeladen werden. Die Hangarstandorte wurden so ausgewählt, dass sie für eine zukünftige Nutzung durch weitere Funktionsbereiche der Kliniken ohne Verlängerung von Wegstrecken ideal platziert und gleichzeitig möglichst weit entfernt von den Bettenhäusern liegen. In der dreimonatigen Testphase werden die Flugverbindungen nach dem realen Aufkommen der Anforderungen im OP mithilfe definierter Key Performance Indicators (KPI) bezüglich der Drohneneffektivität evaluiert. Untersucht werden unter anderem die OP-Dauer und daraus resultierende Kosten, Flugzeit, Ausfallzeiten und die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen.

Langfristiges Netzwerk

Ziel ist, neben der Umsetzung und Evaluation des oben beschriebenen Use Case auch eine Prognose für eine zukünftige Ausweitung der Drohnenlogistik treffen zu können. Die Einrichtung eines Drohnen-Hubs im stiftungseigenen Versorgungszentrum für Medikalprodukte, Blutprodukte, spezielle Instrumente oder Implantate zur Versorgung der Krankenhäuser der Versorgungsregion verspricht einen sinnvollen und effizienten Einsatz. Langfristig kann ein so aufgebautes Logistiknetzwerk zu einer Reduktion von dezentralen Lagerbeständen und einer Verbesserung der Reaktionszeit bei zeitkritischen Prozessen führen. Mit der fortschreitenden Entwicklung und Verbesserung der Drohnentechnologie sowie der Vereinfachung des Genehmigungsprozesses könnten Drohnen in naher Zukunft zu einem festen Bestandteil der Ge-sundheitslogistik werden. Sie tragen zur Verbesserung der Qualität und Geschwindigkeit der medizinischen Patient:innenversorgung bei, sind nachhaltig und wirken insgesamt kostensparend.

Die Umsetzung des Projektes ist, trotz der Herausforderungen der Genehmigungsverfahren, weit fortgeschritten. Durch Planung und Vorbereitung sowie die enge Zusammenarbeit mit dem Hersteller steht der erfolgreichen Umsetzung des Projektvorhabens nichts mehr im Wege. Der Beginn des Betriebs ist für das Q3/2023 eingeplant.

Literatur bei den Verfassern.

Autoren

f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus

Die Fachzeitschrift für das Management im Krankenhaus

Erscheinungsweise: monatlich

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