Medizinische Versorgung und militärische Einsätze – das Feldlazarett von ehedem avanciert heute zur mobilen Versorgungseinheit für den weltweiten Einsatz. Mit ihrer Hightechausstattung unterstützt die Bundeswehr auch zivile Hilfsorganisationen beim Einsatz im Inland.
Seit den 1990er-Jahren engagiert sich die deutsche Bundeswehr verstärkt bei internationalen Einsätzen im Ausland. Damals entwickelte und etablierte der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr das Konzept der Modularen Sanitätseinrichtungen (MSE) – einer Kombination aus Zeltelementen und Funktions-Containern. „Ziel der MSE ist es, eine medizinische Erst- und Weiterversorgung unter Einsatzbedingungen bereitzustellen, die gleichzeitig die hohen Standards der in Deutschland üblichen Sanitätsversorgung erfüllt", erklärt Oberstleutnant Michael Zacher, Pressestabsoffizier und Leiter der Informationsarbeit beim Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung der Bundeswehr.
Die größte mobile Sanitätseinrichtung – das Einsatzlazarett – verfügt über Fähigkeiten für die Patientenversorgung, die zum Teil über denen eines deutschen Kreiskrankenhauses liegen. Einsatzlazarette bilden ein breites medizinisches Spektrum ab. Es reicht von der klinischen Akutversorgung über fachärztliche Leistungen bis hin zu größeren Operationen.
Dafür stehen nahezu alle aus hiesigen Kliniken gewohnten Versorgungseinheiten bereit. Das Herzstück besteht aus einer Notaufnahme und zwei Operationssälen. Dazu kommen je eine Intensiv- und Bettenstation. Eine Röntgenabteilung mit einem Computertomografie- Gerät komplettiert diese Ausstattung. Daneben gibt es eine Reihe fachärztlicher Ambulanzen – darunter Zahnmedizin, Chirurgie, Augenheilkunde und Dermatologie sowie für die Bereiche Neurologie und Psychiatrie. „Überdies hält das Einsatzlazarett ergänzende Einheiten vor – wie eine Apotheke und ein Labor für unter anderem klinisch-chemische und mikrobiologische Untersuchungen sogar für veterinärmedizinische Fragen", beschreibt Zacher das Gesamtbild.
Doch diese medizinischen Einheiten alleine machen noch keine funktionsfähige, mobile Klinik aus. Im Gegensatz zum Kreiskrankenhaus muss ein Einsatzlazarett seine infrastrukturelle Versorgung beispielsweise mit Elektrizität mitbringen und selbstständig sicherstellen. Dazu stehen rund um die Uhr acht dieselbetriebene Energieversorgungs-Container bereit.
Einsätze von Phnom Penh bis Mazar-i-Sharif
Alle Komponenten der Einsatzlazarette können sich als mobile Container- und Zeltmodule den jeweiligen Einsatzerfordernissen anpassen. Dazu werden die Einzelteile wie in einem Baukasten bedarfsgerecht zusammengestellt. In der Vollausstattung besteht ein Einsatzlazarett aus bis zu 54 Containern und 37 Zelteinheiten. „Dass der Aufbau eines Einsatzlazaretts weltweit und in kürzester Zeit eine besondere logistische Herausforderung darstellt, versteht sich von selbst", fasst Zacher zusammen. Zum Transport und Aufbau bedarf es 16 Container-Transportfahrzeuge mit elf Anhängern zuzüglich eines 120-Tonnen-Krans. Dauert der Einsatz über längere Zeit, ersetzt eine feste infrastrukturelle Unterbringung das modulare Konzept.
Bei schwerwiegenden oder langwierigen Krankheiten und Verletzungen werden die betroffenen Soldaten auf dem Luftweg in ein Bundeswehrkrankenhaus in Deutschland zur klinischen Folgeversorgung zurückverlegt. Zacher ergänzt: „Hier übermitteln wir wichtige Daten per telemedizinischer Infrastruktur, um eine nahtlose Rettungskette an die Ärzte-Teams in der Heimat zu gewährleisten."
Das „Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung" mit Sitz in Weißenfels in Sachsen-Anhalt ist verantwortlich für die sogenannten „Truppenstelleraufgaben" für den Einsatz des Zentralen Sanitätsdienstes. Zu seinen Aufgaben zählen zudem die Zusammenarbeit mit zivilen Organisationen und die sanitätsdienstliche Übungsunterstützung.
Seit Mai 1992 waren die mobilen Lazarette weltweit an sieben verschiedenen Standorten und in unterschiedlichen Konfigurationen im Einsatz – als Zeltbetrieb, im kombinierten Zelt-Container-Aufbau oder als feste Infrastrukturlösung. Die Beispiele reichen von der Friedensmission der Vereinten Nationen 1992 in Kambodscha bis zum Blauhelmeinsatz in Somalia in den Jahren 1993 und 1994. Dazu kamen Einsätze im ehemaligen Jugoslawien – teilweise gemeinsam mit französischen Einheiten – und zuletzt die Mission ab dem Jahr 2002 in Kabul und Mazar-i-Sharif in Afghanistan.
Mit ihren modularen Sanitätseinrichtungen ist die Bundeswehr nach einem sogenannten Amtshilfeantrag auch im Inland aktiv. Dabei arbeitet der Sanitätsdienst der Bundeswehr mit zivilen Hilfsorganisationen und anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen zusammen.
Aktuell hilft der militärische Sanitätsdienst der Kinderklinik im nordrhein-westfälischen Siegen. Nach einem Wasserschaden musste das Krankenhaus seinen OP-Bereich schließen. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr baute dort ein mobiles OP-Zentrum auf, das hilft, die Zeit bis zum Abschluss der Sanierungsmaßnahmen zu überbrücken. Auch beim Gipfel der G7-Staaten Anfang Juni 2015 im oberbayerischen Elmau beteiligt sich der Sanitätsdienst der Bundeswehr. Er unterstützt das Bayerische Rote Kreuz bei der medizinischen Versorgung der Einsatzkräfte.
Bundeswehr als Einkäufer
Die Bundeswehr ist in Deutschland ein wichtiger Abnehmer für medizinische Produkte und Technologien. In der Notfallausstattung finden sich die zahlenmäßig größten Posten: Beatmungsgeräte, Defibrillatoren, Patientenmonitore. Die meisten Kosten für Investitionen und Instandhaltung fallen für bildgebende Verfahren an, also Röntgengeräte und Computertomografen. Seit 2013 erfolgt die Beschaffung im Wesentlichen zentral über das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Kob lenz. Es hat Artikel standardisiert und Bedarfe gebündelt. Damit will die Bundeswehr wirtschaftlicher einkaufen. Die Ausgaben für die medizinischen Produkte verteilen sich im Verteidigungshaushalt auf verschiedene Titel. So wurden für die Beschaffung von Sanitätsgerät 2014 etwa 67,7 Millionen Euro ausgegeben. Darunter befinden sich auch die Kosten für Nichtverbrauchsgüter. Für Arzneimittel wurden 113,6 Millionen Euro fällig. Nur ein kleiner Teil davon betrifft Einmalartikel, Verbandmaterial und Hilfsmittel. Bei den Produkten, die die Bundeswehr nutzt, handelt es sich zum ganz überwiegenden Teil um handelsübliche Ware. Nur selten werden Anpassungen vorgenommen. Beispiele sind fest eingebaute Geräte in modularen Sanitätseinrichtungen. Röntgengeräte haben hier zum Beispiel ein verkürztes Stativ, OP-Leuchten einen verkürzten Schwenkarm, Computertomografen sind fest eingebaut. Die Bundeswehr ist bei ihren Anschaffungen dem Standort Deutschland weitestgehend treu. Deutsche Hersteller seien im Bereich Medizintechnik weltweit führend und deshalb auch überwiegend als Ausstatter des Sanitätsdienstes vertreten, heißt es bei der Bundeswehr. Bei nicht aktiven Medizinprodukten könne nahezu der gesamte Bedarf von deutschen Herstellern gedeckt werden. Nur Brillengläser für Spezialanwendungen stellt die Bundeswehr selbst her, zum Beispiel für ABC-Schutzmasken.