Medizinstudentinnen und junge Ärztinnen fühlen sich in der Schwangerschaft häufig unter Druck und bekommen wenig Unterstützung durch ihren Arbeitgeber. Das ist eines der Ergebnisse der bundesweit größten Umfrage unter schwangeren Ärztinnen und Medizinstudentinnen mit rund 4.800 Teilnehmerinnen. Aufgerufen zur Teilnahme waren angestellte und angehende Ärztinnen, die in der Zeit seit 1. Januar 2016 schwanger waren.
Etwa die Hälfte der befragten Ärztinnen hatte Bedenken, ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber zu melden. Gründe dafür sind vor allem die Sorge, Einschränkungen bei der Weiterbildung zur Fachärztin hinnehmen zu müssen, ein Verbot von Operationen oder sonstige Tätigkeitsverbote. Viele Ärztinnen möchten in der Schwangerschaft weiterarbeiten, werden aber daran gehindert. Zu den meisten Beschäftigungsverboten kam es in der Zeit der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2022. Knapp die Hälfte der Teilnehmerinnen erhielt vom Arbeitgeber ein betriebliches Beschäftigungsverbot, bei mehr als einem Drittel kam es zu Tätigkeitseinschränkungen.
Die Arbeitgeber kämen häufig ihrer Verpflichtung aus dem Mutterschutzgesetz nicht nach, für jede Tätigkeit die Gefährdungen zu beurteilen, schreiben die Studienautoren. Bei 40 Prozent der befragten schwangeren Ärztinnen fanden allgemeine Gefährdungsbeurteilungen nicht statt. Schwangere Ärztinnen müssen dann häufig ihre bisherige Tätigkeit trotz Gefährdung ausführen oder sich in letzter Konsequenz um ein ärztliches Beschäftigungsverbot bemühen, weil sie sich den Belastungen nicht gewachsen fühlen. Dass es auch anders geht, zeigt dieser Freitext-Kommentar einer Ärztin: „In unserer Abteilung wurde viel Wert auf die Mitbestimmung der Schwangeren gelegt."
Wenn es zu Gefährdungsbeurteilungen kam, dann leitete sich daraus in den zurückliegenden zwei Jahren der Pandemie in etwa der Hälfte der Fälle ein betriebliches Beschäftigungsverbot ab und in einem Drittel eine Einschränkung der ärztlichen Tätigkeit (zum Beispiel keine OPs). „Oftmals machen sich die Arbeitgeber nicht die Mühe, genauer zu ermitteln, wie und in welchem Umfang eine Weiterarbeit während der Schwangerschaft möglich sein kann. Stattdessen werden Kolleginnen, die arbeiten wollen, Steine in den Weg gelegt. Das ist inakzeptabel. So wird unnötig ärztliche Arbeitskraft verschwendet – zum Nachteil für die Kolleginnen und die Gesundheitsversorgung insgesamt“, kritisierte Susanne Johna, Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund.
Die Online-Befragung im November und Dezember 2022 wurde von einem Netzwerk ärztlicher Organisationen, die sich für eine praxisorientierte Umsetzung des Mutterschutzes einsetzen, durchgeführt. Zu der gemeinsamen Initiative gehören der Marburger Bund, der Deutsche Ärztinnenbund, die Initiative Operieren in der Schwangerschaft, die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, der Verband der Chirurginnen und der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte.