Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), hat auf dem 17. Nationalen DRG-Forum und dem 2. Nationalen Reha-Forum zu einer gesamtgesellschaftlichen Debatte über Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum aufgerufen. „Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge. Es ist eine gesellschaftspolitische Frage, welche Angebote wir uns leisten wollen.“ Deutschland brauche Antworten auf die Frage, wie attraktiv der ländliche Raum sein soll, wenn sich Menschen in diesen Gegenden abgehängt fühlten. Dazu gehöre auch die Frage, welche soziale Infrastruktur vor Ort angeboten werde. „Es reicht nicht aus, wenn dies allein DKG und GKV in der Selbstverwaltung diskutieren“, so Gaß. Konkret regte er an, den Strukturfonds nicht nur finanziell zu erweitern, sondern auch bezüglich seiner Zweckbindung. Gaß brachte auch die vom Sachverständigenrat Gesundheit vorgeschlagenen „regionalen Gesundheitszentren“ ins Spiel, die mehr seien als Praxiskliniken. Auch die Möglichkeiten der Digitalisierung sollten besser genutzt werden, um Angebote der Maximalversorgung in ländlichen Regionen verfügbar zu machen.
Zugleich warnte der DKG-Präsident vor einem weiteren Anwachsen von Bürokratie im Krankenhaus. Sein Verband stehe einer besseren Finanzierung der Pflege positiv gegenüber. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausgliederung der Pflege aus dem DRG-System sei jedoch mit dem Risiko kleinteiliger Vorschriften und weiterer Nachweisverpflichtungen behaftet. Offen sei zudem, wie unterschiedliche Skill-Mixe oder Prozessinnovationen in Kliniken berücksichtigt werden könnten. „Gibt es keine Alternative, das politische Ziel zu erreichen, ohne das DRG-System um die Pflege zu verringern?“, gab Gaß zu bedenken. „Grundsätzlich können wir uns auch vorstellen, dass man Lösungen findet, die sich auch im DRG-System abbilden lassen.“ Es gebe viele Elemente, die Fehlelemente ausgleichen könnten, beispielsweise Sicherstellungs- oder Zentrenzuschläge. Diese Ansätze hätten jedoch nie ihre volle Wirkung entfaltet, wie die Politik es eigentlich beabsichtigt habe.
An die anwesenden Gesundheitspolitiker aus den Fraktionen gerichtet kritisierte Gaß auch die Arbeit der Selbstverwaltung. „Die Selbstverwaltung neigt zu Detaillösungen, die im Ergebnis nicht immer dem politischen Ziel entsprechen.“ Ein gutes Beispiel sei die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung. In seinem Heimatland Rheinland-Pfalz seien in vier Jahren nur drei Anträge bewilligt worden. Ein Antragsverfahren in der Onkologie fülle 3.000 Seiten Papier.
Grundsätzlich fand Gaß lobende Worte für den Koalitionsvertrag, in dem sich keine „Vorwürfe und keine Kosten- und Leistungsdämpfungen“ fänden. „Im letzten Koalitionsvertrag las sich das noch anders“, so Gaß. „Wir fühlen uns ernstgenommen.“ Die Politik erkenne die Tatsache an, dass Kliniken bei Personal und Investitionen unterfinanziert seien. Für letzteres sei aber nach wie vor keine Lösung gefunden worden. Ein Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Krankenhaus müsse auch der Abbau von Kontrollen und Dokumentationen sein. „Die Kontrollwut hat ein Ausmaß genommen, das nichts mehr mit dem Aufdecken von Missständen zu tun hat. Das schreckt die Menschen ab, die gute Medizin und Pflege betreiben wollen.“