Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die umstrittene Richtlinie zur Ersteinschätzung in der ambulanten Notfallversorgung gegen die Stimmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) beschlossen.
Der Richtlinie zufolge darf eine Klinik einen Notfallpatienten nur dann ambulant behandeln, wenn ein sofortiger Behandlungsbedarf festgestellt wird. Die Triage liegt in den Händen ausgebildeter Pflegekräfte. In allen anderen Fällen soll die Behandlung grundsätzlich in der vertragsärztlichen Versorgung stattfinden.
Der G-BA unterscheidet zwischen zwei sogenannten Dringlichkeitsgruppen: Bei Dringlichkeitsgruppe 1 sollte die Behandlung innerhalb von 24 Stunden beginnen: Entweder ambulant im Krankenhaus oder in einer im oder am Krankenhaus gelegenen Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beziehungsweise einem entsprechenden Medizinischen Versorgungszentrum des Krankenhauses. Bei Dringlichkeitsgruppe 2 ist keine Behandlung innerhalb von 24 Stunden erforderlich. Die Versicherten erhalten einen Vermittlungscode, mit dem sie über die Terminservicestelle der KV einen Termin buchen können.
Weber: „Service-Stelle für Termine, die es nicht gibt“
Für Kliniken ist diese Regelung problematisch, weil sie gezwungen werden, Patienten nach einer Triage abzuweisen – schließlich befindet sich nicht an jedem Standort eine KV-Praxis. Die DKG kritisiert, dass diese Richtlinie gegen ihre Einwände mit den Stimmen der Kassenärzte (KBV), der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und des G-BA-Vorsitzenden Josef Hecken beschlossen wurde. „Da bis heute und auch absehbar kein valides Ersteinschätzungsverfahren existiert, dass es erlaubt, ambulante Notfälle medizinisch exakt und verlässlich in dringende und weniger dringende Fälle einzuteilen, hatte sich die DKG bis zuletzt im G-BA dafür eingesetzt, dass Krankenhäuser keine Patienten abweisen müssen“, erklärt DKG-Vorstandschef Gerald Gaß. Als problematisch gilt auch die Verfügbarkeit der Kassenärzte – vor allem nach 17 Uhr und am Wochenende. „Es ist für uns unverständlich, dass Notaufnahmen zu Termins-Service-Stellen degradiert werden sollen für Termine, die es nicht gibt“, so der bissige Kommentar von Michael A. Weber, Chef des Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte Deutschlands (VLK).
Hecken: „Eine praktikable Lösung“
Der Beschluss des G-BA sieht für die Krankenhäuser verschiedene Übergangsfristen vor, um Personal weiterzubilden und ein digitales Assistenzsystem zu implementieren. G-BA-Chef Hecken unterstrich, dass die Richtlinie trotz geplanter Krankenhausreform wichtig sei. „Erstens ist derzeit offen, wann die Reform tatsächlich stehen wird. Und zweitens wird es einige Jahre dauern, bis die für die Krankenhausreform angedachten Strukturveränderungen reale Versorgungspraxis sind. Angesichts von überfüllten Notaufnahmen braucht es auch für diese Übergangszeit praktikable und sachgerechte Lösungen.“ Eigentlich sollte die Richtlinie schon im April da sein, hatte sich aber angesichts der Gemengelage verzögert.