Herzinfarkt und Brustkrebs

AOK: Mehr Konzentration statt Gelegenheitsversorgung

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AOK: Mehr Konzentration statt Gelegenheitsversorgung
© Werner Krueper

Nach wie vor werden zu viele Patienten in Krankenhäusern versorgt, die dafür nicht adäquat ausgestattet sind. Das kritisierte die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, heute anlässlich der Präsentation des neuen Krankenhausreports (zum Download). Die im Krankenhaus behandelten Patientinnen und Patienten müssten sich darauf verlassen können, dass sie im Erkrankungsfall bestmöglich behandelt werden. Reimann fürchtet jedoch, dass dieses Ziel mit der Krankenhausreform verfehlt wird. 

„Die verbindliche Definition der Leistungsgruppen soll erst zu einem späteren Zeitpunkt in Rechtsverordnungen geregelt werden. Die Vorgaben, welche Klinik in Zukunft welche Leistungen erbringen darf, würden damit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben“, warnte Reimann. Die Finanzierungs- und Strukturreform dürften nicht entkoppelt werden. Vor allem die Länder seien in der Verantwortung, nur den Krankenhäusern Leistungen zuzuweisen, die die entsprechenden Mindestvorhaltezahlen erbringen.

Auf der Pressekonferenz präsentierte Christian Günster, Leiter der Qualitäts- und Versorgungsforschung im Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO), aktuelle Analysen, die zeigten, dass Patienten „tagtäglich mit Qualitätsproblemen konfrontiert sind".

9.400 Herzinfarktbehandlungen ohne Herzkatheterlabor

Beispiel 1: Die Versorgung des Herzinfarkts. Von den rund 191.000 Herzinfarkt-Fällen im Jahr 2022 in Deutschland demnach wurden 4,9 Prozent in Kliniken behandelt, die über kein Katheterlabor verfügten. Das Problem betraf rund 9.400 Herzinfarkt-Behandlungen. Von den 368 Kliniken, die weniger als 25 Fälle versorgt hatten, verfügte nur jede fünfte Klinik über ein Herzkatheterlabor.

Die Auswertung zeigt auch große Unterschiede zwischen den Ländern. Während im Saarland jeder neunte Herzinfarktfall in einer Klinik ohne Herzkatheterlabor behandelt wurde, sind in Hamburg fast alle Patienten in eine Klinik mit Herzkatheterlabor eingewiesen worden. In 80 Städten deutschlandweit seien Herzinfarkte in Kliniken ohne Herzkatheterlabor behandelt worden, obwohl im gleichen Ort ein Krankenhaus mit einem solchen Labor existierte, so Günster. Seine Schlussfolgerung: "Klare Vorgaben im Krankenhausplan zeigen Wirkung." So dürfe der Rettungsdienst in Hamburg nur Kliniken anfahren, die über ein Katheterlabor verfügen. 

Immerhin: Der Anteil der Herzinfarktbehandlungen in Kliniken ohne Katheterlabor sei seit 2018 deutlich gesunken. 2018 betraf dies noch jeden elften Herzinfarktpatienten, 2022 nur noch jeden 22. 

Brustkrebs: Große Unterschiede zwischen den Bundesländern

Beispiel 2: Brustkrebs, an dem jährlich 70.000 Frauen in Deutschland neu erkranken. Die Behandlung in einem zertifizierten Zentrum senkt die Sterblichkeit um 20 Prozent, so Günster. Laut der Auswertung verfügten 2022 aber 40 Prozent der an der Versorgung von Brustkrebs-Fällen beteiligten deutschen Kliniken nicht über ein Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) oder über eine vergleichbare Zertifizierung. Diese Krankenhäuser operierten etwa 13 Prozent der Brustkrebs-Fälle. „Somit wurden mehr als 9.000 Frauen mit Brustkrebs in Krankenhäusern behandelt, die dafür nicht optimal aufgestellt sind“, betonte Günster.

Zudem hatten 2022 insgesamt 95 an der Brustkrebs-Versorgung beteiligte Krankenhäuser (18 Prozent) weniger als 25 Brustkrebs-Fälle operiert. Die Empfehlungen der Fachgesellschaften sehen eigentlich eine Mindestzahl von hundert Operationen im Jahr vor. Auch hier gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen den Ländern. Während in Sachsen-Anhalt 2022 jede vierte Brustkrebs-OP in einer nicht-zertifizierten Klinik stattfand, waren es in Berlin nur 0,2 Prozent. 

Auch in diesem Bereich gab es zuletzt zwar Fortschritte. „Wenn wir im bisherigen Tempo weitermachen, würde es zwanzig Jahre dauern, bis alle Patientinnen und Patienten mit Krebs in zertifizierten Zentren behandelt werden“, warnt Günster.

Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), bezeichnete diese Sorge in einer Stellungnahme als "unbegründet", da seit 2024 gilt die Mindestmenge von 50 Brustkrebsoperationen gelte, die im nächsten Jahr auf 100 steigen wird. "Es wird also schon in diesem Jahr keine Krankenhausstandorte mit Gelegenheitsversorgung mehr geben", so Gaß. Die Wido-Zahlen zeigten zudem, dass mehr als 95 Prozent der Herzinfarktpatienten in einem Krankenhaus mit Katheterlabor behandelt werden. Nicht jeder Herzinfarkt sei selbst von einem hochqualifizierten Rettungsdienst sofort als solcher zu erkennen. "Wer glaubt, dass man eine Quote von 95 Prozent richtig zugewiesener Notfälle noch deutlich steigern kann und es sich deshalb um eine 'eklatante Fehlentwicklung' handelt, der glaubt auch, dass alle Gesundheitswissenschaftler, vor allem die eigenen, immer zu 100 Prozent richtig liegen", so Gaß.

Jochen Schmitt, Mitglied der Krankenhausreformkommission und des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege, sprach sich ebenfalls für eine schnelle Einführung der Leistungsgruppen aus. Er mahnte zudem eine sachliche Debatte an. Eine deutliche Reduktion der Klinikstandorte sei ohne größere Einschränkungen für die Patienten möglich, sagte er mit Blick auf die Diskussion um längere Fahrzeiten. Fast die Hälfte aller Krebspatienten würden in Kliniken versorgt, die nicht zertifiziert sind. Wenn alle dort behandelt würden, ließen sich pro Kalenderjahr 20.000 Lebensjahre retten, so Schmitt.

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