Eine Chance, den Mit-Arbeiter zum Mit-Unternehmer zu machen

Finanzierung per Mitarbeiterbeteiligung

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  • 01.03.2007

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 3/2007

Die Mitarbeiterbeteiligung ersetzt zwar nicht den Börsengang oder den Bankkredit, doch sie stärkt die Eigenkapitalquote eines Betriebes. Vor allem aber ist sie Ausdruck einer bestimmten, den Erfolg begründenden Unternehmenskultur. Es sind die intern transparenten und kommunikativen Häuser mit der flachen Hierarchie, welche ihre Mit-Arbeiter zu Mit-Unternehmern machen.

Herr Dr. Beyer, es gibt vielfältige, klassische Wege, ein Unternehmen zu finanzieren, wie den Börsengang oder den Sparkassenkredit. Ist die Mitarbeiterbeteiligung eine vollwertige Alternative zu den Klassikern?

Beyer: Ganz ohne die klassischen Finanzierungsinstrumente wird kaum ein Unternehmen auskommen. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann aber wesentlich dazu beitragen, die Eigenkapitalbasis zu stärken und so den Spielraum für die Fremdfinanzierung deutlich zu erhöhen. Zudem verbessert eine höhere Eigenkapitalquote das Rating und die Bonität bei den Banken, was wiederum zusätzliche Refinanzierungsfreiräume schafft. Es gibt außerdem die Möglichkeit, eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung als Fremdkapitalbeteiligung einzuführen („Mitarbeiterdarlehen“), wodurch externes Fremdkapital ersetzt werden kann.

Wie viele Unternehmen in Deutschland beteiligen ihre Mitarbeiter?

Beyer: Wir gehen von etwa 3750 Unternehmen mit mehr als zwei Millionen Mitarbeitern aus. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg (IAB) hat mit Hilfe seines Betriebspanels zwei Prozent der Betriebe in Deutschland mit Kapitalbeteiligungen ausgemacht. Das sind mehr als 140000. Etwa neun Prozent der Unternehmen beteiligen ihre Miarbeiter am Gewinn oder am Erfolg.

Ist die Mitarbeiterbeteiligung hierzulande unterentwickelt?

Beyer: Eindeutig ja. In Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Irland oder Großbritannien haben wir deutlich mehr Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung.

Unternehmen welcher Größe oder welcher Branche sind vor allem geeignet, sich gegenüber den Mitarbeitern zu öffnen?

Beyer: Mitarbeiterbeteiligung ist das Erfolgskonzept für den Mittelstand sowie für innovative und dynamische Unternehmen. Hier finden wir überschaubare Strukturen und eine Vielzahl von Beteiligungsmodellen, die ein wichtiges Merkmal der Unternehmensführung sind. Generell gibt es für die Einführung von Beteiligungsmodellen keine Größen- und Branchen-beschränkungen.

Welche Formen der Mitarbeiterbeteiligung gibt es?

Beyer: Wir unterscheiden zunächst die Gewinnbeteiligung und die Kapitalbeteiligung. Bei der Gewinnbeteiligung wird ein zusätzlicher Bonus entsprechend der Geschäftsentwicklung an die Mitarbeiter ausgezahlt. Bei der Kapitalbeteiligung haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, eigenes Geld, Bonus- und Sonderzahlungen und andere Mittel im eigenen Unternehmen anzulegen – als Fremdkapital oder als Eigenkapital.

Darüber hinaus ist Mitarbeiterbeteiligung in vielen Unternehmen Ausdruck und Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, von Transparenz, offensiver Information und Kommunikation. Sie ist verbunden mit dezentralen Organisationsstrukturen. Es geht um immaterielle Faktoren. Das ist Unternehmenskultur.

Sie sprechen die Unternehmenskultur an. Diese ist ein Erfolgsfaktor eines Unternehmens, die Finanzierung ein anderer. Welcher ist wichtiger?

Beyer: Die Unternehmenskultur wird in ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens deutlich unterschätzt. Erfolgreiche Unternehmen schaffen sich durch eine partnerschaftliche Unternehmenskultur zugleich die Voraussetzungen für eine optimale Finanzierung ihres Wachstums – indem sie sich mit motivierten, engagierten und vor allem veränderungsbereiten Mitarbeitern im Wettbewerb besser behaupten als die Konkurrenz.

Wie verändert die Mitarbeiterbeteiligung die Unternehmenskultur?

Beyer: Das IAB hat etwa 20 empirische Untersuchungen der vergangenen Jahre zu den Produktivitätseffekten der Mitarbeiterbeteiligung ausgewertet: In allen Studien wird eindeutig eine höhere Produktivität von Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung festgestellt – teilweise um bis zu 20 Prozent. Auch bei den „weichen“ Effekten wie Krankenstand, Fluktuation, Bindung qualifizierter Mitarbeiter oder Innovationstätigkeit wissen wir aufgrund eigener Erfahrung und eigener Umfragen, dass Beteiligungsunternehmen hier deutlich vorn liegen. Besonders mittelständische Unternehmen mit hochqualifizierten Mitarbeitern setzen auf die Bindungskraft einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur, wenn es darum geht, diese Mitarbeiter zu halten und nicht an die Großindustrie zu verlieren.

Und all diese Erfolge erleichtern dem Unternehmen wiederum die Kapitalbeschaffung?

Beyer: Natürlich – jeder Banker und jeder Investor schaut ja nicht nur auf die Zahlen eines Unternehmens, sondern insbesondere auch auf die Leistungsfähigkeit, die Innovationskraft und die Unternehmenskultur. Dies alles wird durch Mitarbeiterbeteiligung positiv beeinflusst und stärkt somit die Fähigkeit zur Refinanzierung.

Wenn die Mitarbeiterbeteiligung solche Erfolge zeitigt, warum hat dann die AGP in den 57 Jahren ihres Bestehens nicht noch mehr Unternehmer und Belegschaften, aber auch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften von dem Konzept überzeugt?

Beyer: Mitarbeiterbeteiligung ist ein unternehmerisches Führungskonzept, das auf das Engagement und die Leistungs und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter setzt und diese am Erfolg und am Kapital des eigenen Unternehmens beteiligt. Noch immer fürchten viele Unternehmer aber, dass

Mitarbeiterbeteiligung ihren Entscheidungsspielraum einengen könnte – eine völlig unbegründete Sorge, weil jedes Beteiligungsmodell an die Ziele und Wünsche des Unternehmens und des Unternehmers angepasst werden kann. Auch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften scheinen oftmals noch in den Denkmustern der Vergangenheit gefangen: Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter warnen vor einem „doppelten Risiko“ für die beteiligten Arbeitnehmer. Diese könnten im Falle der Insolvenz ihres Unternehmens nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihr Beteiligungskapital verlieren.

Arbeitgeber dagegen sehen den „Herr-im-Hause-Standpunkt“ gefährdet, wenn Mitarbeiter infolge einer Beteiligung Informations- und Mitbestimmungsrechte eines Gläubigers oder gar Gesellschafters bekommen. Beide Einwände können leicht entkräftet werden.

Wird die Große Koalition der Mitarbeiterbeteiligung zum Durchbruch verhelfen, oder braucht es weitere 57 Jahre?

Beyer: Es sind zwei Entwicklungen, die der Mitarbeiterbeteiligung zum Durchbruch verhelfen werden: Die Große Koalition wird die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine bessere Förderung der Mitarbeiterbeteiligung schaffen – das ist erklärter Wille von CDU/CSU und SPD. Maßgebliche Persönlichkeiten bis hin zur Kanzlerin haben sich in diesem Sinne vielfach geäußert. Und dies wird einen deutlichen Schub für neue Modelle auf betrieblicher Ebene bringen – wie wir es auch aus anderen Ländern kennen.

Wichtiger ist vielleicht jedoch: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln ändern sich derzeit dramatisch und können mit den Stichworten Internationalisierung und Globalisierung umschrieben werden. Das bedeutet, nur diejenigen Unternehmen werden langfristig erfolgreich sein, die einen Prozess der permanenten Innovation und Veränderung in ihren Betrieben etablieren können. Und das gelingt nicht ohne Mitarbeiterbeteiligung.

Das Interview führte Corinne Ludwig.

Dr. Heinrich Beyer ist Geschäftsführer der AGP e.V. Sie ist mit rund 300 Mitgliedsunternehmen die einzige Organisation in Deutschland, die sich ausschließlich für die Mitarbeiterbeteiligung einsetzt. Grundlage ihrer Tätigkeit ist die Überzeugung, dass von einer gelebten Partnerschaft Gesellschafter, Geschäftsführer und Mitarbeiter gleichermaßen profitieren können.
 

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