Es ist bereits viel über den sogenannten „Pflexit“ und dessen Implikationen publiziert worden. Viele Gesundheitsökonomen sind sich darin einig, dass dieser ein schwerwiegender Eingriff in das Fallpauschalensystem ist und als ordnungspolitischer Irrweg beurteilt werden kann. Dieser wird mit der aktuellen Diskussion um eine Ausweitung der Pflegepersonaluntergrenzen abermals befeuert.
Neben dem Rückfall der Pflegepersonalkosten in das Selbstkostendeckungsprinzip der 1990er Jahre führt der „Pflexit“ vor allem im Krankenhausbereich zu neuen Fehlanreizen: Möglichst viele Aufgaben werden der Pflege zugeordnet, außerdem werden Pflegekräfte, die derzeit in anderen Arbeitsbereichen eingesetzt sind, zum Beispiel als Case Manager oder als Überleitungspflege, in die Pflegepersonalkosten gerechnet, obwohl sie nicht „am Bett“ tätig sind. Pflegepersonaluntergrenzen verstärken zusätzlich diesen Trend.
Soweit bekannt. Aber es gibt noch einen weiteren, bedenklichen Effekt, der bis dato kaum diskutiert wird: Die Auswirkungen auf das Entlassmanagement beziehungsweise den Sozialdienst in den Kliniken. Gerade in diesem so wichtigen Bereich arbeiten in der Regel hoch qualifizierte Sozialarbeiter, die im Team mit Arzt, Pflege und Therapeuten den poststationären Versorgungsbedarf ermitteln und für ihre Patienten – im Anschluss an die stationäre Behandlung – eine passgenaue Nachsorge organisieren, sei es durch ambulante Pflegedienste, Kurzzeitpflege oder Rehabilitation etc. Darüber hinaus ist der Sozialdienst für die psychosoziale Beratung von Patienten und Angehörigen insbesondere im Hinblick auf die Zertifizierung onkologischer Zentren zwingend erforderlich. Das Entlassmanagement ist eines der zentralen Elemente einer qualitätsgesicherten, intersektoralen Versorgung der Patienten, um Versorgungslücken nach der stationären Behandlung besser schließen zu können.
Dies hat der Gesetzgeber nicht nur im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes erkannt, sondern auch das jüngst auf den Weg gebrachte Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz (RISG) betont unter anderem die Bedeutung der geriatrischen Rehabilitation und will einen besseren Zugang in diesem Bereich – gerade nach stationären Aufenthalten älterer Patienten – schaffen. Dies kann nur mit einem guten Entlassmanagement in den Kliniken gelingen. Hier scheint sich der Gesetzgeber mit seinen widersprüchlichen Regelungen leider jedoch selbst einen Streich zu spielen: Aufgrund des „Pflexit“ könnte für Kliniken der Anreiz entstehen, Sozialarbeiter durch Pflegekräfte zu ersetzen, die dann außerhalb der DRGs abgerechnet werden können, und somit die Refinanzierung zu sichern – wie es bereits schon partiell zu beobachten ist. Und das zu Lasten der Qualität des Kliniksozialdienstes: Dieser läuft Gefahr, hinten runter zu fallen.
Darüber hinaus wird das eigentliche Ziel, das auch mit der Konzertierten Aktion Pflege verfolgt wird, nämlich die Situation der Pflegenden in der direkten Patientenversorgung am Bett deutlich zu verbessern, ausgehöhlt. Eigentlich wird aber gerade durch die Stärkung und den Ausbau des Sozialdienstes das gesundheitspolitische Ziel einer - an den Behandlungsbedürfnissen des Patienten orientierten – optimierten und auch verweildauerverkürzenden Versorgung erreicht. Es werden darüber hinaus die Kliniken bestraft und im Wettbewerb benachteiligt, die im Sinne der Patienten eine interdisziplinäre Struktur implementiert haben und Sozialdienste auch mit Sozialarbeitern in ausreichender Anzahl besetzen.
Von daher zwingt sich der Gedanke auf, dass die Konsequenzen der politischen Vorgaben und neuen Anreizsysteme in ihren Auswirkungen nicht bis zu Ende gedacht wurden. Oder sollen sich nun auch die Sozialarbeiter, ebenso wie die Therapeuten, Ärzte und die sonstigen Gesundheitsfachberufe auf den Weg machen, um aus dem DRG-System „herausgerechnet“ zu werden? Fraglich ist dann bloß: Was kommt danach? Es wäre beinahe amüsant, wäre es nicht so traurig und ernst!