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Karagiannidis: „Besonders Bayern hat schwierige Strukturen"

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Karagiannidis: „Besonders Bayern hat schwierige Strukturen"
von links: Dr. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung; Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin, GKV-Spitzenverband; Florian Albert, Chefredakteur, Bibliomed-Verlag; Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Krankenhausgesellschaft; Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Kliniken Köln, Mitglied des Expert:innenrats. © Regina Sablotny

Die Podiumsdiskussion auf dem DRG-Forum – nach dem Auftritt des Gesundheitsministers Karl Lauterbach – zeigte, wie weit die Meinungen in der Branche auseinandergehen, wenn es um die Krankenhausreform geht. 

"Man merkt, dass die Diskussion zur Krankenhausreform konstruktiv vorangegangen ist", erklärte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). "Der Minister will die starre Anknüpfung von Leveln und Leistungsgruppen auflösen. Da müssen wir schauen, wie wir die Regionen, die weniger besiedelt sind, mit guter Versorgung ausstatten. Das ist wichtig."

Über die Frage, welche Rolle Leistungsgruppen und Level spielen und wie sinnvoll es ist, das Modell aus Nordrhein-Westfalen zum Vorbild zu nehmen, darüber herrscht in der Szene Uneinigkeit. "Uns war von Anfang an bewusst, dass es an viele Stellen Diskussionen geben würde", bemerkte Christian Karagiannidis, Oberarzt der Kliniken Köln und Mitglied der Regierungskommission. Die rote Linie ist für ihn die Einführung der Level. "Ohne die funktioniert die Reform nicht." Die Fachgesellschaften haben derzeit den Auftrag, Mindeststrukturvoraussetzungen zu beschreiben und "da kommen viele gute Vorschläge", bemerkte der Notfallmediziner. "Es gibt viele Punkte, die man diskutieren kann." Die Geburtshilfe könne man zum Beispiel für alle Kliniken freigeben.

"Wir müssen dafür sorgen, dass die knappe Ressource Personal an die richtigen Stellen kommt." 

Für den GKV-Spitzenverband sind die Level hingegen nicht so wichtig. "Wichtig für die Reform sind die Leistungsgruppen und da müssen wir sehr präzise beschreiben, welche medizinischen Leistungen erbracht werden. Die Gelegenheitsversorgung sollte schrittweise wegfallen und der Spezialisierung weichen", erklärte GKV-Vorständin Stefanie Stoff-Ahnis. Sie verwies auf die demografische Entwicklung: "Wir müssen dafür sorgen, dass die knappe Ressource Personal an die richtigen Stellen kommt."  Karagiannidis bemerkte, dass die Personallage noch schlimmer werden könnte: "Was total unterschätzt wird, ist der Wandel in der Arbeitswelt. Der Trend zur Teilzeit junger Menschen hat nochmal denselben Effekt wie der demografische Wandel."

"In NRW gibt es zwar Leistungsgruppen, aber die haben wenig Definitionen, wenig OPS-Kodes und wenig Verbindung untereinander."

Großes Thema ist derzeit das Leistungsgruppenmodell aus Nordrhein-Westfalen, das Minister Karl Lauterbach auf Druck der Länder zur Blaupause für seine Reform gemacht hat. "Ich begrüße das NRW-Modell und denke, dass es extrem anschlussfähig ans Finanzierungskonzept ist", sagte Karagiannidis, um dann deutliche Kritik hinterherzuschieben: "In NRW gibt es zwar Leistungsgruppen, aber die haben wenig Definitionen, wenig OPS-Kodes und wenig Verbindung untereinander. Wir haben dann viele Kliniken, aber man macht die großen Krankenhäuser klein", so Karagiannidis.

"Das Modell in NRW wurde nicht für Vorhaltefinanzierung entwickelt, sondern für die Krankenhausplanung."

Ein Ziel der Reform von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ist es, die vielen konfessionellen Häuser im Land zu sichern. Für Gerald Gaß ist NRW eine gute Grundlage. Er bemerkt aber: "Das Modell in NRW wurde nicht für Vorhaltefinanzierung entwickelt, sondern für die Krankenhausplanung." Diese zwei Themen müsse man jetzt in einem Prozess zusammenbringen. "Ob das 64 oder 70 Leistungsgruppen werden, da sind wir offen."

Ob und wie Level und Leistungsgruppen für die Berechnung der Vorhaltepauschalen verwendet werden, kam in der Diskussion nur in Versatzstücken zur Sprache. Sowohl der Minister als auch Christian Karagiannidis deuteten in dieser Frage eine Verknüpfung von Level und Leistungsgruppen an. Dass sich das NRW-Modell zum Tauschen von Leistungen unter Kliniken – wie es auch im Bundesmodell gewünscht ist – geeignet ist, bezweifelte Karagiannidis. Ein Krankenhaus in eine wirtschaftlich schwierige Lage würde keine Leistungsgruppe abgeben, mit der sich noch ein bisschen Geld verdienen lasse. 

Milliarden für die Kliniken

Bei der Finanzierung kam ein bisschen mehr Konsensstimmung auf. "Wir rechnen mit hohen zweistelligen Milliardensummen für die neuen Strukturen der Krankenhäuser", sagte Gerald Gaß. Karagiannidis, der die Reformkosten auf 100 Milliarden Euro beziffert, erklärte wie diese Summe zustande kommt. "Wir haben Dänemark hochgerechnet auf Deutschland, dazu die Inflation und weitere Kostensteigerungen – so kamen wir auf diesen Betrag."

Minister Lauterbauch hatte zuvor klargestellt, dass die Reform in Dänemark mit vielen Kliniken kein Vorbild für Deutschland sei. Auch Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) bekräftigte diese Aussage. Trotzdem könne man vom Nachbarn lernen, sagte der Minister und verwies auf ein Projekt in Friesland, wo aus drei Kliniken eine wird, für die ein neuer Zentralbau geschaffen wird. Sein Landesparlament hatte im Sommer ein Krankenhausreformgesetz verabschiedet. Niedersachsen wird demnach in acht Versorgungsbereiche eingeteilt; vorher waren es vier. 

"Wir wollen die Krankenhäuser neu einteilen, in die Level Regelversorger, Maximalversorger und Schwerpunktversorger. In jeder Region soll mindestens ein Maximalversorger und ein Regelversorger sein." Angesichts der Level-Debatte stehen die Reformbewegungen unter besonderer Beobachtung. Neben den Leveln gibt es in Niedersachsen auch das Konzept der regionalen Gesundheitszentren – ähnlich der Level 1i-Kliniken des Bundesreformkonzepts. Das erste Gesundheitszentrum dieser Art wird im Juli in Osnabrück eröffnet, verriet Minister Philippi. "Da werden wir noch spannende Diskussionen führen."

Bevölkerungsparlamente für mehr Akzeptanz

Stefanie Stoff-Ahnis wies darauf hin, dass die Kommunikation zu diesem Veränderungsprozess schieflaufe. Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi erklärte das Problem aus seiner Sicht: "Wir wissen noch nicht, was wir machen wollen und können noch nicht klar sagen, wo es hingeht." Er muss in seinem Bundesland eine beschlossene Reform anschieben und auf die andere vom Bund warten – kein leichter Job, wie er bemerkte. Christian Karagiannidis brachte Bevölkerungsparlamente ins Spiel. "Wenn man eine Klinik schließt, gibt es Protest aus der Bevölkerung – das ist so wahrscheinlich wie Weihnachten." Bevölkerungsparlamente könnten mit zufällig ausgewählten Bürgern besetzt werden, denen dann die Projekte und Alternativen präsentiert werden. "Heiner Geißler hat das erfolgreich bei ‚Stuttgart 21‘ gemacht."

Karagiannidis wirbt um Vertrauen

Karagiannidis, der einer der Väter von Lauterbachs Reformvorschlag ist, appellierte an die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Er nahm insbesondere das bei der Reform querschießende Bayern ins Visier: "Besonders Bayern hat schwierige Strukturen. Wir werden große, trägerübergreifende Fusionen brauchen. Wenn wir da nichts tun, werden wir die Notfallversorgung 2030 nicht sicherstellen."

Ihm sei wichtig, dass "man den Experten ein bisschen Vertrauen schenkt, so Karagiannidis. Ob es am Ende 70 oder 72 Leistungsgruppen werden, sei völlig irrelevant. "Wichtig ist, dass man das Geld richtig verteilt und da haben wir die Krankenhäuser im Blick." Dem widersprach DKG-Chef Gerald Gaß entschieden. "Ich bezweifele, dass das Expertenwissen ausreicht, diesem komplizierten Thema gerecht zu werden.“ Dafür seien GKV und DKG, die seit Jahren die Finanzierung im System regeln, unersetzlich. 

Autor

 Jens Mau

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