Orientierungswert

Personalkorridore statt -mindestzahlen

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Die Bundesregierung hat mit dem Gesetzentwurf zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zur Einführung verbindlicher Personaluntergrenzen vorgelegt. In einer Presseerklärung vom 5. April 2017 führt das Bundesgesundheitsministerium dazu aus:

„Die Bundesverbände der Krankenhäuser und Krankenkassen werden verpflichtet, Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhausbereichen festzulegen, in denen dies für die Patientensicherheit besonders notwendig ist, zum Beispiel auch mit Blick auf Intensivstationen oder die Besetzung im Nachtdienst. Zudem werden zum 1. Januar 2019 die Mittel des Pflegestellen-Förderprogramms in den Pflegezuschlag überführt. Damit werden die Krankenhäuser mit 830 Mio. Euro pro Jahr dabei unterstützt, dauerhaft mehr Personal zu beschäftigen. Außerdem können krankenhausindividuelle Zuschläge vereinbart werden, wenn durch die Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen Mehrkosten entstehen sollten, die nicht anderweitig finanziert werden. Mit diesen Regelungen wurden die Schlussfolgerungen aus der Expertenkommission 'Pflegepersonal im Krankenhaus' vom 7. März 2017 umgesetzt, die von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der Koalitionsfraktionen und der Bundesländer vorgelegt wurden. Ursprünglich waren die Arbeiten der Kommission bis Ende des Jahres 2017 vorgesehen. Damit liegen die Ergebnisse deutlich früher vor, als geplant."

Mit der Einführung der verbindlichen Personaluntergrenzen entwertet die Bundesregierung ohne Widerspruch der Opposition den lange geltenden Grundsatz von eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern. Auch für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser werden mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung psychiatrischer und psychosomatischer Leistungen (PsychVVG) künftig verbindliche Personalmindestbesetzungen vorgegeben. Die wesentlichen Kostenstrukturen werden in spätestens drei Jahren nicht mehr vom Krankenhaus, sondern von der Selbstverwaltung diktiert.

Die Tatsache, dass auch international keine wissenschaftlichen Belege für den direkten Zusammenhang zwischen der Zahl der Pflegekräfte und einer für den Patienten relevanten Verbesserung der Versorgungsqualität existieren, wurde bei der Entscheidung außer Acht gelassen. Man vertraut eher auf die lauten Rufe von Gewerkschaften und Pflegerat, die in generalstabsmäßig geplanten PR-Kampagnen den sofortigen Handlungsbedarf zur Abwendung der regelhaften und fast schon vorsätzlichen Patientenschädigung durch zu wenig Personal anklagen.

Was nun? Erstens scheint der eingeschlagene Weg für die nächsten Jahre politisch unumkehrbar. Also werden die Krankenhäuser zusätzliches Personal in der Pflege ausbilden, einsetzen und darauf hoffen, dass die zusätzlichen Kosten auch bezahlt werden. Wer die Personaluntergrenze reißt, dem drohen zunächst Vergütungsabschläge und danach vermutlich Bettenschließungen. Ein scharfes Schwert!

Zweitens bleibt zu hoffen, dass die Verhandler dieser Regelungen mit Augenmaß agieren: Nicht jedes Krankenhaus ist mit dem anderen vergleichbar. Unterschiede in Patientenstruktur, Organisation, baulicher und technischer Ausstattung, eine immer mehr an Bedeutung verlierende Personalzuordnung zu einzelnen Abteilungen und eine zunehmende sinnvolle Arbeitsteilung zwischen examinierten Pflegekräften und „helfenden Händen“ sprechen eher für „Personalkorridore“ statt für Personalmindestzahlen.

Und drittens müssen die Krankenhäuser die Zeit gut nutzen, um zu beweisen, dass die Einführung von immer neuen Strukturvorgaben in Form von Personalmindestzahlen nicht per se eine bessere Patientenversorgung gewährleisten. Wenn es wirklich um die Qualität der Patientenversorgung geht, muss diese mehrdimensional beim Patienten gemessen werden. Dazu gehören eben auch die medizinische Ergebnisqualität, die Patientensicherheit, die Patientenzufriedenheit, die Qualität der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und schlussendlich die Frage, ob sich der Patient nach der Behandlung besser fühlt als vorher.

Mit den Personaluntergrenzen besteht die Gefahr, dass wir in eine verkürzte Qualitätsdiskussion zurückfallen, die sich auf das „Zählen von Köpfen“ beschränkt. Für die Krankenhäuser führt deshalb an freiwilligen und weiterführenden Qualitätsinitiativen wie Qualitätskliniken.de und Initiative Qualitätsmedizin kein Weg vorbei. Sie veranstalten am 18. und 19. Mai. 2017 ihren jährlichen SIQ-Qualitätskongress in Berlin, eigentlich eine gute Gelegenheit für Krankenhausverantwortliche, das Thema Qualität in einen größeren Zusammenhang zu stellen.

Autor

 Thomas Bublitz

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