In der vertragsärztlichen Versorgung gilt das Prinzip der Selbstverwaltung, soll heißen, die Ärzteschaft verwaltet sich über die Institution der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu weiten Teilen selbst. Dem immanent ist die Schlussfolgerung, dass diejenigen, die in den KVen das Sagen haben, maßgeblich auch über politisches Auftreten entscheiden. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, wie wenig Aufmerksamkeit die aktuell laufenden oder sich in der Vorbereitung findenden KV-Wahlen bekommen – teils sogar innerhalb der KV-Welt selbst.
Angesichts der deutlichen Veränderungen, von denen die ambulanten Strukturen seit der letzten Wahl 2016 erfasst wurden, steht natürlich ganz oben die Frage, ob und inwieweit der stark gestiegene Anteil angestellter Ärzte in Praxis, BAG und MVZ, die fast alle auch KV-Mitglieder und damit Wähler sind, das Wahlergebnis beeinflusst. Die typische Wahlbeteiligung bei KV-Wahlen liegen bei ausbaufähigen 40 bis 50 Prozent. Wagt man hier das Gedankenexperiment und stellt sich vor, dass dementgegen von den knapp 33 Prozent angestellten Ärzten alle wählen würden: Der Veränderungsdruck auf das KV-System würde unweigerlich steigen.
Nur … angestellte Ärzte sind nicht unbedingt eine leichte Wählerklientel. Vielfach fehlt es an Wissen oder Interesse daran (oder an beidem), wie sehr die regionale KV auch den Arbeitsrahmen der angestellten Ärzte beeinflusst. Und wie groß die Möglichkeiten andersherum sind, auch als angestellter Arzt in das System zurückzuwirken – etwa über die Mitarbeit in den zahlreichen Kommissionen und Ausschüssen. Denn Selbstverwaltung ist ein Privileg, dass von allen Ärzten auch als solchen verstanden werden sollte.
Leider sind es immer noch oft die KVen selbst, die mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit die angestellten Ärzte tendenziell ausgrenzen und in dem Zwiespalt agieren, einerseits ohne angestellte Ärzte die Versorgung nicht mehr aufrecht halten zu können, andererseits aber gar nicht zu wollen, dass diese Gruppe auch in den KV-Parlamenten präsent ist. Es gibt positive Ausnahmen, wie zum Beispiel Bremen, Rheinland-Pfalz oder Berlin. Daher kommt auch den arbeitgebenden Praxen und MVZ der Ärzte eine entscheidende Rolle zu. Die Wahrnehmung demokratischer Rechte braucht zuallererst Wissen, und im Falle abhängig Beschäftigter hilft zudem das Gefühl, dass Wählen und Engagement auch vom Chef gern gesehen wird.
Informationen möglichst leicht zugänglich und inhaltlich barrierearm aufzubereiten, ist keine Paradedisziplin der KVen: Warum ist wählen wichtig? Wie geht das überhaupt? Und gibt es zwischen den KVen Unterschiede? Um das mal abzukürzen: Ja, gibt es – und wie! 17 Wahlen– aber kaum zwei gleiche Regularien. Daher wurde vom BMVZ das Projekt www.kv-wahlen-2022.de aufgesetzt. Als niederschwellige Informationsquelle für angestellte Ärzte und ihre Arbeitgeber und für alle, die einmal wissen wollen, wie verschieden es die KVen mal wieder schaffen, über ihre Wahlordnungen ein und dieselbe SGB-V-Vorschrift – nennen wir es mal: divers – auszulegen.