Wie sich der Anerkennungsprozess zum Magnetkrankenhaus erfolgreich gestalten lässt. Ergebnisse einer Expertenbefragung.
Die Zertifizierung als Magnetkrankenhaus durch das American Nurses Credentialing Center (ANCC) gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Zwar hat bundesweit bislang noch keine Gesundheitseinrichtung den Magnet-Status erlangt. Allerdings machen sich immer mehr Kliniken auf den Weg zu mehr Exzellenz in der Pflege – jüngst beispielsweise das Universitätsklinikum Bonn. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit interviewte die Autorin Experten aus fünf von insgesamt 20 Kliniken, die in Deutschland an der EU-weiten Interventionsstudie Magnet4Europe teilnehmen.
Die Kriterien der ANCC für die Magnetakkreditierung nehmen die befragten Experten als sehr anspruchsvoll wahr. Um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zertifizierung zu schaffen, sind tiefgreifende Veränderungen von Strukturen und Prozessen erforderlich. Eine einheitliche Umsetzungsstrategie gibt es dabei nicht. Ziel ist, die Veränderungen dauerhaft in den Arbeitsalltag zu integrieren. Diese sind von allen Beschäftigten aktiv umzusetzen.
Herausforderungen
Rolle der Führungskräfte. Dabei stellt jedoch die Übertragung auf die gesamte Gesundheitseinrichtung unter Einbezug aller Berufsgruppen eine Herausforderung dar. Zudem stehen einige Mitarbeiter in den Kliniken der Befragten dem US-amerikanischen Konzept kritisch gegenüber und müssen zunächst überzeugt werden. Wichtig ist, unter den Mitarbeitern nicht das Gefühl entstehen zu lassen, etwas Amerikanisches werde „übergestülpt“, das wertvolle Ressourcen verschwendet. Auf die Führungskräfte kommt in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle zu, da sie als Vorbilder agieren sollten und deutlich kommunizieren müssen, weshalb Veränderungen erforderlich sind.
Stellenwert der Pflege. Deutschland und die USA unterscheiden sich nicht nur in ihrem Gesundheitssystem, sondern auch in kulturellen und strukturellen Aspekten, die sich auf die Implementierung auswirken können. Dazu gehören Unterschiede in der Arbeitskultur und der Pflegepraxis. Nach Ansicht der Experten genießt die Pflege in den USA einen höheren Stellenwert als in Deutschland. Daher sollten die Wertschätzung für Pflegekräfte in Deutschland weiter gestärkt und ihre Einbindung in organisatorische Entscheidungen verbessert werden. Des Weiteren betonten die Experten, dass in den USA mehr Transparenz herrscht und dort – im Gegensatz zu Deutschland – erreichte Ziele und Fortschritte angemessen gefeiert und gewürdigt werden.
Akademisierung und Unterstützung. Daneben gibt es noch zwei weitere große Hürden, die einer erfolgreichen Zertifizierung im Weg stehen und nach Expertenmeinung nicht so schnell zu überwinden sind: die Akademisierung in der Pflege und in Pflegeleitungsfunktionen sowie das Fehlen eines Benchmarksystems in Deutschland. Erste Bewältigungsstrategien sind bereits im Einsatz, darunter Unterstützungsangebote für Pflegekräfte, die eine akademische Qualifikation anstreben. Beispielsweise steht diesen während ihres Studiums die Wahl zwischen finanzieller Unterstützung oder einem Zeitausgleich offen. Darüber hinaus wird darauf geachtet, die Unterstützungsangebote den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter anzupassen und kontinuierlich auszuweiten.
Etablierung eines nationalen Benchmarksystems. Im Frühjahr 2022 haben fünf Initiativkliniken – Deutsches Herzzentrum Berlin, BG Klinikum Bergmanntrost Halle, Universitäts- und Rehabilitationsklinik Ulm, Kreiskliniken Reutlingen, Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide – gemeinsam mit dem BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit die Benchmarkinitiative Pflege (B·IN Pflege) ins Leben gerufen, um ein nationales Benchmarksystem in Deutschland zu etablieren. Alle Kliniken, unabhängig davon, ob sie ein Magnetkrankenhaus werden möchten, können sich daran beteiligen. Ziel ist, die Pflegequalität mittels quartalsweiser Erhebung pflegespezifischer Indikatoren sowie regelmäßiger Mitarbeitenden- und Patientenbefragungen zu messen und vergleichend zu bewerten.
Erste Erfolge
Trotz der Herausforderungen und des noch bevorstehenden Weges bis zur vollständigen Magnetzertifizierung sind die Experten überzeugt, dass eine erfolgreiche Zertifizierung in Deutschland möglich ist. Was sie weiterhin motiviert, an diesem Vorhaben festzuhalten, sind die bereits erkennbaren positiven Auswirkungen, die sich mit Umsetzung kleiner Veränderungen zeigen. Vorteile daraus ziehen die Beschäftigten, die Patienten und die Gesundheitseinrichtung im Allgemeinen – beispielsweise im bewussteren Umgang mit Kennzahlen –, zeigen sich in den Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie in einem gesteigerten Bekanntheitsgrad.
Schlüsselkomponenten
Aus den Gesprächen mit den Experten wurden drei Schlüsselkomponenten identifiziert, die deutschen Kliniken dabei unterstützen können den Weg zum Magnetkrankenhaus erfolgreich zu beschreiten:
- eine transparente Kommunikationskultur,
- ein effektives Change-Management und
- die Vernetzung mit Best-Practice-Magnetkliniken.
Etablierung einer transparenten Kommunikationskultur. Eine transparente Kommunikation, die kontinuierlich erfolgt, bildet laut Expertenmeinungen die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung. Sie fördert das Vertrauen und gewährleistet, dass sich die Beschäftigten gut informiert und unterstützt fühlen. Die Kommunikation sollte nicht nur der Informationsvermittlung dienen, sondern auch den aktiven Austausch untereinander fördern, um jedem Mitarbeiter die Möglichkeit eines Feedback zu geben und eigene Ideen einzubringen. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Nutzung einer geeigneten Kommunikationsplattform, um alle Beschäftigten zu erreichen. Von Anfang an sollte sichergestellt werden, dass das Konzept des Magnetkrankenhauses für alle erlebbar und erfassbar ist. Dabei können anschauliche Formate unterstützen, wie Bilder, Videos, Workshops und Informationsveranstaltungen. Dies kann dazu beitragen, eine höhere Akzeptanz und Motivation unter den Mitarbeitenden zu erreichen.
Implementierung eines effektiven Change-Managements. Effektives Changemanagement kann unterstützend wirken, um die erforderlichen Veränderungsprozesse auf dem Weg zur Magnetzertifizierung erfolgreich zu bewältigen. Dieser Ansatz trägt dazu bei, die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen und sicherzustellen, dass langfristige Ziele erreicht werden. Dabei ist entscheidend, Veränderungen im Voraus sorgfältig zu planen und schrittweise umzusetzen. Die Festlegung der Ziele sollte idealerweise unter Einbeziehung aller Beschäftigten erfolgen, denn für eine erfolgreichen Umsetzung müssen alle an einem Strang ziehen. So steigen Akzeptanz und Motivation der Mitarbeiter, wenn sie von Anfang an in den Planungs- und Umsetzungsprozessen eingebunden sind. Entscheidend ist hierbei, dass sich die Mitarbeitenden als Bestandteil des Veränderungsprozesses sehen und aktiv daran beteiligen. Darüber hinaus ist es wichtig, kleine Ziele zu setzen und Fortschritte zu würdigen, ganz nach dem Vorbild der USA. Geduld ist hierbei von großer Bedeutung, da Veränderungen Zeit benötigen. Rückschläge gehören ebenso dazu und sind gleichermaßen zu akzeptieren.
Des Weiteren trägt effektives Changemanagement dazu bei, alle Berufsgruppen in der Gesundheitseinrichtung darin zu unterstützen, mit Veränderungen angemessen umzugehen, um nicht in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Schulungen können diesen Wandel unterstützen und vermitteln den Mitarbeitenden das erforderliche Wissen und die notwendigen Kompetenzen.
Vernetzung mit Best-Practice-Magnetkliniken. Regelmäßiger Austausch mit bereits zertifizierten Magnetkliniken kann den Weg zur Magnetanerkennung erleichtern. Diese Erkenntnis basiert auf den Erfahrungen der befragten Experten während ihrer Teilnahme an der Magnet4Europe-Studie. Insbesondere erachteten die Experten das gegenseitige Lernen und den aktiven Austausch als förderlich, um von bewährten Praktiken zu profitieren. Dabei ist nicht zwingend erforderlich, dass die Zusammenarbeit ausschließlich mit bereits zertifizierten Magnetkliniken erfolgt, da auch der Zusammenschluss von Gesundheitseinrichtungen, die ebenfalls an der Magnetanerkennung interessiert sind, eine Bereicherung darstellen kann.
Gemeinsam stark
Die Zertifizierung zum Magnetkrankenhaus stellt eine herausfordernde Reise dar, die die Bereitschaft erfordert, bestehende Praktiken zu überdenken und neue innovative Ansätze zu verfolgen. Dabei kann dieser Weg nur gemeinsam im interprofessionellen Team bestritten werden, um eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu gestalten.
Arbeitsgruppe B·IN Pflege; BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit GmbH. (2022). Benchmarkinitiative Pflege Konzept 1.0. Im Internet: https://www.bqs.de/default-wAssets/docs/BI-N-Pflege_Konzept_v1-0_2022-11-02p.pdf