Welche Geschäftsmodelle Kliniken helfen können, diskutierte das Klinikmanagement in dieser Woche bei den Biersdorfer Krankenhausgesprächen. Helios-Chef Möller outete sich dort einmal mehr als Fan der Krankenhausreform.
Das stationäre Geschäft bröckelt, die Kosten steigen, die Erlöse sinken – und dazu eine Krankenhausreform mit zahlreichen Unbekannten: Alle Kliniken müssen ihre Strategie hinterfragen. Bei den Biersdorfer Krankenhausgesprächen gingen in dieser Woche rund 200 Entscheider in Klausur, um über neue Geschäftsmodelle zu beraten. Die Traditionsveranstaltung, die mittlerweile zum 44. Mal stattfand, ist für viele Klinikmanager ein Pflichttermin im Kongressjahr und gilt als guter Indikator für die Stimmung in den Führungsetagen deutscher Krankenhäuser.
Hinter schwarzen Zahlen stehen Verluste
Erste Erkenntnis des Tages: Die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser ist noch schlechter als eigentlich gedacht. Jens Thomsen, Geschäftsführender Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Solidaris, erläuterte, dass hinter vielen positiven Jahresabschlüssen oft Verluste stehen. Solidaris prüft jährlich über 200 Krankenhäuser, davon 75 Prozent Häuser in konfessioneller und 25 Prozent in öffentlicher Trägerschaft. Ohne Energiehilfen oder andere Effekte hätten viele Kliniken beträchtliche Defizite, so Thomsen. Er schätzt die kumulative preisbedingte Finanzierungslücke zwischen 2022 und 2025 auf rund zwölf Prozent. Ob es zu einer Insolvenzwelle kommt? Entscheidender Faktor seien die Träger und deren Bereitschaft, die finanziellen Löcher mit Zuschüssen zu stopfen – oder eben nicht. „Ohne zusätzliches Geld ist eine Ergebnisverbesserung kaum darstellbar“, schätzt Thomsen.
Helios setzt weiter auf Wachstum
Im Gegensatz dazu macht sich Helios-CEO Robert Möller keine Sorgen um die eigene Marge. Helios plant, in den kommenden Jahren um vier bis sechs Prozent jährlich zu wachsen und strebt eine EBIT-Marge von zehn bis zwölf Prozent bis 2027 an. „Der Gesundheitsmarkt ist interessant, spannend zuverlässig und attraktiv“, bekräftigte Möller. Er betonte einmal mehr, dass die viel gescholtene Krankenhausreform voll auf die Wachstumsstrategie von Europas größtem Krankenhausbetreiber einzahle. „Alles, was wir machen, findet sich in dieser Krankenhausreform wieder.“ Helios arbeitet bereits heute in einer Clusterstruktur, in der die unternehmenseigenen Kliniken die Versorgung der Patienten standortübergreifend koordinieren. Der Konzern hat zudem die Maßgabe ausgerufen, seine Kliniken nicht mehr von der Notfallversorgung abzumelden. Auch im ambulanten Markt sieht Möller großes Potenzial. Die konzerneigenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sollen noch enger mit den Krankenhäusern verzahnt werden, auch um die Einweisungen in die eigenen Häusern deutlich zu steigern. Alle Diskutanten waren sich einig, dass der Weg der Ambulantisierung richig, aber auch steinig ist. Bekanntlich schreiben Krankenhaus-MVZ vielerorts rote Zahlen. Sabine Anspach, Geschäftsführerin Unternehmensentwicklung bei der BBT-Gruppe, machte dafür auch die Personalkosten verantwortlich. Mit kirchlichen Gehältern sei es schwierig, kostendeckend im ambulanten Bereich zu arbeiten. Auch Möller sprach von einem "herausfordernden Geschäftsfeld".
Große Kliniken profitieren von der Reform
Thorsten Kehe, Vorsitzende der Geschäftsführung der Märkischen Gesundheitsholding in Lüdenscheid, erwartet Rückenwind durch die anstehenden Veränderungen. Das Unternehmen, das unter anderem zwei Krankenhäusern, ein MVZ und eine ambulante Reha-Klinik betreibt, setzt auf Kooperation und Spezialisierung. „Jeder neu gewonnenen Kooperationspartner erhöht unseren Deckungsbeitrag“, sagte Kehe, dessen Haus dieses Geschäftsjahr mit Verlusten abschließen wird. Um das Defizit abzubauen, setzt er zudem auf ein Bündel verschiedener Maßnahmen: weniger Betten, höhere Auslastung, gezielte Verlegungen zwischen den Häusern und schlankere Strukturen. Kehe lobte zudem die neue Krankenhausplanung in NRW, die großen Häusern wie seinem helfen werde.
BBT-Gruppe will agiler werden
Die BBT-Gruppe, einer der größten christlichen Klinikträger Deutschlands, fokussiert sich nicht nur auf neue Geschäftsmodelle, sondern auch auf eine neue Unternehmenskultur. Die Zeit der Fünf-Jahres-Pläne und der gut kalkulierbaren DRG-Welt ist laut Sabine Anspach vorbei. Anstatt auf die Politik zu hoffen, orientiert sie sich an dem Motto von Mutter Terea: "Tu’s trotzdem.“ Die BBT-Gruppe will einen umfassenden Veränderungsprozess starten, um Hierarchien abzubauen und agiler zu werden. Um die Kooperation mit anderen Trägern zu erleichtern, hat die BBT-Gruppe zudem ihre Gesellschafterstruktur angepasst, berichtete Anspach.
Ein weiterer entscheidener Faktor wird nach Einschätzung der Diskutanten die Eröhung der Produktivität im Krankenhaus sein. In der Abschlussdiskussion äußerte sich jedoch auch eine gewisse Ratlosigkeit über die derzeitige Situation. "Wir haben so viel Personal wie nie zuvor, so wenige Patienten wie nie zuvor, aber auch einen so hohen Krankheitsstand wie nie zuvor", kritisierte einer der Diskutanten. Solidaris-Manager Thomsen sprach von einem regelrechten "Produktivitätseinbruch" und forderte eine neue Debatte über die Leistungsbereitschaft insbesondere der jüngeren Generation.