Heute kann die Medizin so viel, wie nie zuvor. An diesem Ziel sollten politisch Verantwortliche festhalten. Heinz Lohmann appelliert, sich bei der Krankenhausreform auf das zurückzubesinnen, was eine Reform ursprünglich war – etwas Positives.
Es ist lange her, aber es gab mal Zeiten, da war Reform ein positiver Begriff, auch in der Gesundheitspolitik. So war Ende der 1960er-Jahre allen politisch Verantwortlichen klar, dass auch die Gesundheitsangebote modernisiert werden müssen. In den Nachkriegsjahren hatten sie immer wieder gegenüber anderen Gesellschaftsbereichen zurückstehen müssen. Galt es zunächst, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, folgte anschließend der Wohnungsbau und dann hatte Bildung höchste Priorität.
Erst danach folgte fast 30 Jahre nach Kriegsende das Thema Gesundheit. So wurde 1972 das KHG, das Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze, verkündet. Dem ging eine intensive politische Diskussion voraus, die in die Erkenntnis mündete, nur eine Gemeinschaftsleistung von Bund, Ländern und Kommunen sei geeignet, moderne Kliniken zu bauen und zu betreiben. Diese Reform hat den Wandel im Gesundheitssystem in den Folgejahren gesellschaftlich abgesichert.
Begriff Reform war politisch verbrannt
Zwanzig Jahre später war der anfängliche Schwung dahin. Sogar der Begriff Reform war politisch verbrannt, weil ab Ende der 1980er Jahre die inzwischen üblich gewordenen Kostendämpfungsgesetzte euphemistisch in Reformgesetzte umgetauft worden waren. Erst das Zusammenrücken von Regierung und Opposition machte beginnend 1992 eine Neuordnung der Krankenhausfinanzierung möglich. Dahinter steckte die gemeinsame Überzeugung, ein „Weiter so“ dürfe es angesichts der damaligen Herausforderungen nicht geben.
Heute kann die Medizin so viel, wie nie zuvor. Sie ist in der Lage, Krankheiten zu behandeln oder aber mindestens zu lindern, die noch vor wenigen Jahren ein sicheres Todesurteil bedeuteten. Und sie kann immer mehr ambulant. Die Medizin ist auf dem Weg von einer individuellen Erfahrungswissenschaft, bei der die einzelne Ärztin, der einzelne Arzt im Laufe des Berufslebens Erfahrungen sammeln, die dann den eigenen Patientinnen und Patienten zugutekommen, zu einer kollektiven Erfahrungswissenschaft, die auf dem Hintergrund der Auswertung gewaltiger Datenmengen allen medizinisch Tätigen verfügbar gemacht werden kann.
Konsens statt Zerrüttung
In dieser Situation benötigen wir einen übergreifenden Konsens der politisch Verantwortlichen und keine tiefgreifende Zerrüttung, wie jüngst im Bundesrat bei der Verabschiedung der Krankenhausreform. Mit „Hängen und Würgen“ lässt sich keine Zukunft gestalten auch nicht mit der Beschwörung von Untergangsszenarien. Wir haben die Chance, die positiven Entwicklungen in der Medizin für eine Patientenzentrierung des Gesundheitssystems zu nutzen. An diesem Ziele gilt es gemeinsam zu arbeiten. Unmittelbar nach der Bundestagswahl wäre ein idealer Zeitpunkt für eine Reform der Reform.