Gesellschaft und Gesundheitswesen kämpfen aktuell gegen die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie. Auch wenn diese Anstrengungen bislang recht erfolgreich verlaufen sind: Nur mit einem wirksamen Impfstoff werden wir mittelfristig wieder ein weitgehend normales Leben mit allen sozialen Kontakten führen können, von sorglosen Treffen mit der Familie bis hin zum Besuch im Fußballstadion.
Über einen Impfstoff zu verfügen, ist das eine. Diesen Impfstoff aber auch schnell, sicher und strukturiert an den Großteil der über 80 Millionen Bundesbürger zu verabreichen, ist das andere. Wenn man von rund 60 Millionen Menschen ausgeht, die geimpft werden müssten und geimpft werden wollen und dabei eine Zahl von 60.000 Impfdosen täglich ansetzt, benötigt man bei der heute zugrunde gelegten Struktur auf Basis der durchschnittlichen Werktage 1.000 Arbeitstage. Selbst bei optimistischen Prognosen wird die Impfung eher Jahre als Monate dauern. Und selbst dies bedeutet nicht das Ende der Pandemie, denn es ist heute noch unklar, wie nachhaltig und wie lange die Impfstoffe gegen Covid-19 wirken, ob einmalige Dosen reichen und ob die Weitergabe von Mensch zu Mensch tatsächlich wirkungsvoll unterdrückt wird.
Was lernen wir daraus? Selbst das Vorliegen eines Impfstoffes wird nicht von heute auf morgen Normalität herstellen, sondern wir werden noch lange mit dem Virus und den erforderlichen Abstands- und Hygieneregeln leben müssen. Und zweitens brauchen wir eine stringente Kommunikationskampagne, die die Menschen umfassend über die Impfung aufklärt, Ängste abbaut und die Impfquote erhöht. Die aktuelle Außendarstellung der Politik mit teilweise schwer nachvollziehbaren Regelungen und Einzelfallentscheidungen darf sich bei der Impfung nicht wiederholen.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich die Initiative von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, den Deutschen Ethikrat, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sowie die am Robert-Koch-Institut (RKI) angesiedelte Ständige Impfkommission um Vorschläge zu bitten, wie diese Impfung am besten durchgeführt werden kann. Denn neben der Logistik geht es vor allem um eine sinnvolle Priorisierung: Impfe ich zuerst die Risikogruppen? Oder doch die Beschäftigten im Gesundheitssystem und an den systemrelevanten Schaltstellen? Klar ist für mich, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen, um mit der gerade am Anfang wahrscheinlichen Impfstoffknappheit umzugehen, mit dieser Verantwortung kann man weder die Niedergelassenen Ärzte noch die Krankenhäuser oder die Gesundheitsämter allein lassen.
Sollte es im Rahmen der Gesamtstrategie eine Kontingentierung von Impfdosen für Kliniken und Arztpraxen geben, müssen sich bereits heute alle Leistungserbringer fragen, ob sie eine Impfstrategie für ihre Beschäftigten besitzen, eine solche entwickeln oder auf die behördliche Anweisung warten wollen, die naturgemäß spezifische betriebliche Besonderheiten nicht ausreichend abdecken dürften. Es wäre fatal, wenn beim Vorliegen eines zugelassen Impfstoffs Zeit dadurch verschwendet würde, dass erst noch Kriterien definiert werden müssen. Unabhängig vom vorausschauenden Erstellen wirksamer Konzepte können wir jedoch eines bereits jetzt tun: Uns nicht nur vor dem Hintergrund unbekannter Wechselwirkungen mit Covid-19 gegen Influenza impfen lassen.