Auf der Berliner IT-Messe DMEA diskutierten Vertreter der Kliniken und Leistungserbringer mit Industrie und Politik, wie IT-Systeme dazu beitragen, die sektorenübergreifende Versorgung zum Fliegen zu bringen.
Susanne Johna, Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, unterstrich: „Für uns Ärzte ist das ein Usability-Thema. Wenn sie die Arbeit wirklich erleichtert, setzt sich IT durch.“ Das sei in allen Branchen gleich. Blockierer gebe es natürlich auch unter Ärzten, aber nicht mehr als anderswo, bemerkte Johna. Dass Krankenhäuser derzeit vorsichtig mit IT-Investitionen sind, bemerkte derweil Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Die Verunsicherung angesichts der Krankenhausreform sei immens, auch wenn die Milliarden des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) einige Investitionen ausgelöst hätten. Nils Dehne, Geschäftsführer der Allianz kommunaler Großkrankenhäuser (AKG), begrüßte die Einführung der Elektronische Patientenakte (EPA), stellte aber klar, dass der durch das BMG vorgegebene EPA-Prozess und der aktuelle Versorgungsprozess in der Praxis nicht deckungsgleich seien – was zu Reibung führen werde. Der „Change im Mindset“ komme nicht allein durch die Akte, gab er zu bedenken.
Moderator Matthias Meierhofer, Gründer des gleichnamigen Herstellers eines Krankenhausinformationssystems (KIS), fragte in die Runde, wer denn in einem ambulant-stationären Setting bei den Daten den Hut aufhaben werde und den ganzen Prozess orchestriert? Doch diese Schlüsselfrage, die auch das BMG mit seinen Reformen derzeit ausspart, blieb erwartungsgemäß unbeantwortet. Ärztelobbyistin Johna unterstrich, dass die Systeme beider Sektoren bisher nicht kommunizieren würden. „Es gibt ein paar Workarounds, mehr nicht.“ Sie fordert deshalb, dass wir wieder „Fans der Normierung werden müssen“. Der Weg zu verbindlichen Schnittstellen und strukturierten Daten sei jedoch ein weiter Weg, betonte Thomas Renner, Referatsleiter Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium (BMG). „Wir beginnen schrittweise“, erklärte er. Die Krux: Einheitliche Schnittstellen und strukturierte Daten gibt es weder ausreichend im einen noch im anderen Sektor, geschweige denn übergreifend. Immerhin, so deutet es DKG-Vize Neumeyer, weise der Gesetzgeber in seinen Reformwerken den Kliniken eine Schlüsselrolle in der Orchestrierung des Versorgungsprozesses zu.
Nils Dehne von der AKG gestand ein, dass die Datenqualität in vielen Kliniken nicht besonders gut sei, weil „das System bisher nicht wirklich auf Austausch ausgerichtet“ gewesen sei. Den Austausch müssten Kliniken erst üben, dann allerdings werde es für die IT-Anbieter viel Arbeit geben, prophezeit Dehne. Neumeyer rief in Erinnerung, dass sich der Markt in einer „riesigen KIS-Krise“ befindet. Denn weil der Anbieter SAP sein KIS abkündigt und stehen weit mehr als 200 Krankenhäuser ohne IT-Backbone da. „Einige Player verabschieden sich vom Markt, andere kommen gar nicht rein – weil die Anforderungen so komplex sind“, bemängelte Neumeyer. Den Vorwurf, der Markt sei überreguliert, entgegnete BMG-Unterabteilungsleiter Renner: „Manchmal begünstigt Regulierung auch Innovation.“
Ärztevertreterin Johna appellierte derweil an das vom Bundesgesundheitsminister vielfach gegebene Versprechen, die Bürokratie im Krankenhauswesen einzudämmen. „Die Entbürokratisierung ist das wichtigste Instrument, weil es ohne zusätzliche Kosten und unmittelbar Arbeitszeit spart und so die Ressourcen vergrößert.“