Ambulantisierung

Wie man Ambulantisierung im Krankenhaus organisiert

  • Strategie
  • Management
  • 23.07.2025

f&w

Ausgabe 4/2025

Seite 340

Roland Strasheim

Viele Kliniken hadern mit der Ambulantisierung. Das muss nicht sein. Wer seine Prozesse und Strukturen kritisch hinterfragt und die Zusammenarbeit verschiedener Bereiche neu organisiert, kann viel gewinnen.

„Das ist unser Eingriffsraum. Den nutzen wir an zwei Vormittagen in der Woche, wenn wir personell gut besetzt sind.“

Diese oder ähnliche Aussagen aus einer Fachabteilung in einem Krankenhaus hat vermutlich jeder schon einmal gehört. Häufig in Gesprächen mit den Fachabteilungen oder mit den Chefärztinnen und Chefärzten in einem Controllinggespräch. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch! Wenn Sie im Krankenhaus Controllinggespräche mit den Verantwortlichen führen, dann ist der erste Schritt schon getan. Wenn dabei die Leistungszahlen und die Kostendaten unter die Lupe genommen werden, können alle gemeinsam wirtschaftliche Verantwortung übernehmen.

Dabei sollten alle an einem Tisch sitzen: Ärzte, Pflege, Einkauf, Controlling (kaufmännisches und medizinisches) und Geschäftsführung. Je nach Größe und Fachrichtung auch Therapeuten und Vertreter der Apotheke. Die Gespräche in einem regelmäßigen Turnus zu führen, ist ein guter erster Schritt. Alle Beteiligten haben Transparenz über Erlöse und Kosten (in einem gewissen Detaillierungsgrad). Dann taucht man ein in die Prozesse und Strukturen – in deren Optimierung: the Deep Dive. Aus der Routine der Gespräche erwächst ein Gestaltungsraum.

Das Ressourcenmanagement wird vor dem Hintergrund zunehmend schlechter Finanzierung und steigender Kosten sowie der Krankenhausreform immer wichtiger. Gerade vor dem Hintergrund des Megatrends der Ambulantisierung muss man sich fragen, ob, wie und wo man Leistungen erbringen sollte. Im Krankenhaus, im MVZ, mit Kooperationspartnern oder vielleicht auch gar nicht.

Die Medizinstrategie sollte der Ausgangspunkt all dieser Überlegungen sein. Gründe für die ambulante Leistungserbringung durch ein Krankenhaus oder einen (Krankenhaus-)Träger können zum einen vorliegen, wenn es sich um hoch spezialisierte Leistungen handelt oder schlichtweg die Leistungen im ambulanten Sektor nicht erbracht werden. Oder man schafft einen Zugang zur stationären Behandlung im Sinne der Behandlungskette – auch der Nachsorge.

In einigen Fachgebieten ist der nahtlose Übergang von Vorsorge über Behandlung bis zur Nachsorge für den Patienten im wahrsten Sinne überlebenswichtig. Die Onkologie ist hierfür ein gutes Beispiel. Auch die Bildung von fachabteilungsübergreifenden Zentren (Onkologie, Alterstraumatologie, Beckenboden, Magen-Darm usw.) zeigt, dass die Abteilungsdenkweise im Sinne der Trennung von Prozessen und Strukturen immer mehr einem medizinischen und prozessualen Erfordernissen geleiteten Handeln gewichen ist.

Die eigenen Prozesse hinterfragen

Was ist also der Ausgangspunkt? Vereinbarungen zum Leistungsgeschehen, Prozesseffizienz, klare Zuständigkeiten und die gemeinsame Nutzung von Strukturen innerhalb der Gebäude sind wesentliche Aspekte der Ambulantisierung von Leistungen. Sicher müsste man auch darüber diskutieren, ob die ambulanten – oder sagen wir an der Stelle lieber: nicht-mehr-stationären – Leistungen eines Krankenhauses anders vergütet werden müssen als im niedergelassenen Bereich (Stichwort Hybrid-DRG).

Wesentlicher erscheint mir aber, dass an zwei Stellen im Krankenhauses mehr getan werden muss: bei den einzelnen Prozessen und Strukturen sowie bei der Zusammenarbeit zwischen einzelnen Bereichen. Ein alter Hut? Sollte man meinen, aber ich habe immer wieder gesehen, dass gerade größere Einheiten sich nicht die Zeit genommen haben, interne Zuteilungen und Prozesse zu hinterfragen beziehungsweise im Anschluss zu organisieren.

Im Zuge der Ambulantisierung und auch vor dem Hintergrund ganz neuer Konzepte (Level-1i-Häuser) ist man als Krankenhaus gut beraten, sich frühzeitig mit den eigenen Prozessen und Strukturen zu beschäftigen. Auch bei noch bestehender Rechtsunsicherheit ist es gut, am Puls der Zeit zu sein. Ausgehend von Analysen zu den Leistungsgruppen und dem ambulanten Potenzial muss eine Medizinstrategie für den Standort oder eine ganze Region (Umfeld des Krankenhauses) entwickelt werden.

Daraus ergeben sich zwei Dimensionen. Erstens: Was muss ich in meinem Haus ändern und verbessern? Und zweitens: Wo brauche ich Kooperationen oder strategische Allianzen? Diese kann ein Krankenhaus sowohl im Nachbarhaus als auch in anderen Sektoren finden. Wenn man „ambulant“ als Megatrend betrachtet (und die medizinische Entwicklung signalisiert das), dann sind die beiden genannten Punkte die wesentlichen Treiber des Überlebens eines Standortes. Wie kann man nun also konkret weiter vorgehen?

Erster Schritt: die Analyse am Reißbrett

Für die Analyse braucht es Experten, die wissen, welche Leistungen sinnvoll wie erbracht (Ressourcen und Kosten) und wie abgerechnet (Erlöse) werden können. Auch der heute schon bestehende Rahmen im Krankenhaus (DRG, AOP, ASV, Tagesklinik, Institutsambulanz, Ermächtigung, individuelle Verträge usw.) bietet eine enorme Bandbreite. Diesen sollte ein Krankenhaus zur Abrechnung nutzen. Das ist ein zähes Geschäft. Denn häufig verbergen sich hinter der Abrechnungsmöglichkeit sowohl Anforderungen an die Struktur (zum Beispiel ASV) als auch Anforderungen an den Dokumentations- und Abrechnungsmodus.

Schon vor der Aufnahme des Patienten ist zu klären, wie er behandelt und nachher abgerechnet werden kann und welche Form der Dokumentation hierfür die Grundlage bietet. Ein „Umhängen“ im Nachgang ist häufig aufwendig – teilweise unmöglich. Zunächst kann es notwendig sein, den Abrechnungsrahmen zu erweitern und Anträge zu stellen. Klingt einfacher als es ist, aber wer nicht anfängt, wird nicht weiterkommen. Wenn also klar ist, in welcher Form die Leistung sinnhaft erbracht werden kann, folgt Schritt zwei.

Zweiter Schritt: die Analyse vor Ort

Kliniken müssen ihre Strukturen und Prozesse nach dem Prinzip „die Leistung folgt den Kosten“ reorganisieren. Dies erfordert ein hohes Maß an Überzeugung innerhalb der Einrichtung. Erleichternd kommt hinzu, dass die Erkenntnis zur notwendigen Transformation bei allen Berufsgruppen (Medizin und Management) inzwischen angekommen ist. Grundlage für Veränderung bieten hier die oben genannten Controllinggespräche oder auch Hospitationen. Wer glaubt, als Geschäftsführer oder kaufmännischer Leiter „sein Haus“ zu kennen, wird auch hier möglicherweise noch neue Erkenntnisse gewinnen – und zwar auch freudige. Mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen, hat nämlich noch eine andere Dimension: Wertschätzung. Die Verwaltung interessiert sich für die Menschen und deren Arbeit vor Ort.

Eine Hospitation kann noch mehr bewirken, wenn man über Abläufe und Sachverhalte Bescheid weiß und auf Augenhöhe kommuniziert. Dabei soll Augenhöhe nicht als fachliche Parität verstanden werden. Vielmehr geht es um die Nachvollziehbarkeit von Prozessen. Zwingende Voraussetzung ist dies sicherlich nicht, aber aus Verstehen und Verständnis entsteht Vertrauen und (gemeinsame) Verantwortung. Und die gemeinsame Verantwortung ist neben der kontinuierlichen Kommunikation ein großer Hebel für Veränderung.

Für die Umsetzung muss nun ein Format gefunden werden. Vorausgeschickt: Viele Wege führen nach Rom. Es ist ein Projekt, denn per Definition hat es ein oder mehrere Ziele und ist zeitlich begrenzt. Ob man das Projekt im klassischen Projektmanagement aufsetzt, als agiles Projekt oder als Mischform, kann man diskutieren. Alles kann funktionieren. Jeder kennt seine Organisation am besten und weiß, wie man Veränderung im eigenen Haus angehen sollte. Zwei Prinzipien können leitend sein: Akzeptanz und Relevanz. Relevanz: Wenn man die richtigen Menschen beteiligt, bearbeitet man die richtigen Aspekte mit den Menschen, die die Prozesse kennen und zuständig sind. Akzeptanz: Wenn man Partizipation ernst nimmt und nicht mit Basisdemokratie verwechselt, werden die Zuständigen zu Verantwortlichen.

Dritter Schritt: das Projekt/die Umsetzung

Für die Umsetzung nach der Analyse sollte das Zielbild für alle Beteiligten messbar und transparent sein. Holen Sie alle Interessenvertreter an einen Tisch. Der kann schnell groß werden, aber es lohnt sich. Auf jeden Fall alle direkt Beteiligten oder auch die indirekt Betroffenen.

Ein Beispiel? Neben den Räumlichkeiten können die Prozesse und auch die Wege entscheidend sein. Daher können auch Transport und damit der Transportdienst betroffen sein. Das Plädoyer lautet also: Denken Sie groß! Und das sowohl in der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe als auch in dem Zielbild. Zeigen Sie die Notwendigkeiten anhand der Gesetze und Normen und der wirtschaftlichen Notwendigkeit auf und beantworten Sie möglichst alle Fragen. Vergessen Sie nicht Ihren Betriebsrat oder die Mitarbeitervertretung – diese ist möglicherweise sowieso im weiteren Verlauf formal zu beteiligen. Also rein ins Boot.

Sie arbeiten am Projekt. Es werden Veränderungen kommen. Das ist das Ziel. Vergessen Sie dabei nie, mit allen Menschen im Haus zu kommunizieren, ob in Teambesprechungen, Mitarbeiterforen oder anderen Formaten. Auch kein Fortschritt in der Sache – und das gibt es ja manchmal – sollte kommuniziert werden. Das ist Teil der Partizipation.

Vierter Schritt: Erfolge feiern und nach außen kommunizieren

Sie haben Ihr Projekt erfolgreich umgesetzt. Sie haben Prozesse verändert und vielleicht auch neue Möglichkeiten der (ambulanten) Behandlung/Leistungserbringung und Abrechnung geschaffen. Reden Sie drüber. Kommunizieren Sie Ihr neues Angebot oder Ihren neuen Serviceaspekt nach außen. An Patienten, an Niedergelassene und Zuweiser, an Senioreneinrichtungen und andere Leistungserbringer (wo sinnvoll) und an die Kommune. Wenn Sie etwas besser machen, sollen auch die anderen davon profitieren.

Die Nettobotschaft: Spätestens in Vorbereitung auf die Umsetzung der Krankenhausreform lohnt es sich, frühzeitig den Fokus auf die Dinge zu lenken, die man im eigenen Hause verbessern kann. Hier gezeigt am Beispiel der Medizinstrategie und dem Megatrend Ambulantisierung. Dafür braucht es kein Gesetz, lediglich die richtige Philosophie. Und die kann im Gesundheitswesen einmal mehr heißen: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es“ (Erich Kästner).

Autor

f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus

Die Fachzeitschrift für das Management im Krankenhaus

Erscheinungsweise: monatlich

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