"Kulturschock pur", war mein erster Gedanke. Ich hatte eine Session auf einem Workshop in der Startup-Szene in Berlin moderiert und saß im Zug zurück auf dem Weg nach Hamburg. Am Morgen des Vortages war ich am Helmut-Schmidt-Flughafen der Hansestadt nach Köln zu einem seit Jahren etablierten Gesundheitskongress aufgebrochen. Dort im Gürzenich war es wie immer. Der Gesundheitsminister lobte seine Politik im Lande, die Krankenhausgesellschaft forderte mehr Geld und die Krankenkassen beklagten die Überversorgung. Die Führungselite der Branche gab sich ein Stelldichein. Wenige Stunden später in Berlin war alles versammelt, was bei Startups Rang und Namen hat. Nur sehr wenige Akteure aus dem jeweils anderen Spielfeld hatten sich hierher wie dahin "verirrt". Die Welten waren fein säuberlich getrennt.
Eine soeben aus dem Amt geschiedene Staatssekretärin aus einem Bundesland, die ich auf das Podium eingeladen hatte, brachte mein Empfinden auf den Punkt. Sie sei, verriet sie den versammelten Startup-Größen, in den zehn Jahren ihrer aktiven Zeit niemandem von ihnen je im Ministerium begegnet. Auch ihren ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien die Themen, die hier auf der Tagung besprochen würden, fremd. Ein Sozialministerium in Deutschland würde sich mit völlig anderen Problemen beschäftigen.
In der Tat ist das Gesundheitssystem auf die Regulierung der Institutionen ausgerichtet. Es geht darum, was und wieviel von wem angeboten werden darf, wie die Finanzierung aussieht und im besten Falle wie qualitätsvoll gearbeitet werden muss. Es werden Pläne entwickelt und beschlossen, die Selbstverwaltungen beaufsichtigt und beauftragt und immer mal wieder Ersatzvornahmen getätigt. Die Systemakteure beschäftigen sich häufig mit sich selbst. Die Patientinnen und Patienten als Konsumenten kommen da nicht so wirklich vor. Genau darum geht es aber in den allermeisten Startups. Deshalb agieren sie bisher weitgehend unter dem offiziellen Radar, auch der Politik.
Das muss sich jetzt dringend ändern. Zusammenarbeit ist angesagt. Ganz am Anfang steht dabei die Vernetzung der Akteure aus beiden Welten. Denn das überkommene System funktioniert in vielen Regionen schon nicht mehr. Es ist dringend auf die Innovation der Digitalisierung, insbesondere der Digitalen Medizin, und das Engagement der neuen Player angewiesen. Die Synergien können aber nur nutzbar gemacht werden, wenn die Kooperationen funktionieren. Lasst uns deshalb schnell die ausgetretenen Pfade verlassen und beherzt Neuland betreten - auf beiden Seiten.