Marktchancen nutzen, überall auf der Welt

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  • 01.03.2007

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 3/2007

Das Geschäftsjahr 2006 war das bisher erfolgreichste des weltweit tätigen Gesundheitskonzerns Fresenius AG. Dennoch wird das Unternehmen ständig weiterentwickelt: Vor wenigen Wochen erst wurde die Umwandlung in eine Europäische Gesellschaft (Societas Europaea – SE) abgeschlossen, und der Krankenhausbereich wird zum kommenden Jahreswechsel grundlegend neu geordnet. Über Strategien und Hintergründe sprach „Die GesundheitsWirtschaft“ mit Dr. Ulf M. Schneider, dem Vorstandsvorsitzenden der Fresenius SE.

Herr Dr. Schneider, das von Ihnen geführte Unternehmen ist einer der wenigen echten weltweit tätigen Gesundheitskonzerne, und die Entwicklung des Unternehmens sieht prächtig aus. Profitieren Sie schon jetzt vom viel beschworenen Trend zu mehr und mehr Gesundheit?

Schneider: Sie haben Recht, der Gesundheitsmarkt wächst weltweit. Gründe dafür sind zum einen die demografische Entwicklung und zum anderen die permanente Verbesserung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten in der Medizin. Dadurch steigt die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen medizinischen Produkten und Dienstleistungen.
Dazu kommt, dass auch die Menschen in anderen Teilen der Welt, in denen der Wohlstand steigt, höhere Erwartungen an die Gesundheitsversorgung entwickeln. Lassen Sie mich nur China, Indien oder Brasilien als Beispiele nennen. In all diesen Ländern weisen wir überdurchschnittliche Wachstumsraten auf.

Sie bauen den Konzern Schritt für Schritt um. So hat Fresenius erst vor kurzem die Umwandlung in die neue Rechtsform der Europäischen Gesellschaft abgeschlossen. Was hat Sie zu diesem Schritt veranlasst, den ja erst sehr wenige große Aktiengesellschaften gemacht haben?

Schneider: Ich sehe unsere Maßnahmen der letzten Jahre weniger als Umbau, eher als eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Konkret zur SE: Von unseren aktuell 109000 Mitarbeitern arbeiten rund 30000 in Deutschland. Im Gegensatz zum deutschen Mitbestimmungsrecht in einer AG erlaubt die SE, dass unsere Mitarbeiter aus den anderen europäischen Ländern von eigenen Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat repräsentiert werden.

Als internationales Unternehmen wollen wir bei der Mitbestimmung keine Zwei-Klassen-Kultur. Auch steht im deutschen Corporate-Governance-Kodex, dass man Gremien übersichtlich und handhabbar halten soll. Wir glauben, dass wir das mit zwölf Aufsichtsräten besser können als mit 20 Aufsichtsräten. In der Rechtsform einer AG hätten wir den Aufsichtsrat aufgrund der gestiegenen Mitarbeiterzahl in Deutschland erweitern müssen.

Das Krankenhaus-Geschäft wird zum Beginn des kommenden Jahres einer grundlegenden Organisationsveränderung unterzogen. Von außen betrachtet, lässt dies auf eine wachsende Bedeutung dieses Bereiches schließen.

Schneider: Lassen Sie mich zunächst kurz die gegenwärtige Situation der beiden Unternehmensbereiche Helios Kliniken und Vamed darstellen. Die Helios Kliniken Gruppe mit Sitz in Berlin erzielte im Jahr 2006 einen Umsatz von 1,67 Milliarden Euro. Zur Gruppe gehören 58 Kliniken mit insgesamt 15800 Betten. Die Vamed Gruppe mit Sitz in Wien erreichte im Jahr 2006 einen Umsatz von 392 Millionen Euro.

Darüber hinaus verantwortet die Vamed mit Managementaufträgen Umsätze in Höhe von rund 350 Millionen Euro. Die Gesellschaft ist international tätig und hat Projekte in rund 80 Ländern durchgeführt. Mit der Änderung unserer Organisationsstruktur wird der wachsenden Bedeutung des Krankenhausträgergeschäfts (Helios) sowie des Engineering- und Dienstleistungsgeschäfts für Krankenhäuser (Vamed) Rechnung getragen. Beide Unternehmensbereiche werden künftig selbstständig und mit direkter Präsenz im Vorstand der Fresenius SE ihr Geschäft ausbauen und weiterhin unter ihrem jeweiligen Firmennamen auftreten.

Und was waren die konkreten Gründe für die Veränderung?

Schneider: Für die Neuordnung gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum einen haben wir durch den Wegfall der Zwischenholding ProServe die internen Abläufe gestrafft, zum anderen erhöhen wir die Transparenz für Investoren und Analysten. Bisher konsolidiert Pro-Serve die Ergebnisse von Helios und Vamed. Weil aber das Geschäft von Helios anders funktioniert als das von Vamed, spalten wir das Gesamtergebnis für den Anleger wieder auf – allerdings nur bis zum Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit). In Zukunft werden wir für Helios und Vamed jeweils vollständige Zahlenwerke zur Verfügung stellen.

Erst vor wenigen Tagen hat Fresenius positive Studienergebnisse zum Krebs-Antikörper Removab bekannt gegeben, einem Zukunftsmedikament von Fresenius Biotech. Ist die Biotechnologie ein weiterer strategischer Zukunftsbereich?

Schneider: 2008 wollen wir Removab zur Behandlung von Bauchwassersucht bei Patienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen auf den Markt bringen. In der jüngst veröffentlichten Studie hat sich gezeigt, dass Removab nicht nur bei der Therapie dieser Erkrankung einen deutlichen Nutzen für den Patienten bringt, sondern auch den Tumor direkt angreift. Diese Ergebnisse vertiefen wir derzeit in weiteren Studien. Wenn sich Removab positiv entwickelt, könnte der Biotechnologie-Bereich mit dem Schwerpunkt Antikrebspräparate ein weiteres Standbein für Fresenius werden.

Die Aufstellung als Gesundheitskonzern verschafft Fresenius die Möglichkeit, die Wertschöpfungskette in der Gesundheitswirtschaft weitgehend abzudecken. Will Fresenius Komplett-Anbieter von Gesundheit werden?

Schneider: Fresenius hat sich stets auf ausgewählte Bereiche des Gesundheitswesens konzentriert. Da haben wir unser Produkt- und Dienstleistungsangebot weltweit ausgebaut. Dementsprechend fokussiert und dezentral ist auch unsere Organisation ausgerichtet. Wichtiger als das Komplett-Angebot ist es uns, in jedem der von uns bedienten Marktsegmente Spitze zu sein. Das entspricht auch dem Bedürfnis von Medizinern und Patienten, fallspezifisch auf bestmögliche Therapien zugreifen zu können.

Fresenius ist ein deutsches Unternehmen – seit neuestem jedoch mit einer europäischen Rechtsform. Da liegt die Frage nahe: Liegt die Zukunft von Fresenius in Deutschland, in Europa oder vielleicht doch viel stärker in Asien und Amerika?

Schneider: Unsere Zukunft liegt in einer erfolgreichen globalen Entwicklung. Wir sind in Europa, Asien und den USA stark gewachsen, in Deutschland sogar noch stärker. Wir haben die Beschäftigtenzahl in den vergangenen zehn Jahren weltweit verdreifacht, in Deutschland im gleichen Zeitraum mehr als verachtfacht.

Wir verlagern keine Arbeitsplätze. Die Art von Globalisierung, bei der in Deutschland ein Werk abgebaut und in Niedriglohnländern wieder aufgebaut wird, haben wir nie betrieben. Für uns heißt Globalisierung, die Marktchancen überall auf der Welt zu nutzen. Dabei bieten uns vor allem die stark wachsenden Märkte in Asien und Lateinamerika große Chancen. Auch in Europa streben wir weiteres Wachstum an. Denken Sie beispielsweise an weitere Krankenhausprivatisierungen in Deutschland.

Was sind Ihre strategischen Ziele für die nähere Zukunft?

Schneider: Alle unsere Unternehmensbereiche haben auch auf lange Sicht erhebliches Zuwachspotenzial. Die Chancen, die sich durch die demografische Entwicklung in den Industrieländern und durch den Nachholbedarf in den Schwellenländern ergeben, werden wir in jedem unserer Segmente nutzen. Hierbei werden wir sowohl auf Wachstum aus eigener Kraft setzen als auch auf Wachstum durch Akquisitionen. Mit der Biotechnologie haben wir darüber hinaus die Möglichkeit, einen neuen Unternehmensbereich aufzubauen, wenn unsere Entwicklungsprojekte auch weiterhin erfolgreich verlaufen. Zusammen genommen sind die Wachstumspotenziale derart erheblich, dass wir uns zurzeit voll auf deren Umsetzung konzentrieren und nicht den Einstieg in neue Geschäftsbereiche planen.

Das Gespräch führte Dr. Uwe K. Preusker.

Europäische Gesellschaft SE

Die europäische Gesellschaft SE ist eine im Jahr 2001 durch Verordnung der Europäischen Union geschaffene und 2004 in Kraft getretene neue Rechtsform für europäische Unternehmen. Danach können Handelsgesellschaften im Gebiet der EU in der Form europäischer Aktiengesellschaften (Societas Europaea, Abkürzung SE) gegründet werden. Das Statut sieht vier Verfahren zur Gründung einer SE vor:

– Gründung durch Verschmelzung,
– Gründung durch Errichtung einer Holdinggesellschaft,
– Gründung in Form einer gemeinsamen Tochtergesellschaft und
– Gründung durch Umwandlung einer Aktiengesellschaft nationalen Rechts.

Die Verschmelzung ist auf Aktiengesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten beschränkt. Die Gründung einer Holding-SE steht allen Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung offen, die gemeinschaftsweit vertreten sind, das heißt, die ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten oder Tochtergesellschaften oder Niederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Sitzes haben. Gleiches gilt für die Gründung einer SE in Form einer gemeinsamen Tochtergesellschaft durch Körperschaften des öffentlichen oder privaten Rechts. Das Mindestkapital der SE beträgt 120.000 Euro.

"Unsere Zukunft liegt in einer erfolgreichen globalen Entwicklung."

Dr. Ulf M. Schneider (41) ist seit Mai 2003 Vorstandsvorsitzender der Fresenius AG (seit Juli 2007 Fresenius SE). Schneider war im November 2001 als Vorstandsmitglied zu Fresenius Medical Care gekommen und zeichnete für den Bereich Finanzen verantwortlich. 2006 setzte Fresenius insgesamt 10,7 Milliarden Euro um – im Vorjahr waren es noch 7,9 Milliarden Euro. Anfang August präsentierte Schneider die Bilanz des ersten Halbjahres 2007: Der Umsatz erreichte 5,59 Milliarden Euro und stieg damit erneut um rund zehn Prozent, währungsbereinigt sogar um 15 Prozent gegenüber der ersten Hälfte von 2006 an. Für das gesamte Jahr 2007 erwartet Schneider ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum um rund acht bis zehn Prozent. 

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