Tarifeinheitsgesetz

Unterschiedliche Auslegung des Karlsruher Urteils

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Unterschiedliche Auslegung des Karlsruher Urteils

Der gestrige Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sorgt für höchst unterschiedliche Interpretationen. So erklärte die Ministerin auf ihrer Internetseite, dass die Entscheidung ihren Kurs bestätige. „Zu Detailfragen des Gesetzes hat das Bundesverfassungsgericht verbindliche Auflagen und Vorgaben gemacht, die eine hinreichende Berücksichtigung der Berufsgruppen strukturell sicherstellen sollen. Diese werden die Anwendung des Tarifeinheitsgrundsatzes in der Praxis erleichtern“, schreibt Nahles. 

Anders die Sicht der Opposition. Die Bundesregierung habe ein einseitiges Gesetz vorgelegt, das die großen Gewerkschaften bevorteile, aber die Berufsgewerkschaften nicht ausreichend schütze, heißt es in einer Pressemitteilung von Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag für Arbeitnehmerrechte. „Die Bundesregierung muss also wieder einmal gesetzlich nacharbeiten und das Gesetz zu Gunsten der Berufsgewerkschaften überarbeiten“, stellt Müller-Gemmeke fest. Ihre Fraktion begrüße das. Künftig seien Gerichte dafür zuständig, dass das Tarifeinheitsgesetz auch tatsächlich verfassungsgemäß ausgelegt werde. „Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, denn sie hätte das selber gesetzlich regeln müssen. Jetzt drohen vielfältige Gerichtsverhandlungen und unterschiedliche Urteile.“ Im besten Falle werde das Urteil aus Karlsruhe aufgrund der vielen Hürden dazu führen, dass das Tarifeinheitsgesetz einfach ins Leere laufe. „Und das wäre ein echter Erfolg für die Koalitionsfreiheit.“ 

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery warnte Ministerin Nahles, sie solle nicht glauben, sich nach dem Urteil entspannt in den Sommerurlaub verabschieden zu können. „Karlsruhe hat die Regierung zum Nachsitzen verdonnert und Änderungen an dem Gesetz verlangt. Nach dem Urteil steht fest: So wie das Gesetz jetzt ausgestaltet ist, kann es nicht bleiben.“ Die Regelungen seien nicht nur schlecht für die betroffenen Beschäftigten. „Was den ärztlichen Bereich angeht, schlagen sie auch voll auf die Patientenversorgung durch“, argumentierte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK). Wenn den Ärzten die Möglichkeit fehle, wirksam für angemessene Arbeitsbedingungen zu streiten, bleibe das nicht ohne Folgen für die Versorgung. „Wir hätten uns eine völlige Aufhebung dieses in jeglicher Hinsicht schädlichen Gesetzes gewünscht“, teilte Montgomery mit.  

„Das Urteil darf nicht dazu führen, dass sich die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte in Kliniken verschlechtern“, mahnte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt. Es komme nun darauf an sicherzustellen, dass die spezifisch ärztlichen Interessen auch künftig in Tarifverträgen Berücksichtigung fänden. „Ich erwarte vom Gesetzgeber, dass er ein faires und unbürokratisches Verfahren für einen Interessenausgleich vorsieht, das die Tariffreiheit nicht untergräbt.“ Es sei mit Blick auf den sich jetzt bereits abzeichnenden Mangel an qualifiziertem ärztlichen Personal von immenser Bedeutung, die Arbeitsbedingungen an Kliniken attraktiv zu gestalten. „Dazu gehören neben angemessenen Gehältern vor allem auch Arbeitsbedingungen, die den berechtigten Ansprüchen der Kolleginnen und Kollegen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, planbare Arbeitszeiten und eine gute Weiterbildung gerecht werden.“

Rudolf Henke, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), hatte sich bereits am Dienstag kurz nach der Urteilsbegründung per Pressemitteilung zu Wort gemeldet. „Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat das Gesetz heute auf die Intensivstation gelegt und selbst schon mit der Intensivbehandlung begonnen“, lautete sein Fazit. BibliomedManager hat bereits am Dienstag die komplette MB-Pressemitteilung dokumentiert.

Autor

Dr. Stephan Balling

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