Der Hauptstadtkommentar von Peter Thelen

Hängepartie: Ob der Gesundheitsfonds 2009 startet, bleibt ungewiss

  • Politik
  • Hauptstadtkommentar von Peter Thelen
  • 01.03.2007

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 3/2007

Hauptstadkommentar von Peter Thelen

Still ruht der See in der Berliner Gesundheitspolitik seit Monaten. Doch die Ruhe täuscht. Woran derzeit im Gesundheitsministerium und in der Selbstverwaltung gearbeitet wird, ist zwar –abgesehen von der kleinen Pflegereform – für das breite Publikum eher weniger schlagzeilenträchtig. Doch hängt vom Erfolg der derzeit noch weitgehend geräuschlos verlaufenden Arbeiten ab, ob das Kernstück des Wettbewerbsstärkungsgesetzes, der für 2009 geplante Gesundheitsfonds, tatsächlich fristgerecht in Kraft gesetzt werden kann.

Über den Fonds sollen in Zukunft bekanntlich die Beitragseinnahmen der Krankenkassen sowie der jährlich steigende Steuerzuschuss „gerecht“ an die Krankenkassen über eine Kopfpauschale verteilt werden. Gerecht bedeutet insbesondere, dass anders als in der Vergangenheit auch die unterschiedlichen Morbiditätsstrukturen der Krankenkassen bei der Verteilung des Geldes berücksichtigt werden.

Dazu soll der seit 1994 bestehende Risikostrukturausgleich (RSA) zu einem krankheitsbezogenen RSA weiterentwickelt werden. Die erste Voraussetzung für diese ursprünglich bereits für dieses Jahr geplante Reform wurde im Dezember durch den Bundesrat geschaffen. Er verabschiedete nach einigem Hin und Her die 14. Änderungsverordnung zur RSA-Ausgleichsverordnung. Bis Mitte August mussten die Kassen auf der Basis dieser Verordnung eine erste repräsentative Stichprobe von anonymisierten Versichertendaten an das Bundesversicherungsamt (BVA) melden.

Dazu gehören neben Daten über das Alter und Geschlecht, die bislang schon zur Ermittlung des Ausgleichsbedarfs herangezogen wurden, auch Diagnosen bei stationärer Behandlung und Arzneimittel-Verschreibungen. Diese neu erhobenen Daten sollen den krankheitsbezogenen Ausgleich erst ermöglichen. Nach Angaben des BVA haben die Kassen die Daten eini­germaßen prompt geliefert. Verzögerungen bei den technischen Arbeiten am neuen Ausgleichsverfahren, die durch einen eigens eingerichteten Beirat beim BVA geleistet werden, drohen damit bislang nicht.

Streit wird es um die Umsetzung des RSA geben

Allerdings wird es mit einiger Sicherheit noch politischen Streit um die RSA-Umsetzung geben. So ist umstritten, ob Krankenhausdiagnosen und Verordnungsdaten tatsächlich ein verlässlicher Indikator für Morbiditätsunterschiede zwischen den Kassen sind. Vor allem die Betriebskrankenkassen monieren, dass diese Daten in hohem Maße manipulationsanfällig sind.

Mindestens so umstritten wie der Morbi-RSA ist die Absicht von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die Krankenkassen in Zukunft den gleichen Regeln wie normale Wirtschaftsunternehmen zu unterwerfen und damit für gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle 250 Krankenkassen zu sorgen. Die Idee ist, dass Kassen in Zukunft Bilanzen nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) erstellen sollen und wie jedes Privatunternehmen Insolvenz anmelden müssen, wenn sie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten.

Beide Projekte bereiten massive Probleme: Müssten etwa die Ortskrankenkassen von heute auf morgen nach HGB bilanzieren, wären bis auf die AOK Baden-Württem-berg alle pleite, weil sie bislang keine Rückstellungen für die Altersversorgung ihrer beamtenähnlichen Dienstordnungsangestellten gebildet haben. Das AOK-System wäre auch nicht in der Lage, auf der Basis der noch geltenden Haftungsverpflichtungen innerhalb der jeweiligen Kassenart solche Insolvenzen aufzufangen, da es die dafür erforderlichen Summen gar nicht aufbringen könnte.

Die Kassen fordern daher lange Übergangsfristen von bis zu 30 Jahren. Ihr Argument: Ein neues Insolvenzrecht für die Krankenkassen müsse in erster Linie die Kassen vor Insolvenz schützen. Dies sei ja schließlich auch der Zweck des Insolvenzrechts für die Privatwirtschaft. Dies bedeute aber auch, dass sie genügend Zeit erhalten müssten, Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen zu bilden. Schließlich würde auch niemand auf die Idee kommen, die Bundesländer zu zwingen, die Pensionsansprüche ihrer Beamten in ihren laufenden Haushalten auszuweisen. Dann müssten nämlich auf einen Schlag sämtliche Bundesländer Konkurs anmelden.

Im Gesundheitsministerium wird derzeit an einem Referentenentwurf gearbeitet. Details wurden bislang nicht bekannt. Auch dieses Gesetz muss verabschiedet sein, bevor der Gesundheitsfonds starten kann. Das gilt auch für die Umsetzung der mit der Gesundheitsreform auf den Weg gebrachten Neuordnung der ärztlichen Vergütung und die Verabschiedung eines entsprechenden neuen einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die niedergelassenen Kassenärzte.

Hier ist die Selbstverwaltung am Zuge. Und sie hat bereits für unerfreuliche Schlagzeilen gesorgt: Anfang Juli feuerte die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) einen ihrer Geschäftsführer unter anderem deshalb, weil er bei den Verhandlungen über die neue Gebührenordnung allzu vehement und erfolgreich die Interessen der Hausärzte vertreten hatte. Ulrich Weigeldt, der Gefeuerte, sitzt inzwischen wieder dem Hausärzteverband vor und kämpft von dort aus weiter für die Hausmediziner.

Was die KBV bisher an Forderungen für die Honorarreform vorgelegt hat, würde die Ausgaben der Krankenkassen für die ärztliche Behandlung auf einen Schlag um 18 Milliarden Euro erhöhen. Dass dies nicht das letzte Wort bei den Verhandlungen mit den Kassen sein kann, sieht auch der verbliebene KBV-Chef, Andreas Köhler, ein. Jüngst deutete er an, die Kassenärzte könnten sich am Ende auch mit Honorarverbesserungen von drei Milliarden Euro begnügen.

Verhandlungsergebnisse bis Oktober erwartet

Bis zum Oktober sollen Krankenkassen und Kassenärzte ihre Verhandlungsergebnisse zur Honorarreform dem Gesundheitsministerium unterbreiten. Noch gehen alle Beteiligten davon aus, dass das komplizierte Unterfangen, den Medizinern in Zukunft feste Honorare in Euro statt der bislang mit der Leistungsmenge floatenden Vergütungen zu bieten, pünktlich mit dem Gesundheitsfonds 2009 in Kraft treten kann. Sicher ist das nicht.

Doch selbst wenn alle drei Projekte, RSA, neues Insolvenzrecht und Honorarreform, pünktlich abgeschlossen werden sollten, steht der Großen Koalition spätestens 2008 im Vorbundestagswahljahr die Debatte darüber ins Haus, mit welchem dann für alle Kassen einheitlichen Beitragssatz 2009 der Fonds starten soll. Diese Debatte wird umso aufgeheizter geführt werden, je stärker die Finanzen der Krankenkassen bis dahin aus dem Ruder laufen. Noch hilft den Krankenkassen die gute Konjunktur. Doch auch das muss, wie die aktuellen Turbulenzen nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA zeigen, nicht so bleiben.

Auf dem Weg zur Umsetzung des umstrittenen Fonds liegen also noch genügend Stolpersteine, die am Ende dazu führen könnten, dass ihn erst die nächste Bundesregierung in die Tat umsetzen muss oder genau darauf als eine ihrer ersten Amtshandlungen verzichten wird.

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