Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob das ausnahmslose Verbot ärztlicher Zwangsmaßnahmen bei betreuten Menschen außerhalb von Krankenhäusern mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Thema betreffe einen der "grundrechtssensibelsten Bereiche des Erwachsenenschutzes", sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth zu Beginn der Verhandlung in Karlsruhe. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
Das höchste deutsche Gericht hatte 2016 entschieden, dass der Staat Menschen nicht sich selbst überlassen darf, die zum Beispiel wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkennen und danach handeln können. Der Gesetzgeber müsse unter strengen Voraussetzungen eine ärztliche Behandlung als letztes Mittel auch gegen den Willen der Betroffenen vorsehen.
Harbarth machte deutlich, dass dabei zum einen ein angemessener Schutz der Betreuten sichergestellt sein müsse, andererseits aber nicht unverhältnismäßig in ihre Freiheitsrechte eingegriffen werden dürfe. "In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die gesetzgeberische Entscheidung, an welchem Ort – oder an welchen Orten – ärztliche Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden können", sagte der Vorsitzende des Ersten Senats.
Laut der geltenden Rechtslage dürfen solche Zwangsmaßnahmen derzeit nur in Krankenhäusern durchgeführt werden, nicht aber in spezialisierten ambulanten Zentren, in Pflegeheimen oder im häuslichen Umfeld. Das gilt auch, wenn Betroffene durch den Transport ins Krankenhaus gesundheitlich beeinträchtigt werden – wie im konkreten Fall einer Frau durch Retraumatisierungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hält das für unvereinbar mit dem Grundgesetz – das prüft nun das Verfassungsgericht.
Quelle: dpa