Eine Blitzumfrage der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) kam zu einem besorgniserregendem Ergebnis: 98,6 Prozent der Notaufnahmen leiden unter Personalmangel, meist weil pflegerische oder ärztliche Stellen nicht besetzt sind. Bei der Umfrage haben sich 362 von aktuell 1.064 Notfallkliniken beteiligt. Sie versorgen jährlich fast zehn Millionen der 25 Millionen Notfallkontakte in deutschen Kliniken (39,3 Prozent). Die Umfrage gebe damit einen sehr realitischen Eindruck von der aktuellen Versorgungssituation der Notfallpatienten, heißt es in einer Mitteilung.
Wie auch in anderen Bereichen der Kliniken ist der Personalmangel in den Notaufnahmen ein massives Problem. Die meisten Personalengpässe (82,3 Prozent) beruhen auf unbesetzten Stellen, dicht gefolgt von coronabedingten Ausfällen (79,3 Prozent) und sonstiger Krankheitsausfälle (75,4 Prozent). Lediglich 1,4 Prozent gaben an keinen Personalausfall oder -mangel zu haben. Problematisch wird die Situation durch den Mangel an stationären Versorgungsmöglichkeiten und die Überfüllung der Notaufnahmen. So sind die real belegbaren Betten im Durchschnitt um 18 Prozent niedriger als die im Krankenhausplan angegebenen Planbetten der Häuser im Jahr 2021. Das entspricht einen Rückgang von 27.280 betriebenen Betten.
Zudem wurden die Kliniken nach der Crowding-Situation in der Notaufnahme in den letzten 24 Stunden befragt, der Frage wurden sechs Level angelehnt an den Community Emergency Department Overcrowding Score (CEDOCS) zugrunde gelegt (Abstufung von geringes Patientenaufkommen bis extrem hohes Patientenaufkommen mit gefährlichem Overcrowding). Zwei Drittel der befragten Notfallkliniken gaben für den erhobenen Zeitraum eine Overcrowding-Situation an, 6,6 Prozent (24 Kliniken) gaben sogar ein gefährliches Overcrowding mit Gefährdung von Personal und Patientensicherheit an. Ein starker Einflussfaktor von Crowding-Situationen ist der Exit Block, das heißt Patienten können nicht oder nur sehr stark verzögert verlegt werden und verbleiben längere Zeit in der Notaufnahme. Dieser Patientenstau führe zu verzögerter Diagnostik und Behandlungsabläufen und gefährde die Patientensicherheit.
Von allen befragten Kliniken gaben 84 Prozent einen Exit Block an. Die Ursache liegt vor allem im Bettenmangel. 86,5 Prozent der Kliniken gaben an, dass die Abverlegung auf Normalstation aufgrund von Bettenmangel verzögert sei, gefolgt von Intensiv- (53,6 Prozent) und Intermediate Care Stationen (48,3 Prozent). 37,9 Prozent der Kliniken gaben an, dass aufgrund von Bettenmangel eine Verlegung in andere Kliniken erforderlich gewesen sei. Diese Maßnahme sei zeitaufwändig und binde Rettungsmittel für den Transport, heißt es in der Ergebnisauswertung. Lediglich 9,4 Prozent der befragten Kliniken wiesen am Tag der Befragung keinen Exit Block auf.
Mehr als die Hälfte der Notaufnahmen (58,8 Prozent) nahm im Befragungszeitraum mit der Integrierten Leitstelle Kontakt auf, um die Notaufnahme wegen Kapazitätserschöpfung zeitweise abzumelden. Dennoch bekamen fast alle (94,4 Prozent) weitere Patienten zugewiesen. Dieser Umstand zeige die angespannte Lage ganzer Regionen, die weitüber punktuelle Überlastungssituationen einzelner Krankenhäuser hinaus geht.
Wie die DGINA mitteilt, würden die Ergebnisse die seit 20 Monaten durchgeführten täglichen freiwilligen Statusmeldungen von bis zu 80 Notaufnahmen der DGINA-Notaufnahmeampel bestätigen. Die Ampel wurde zu Pandemiebeginn etabliert und erfasst nach eigenen Angaben tagesgenau als einziges Tool die Versorgungssituation von Notfallpatienten an den teilnehmenden Notfallkliniken. Aus Sicht der Gesellschaft zeige die Studie eindeutig, dass sich die Belastung der Häuser nicht allein auf den Intensivstationen messen lässt, sondern eine Gesamtbetrachtung erforderlich ist. Die Erfassung der Situation in der Notaufnahme spiegele die Gesamtsituation besonders klar wider. Für eine ressourcenbasierte Steuerung der Gesundheitsversorgung müssten die Belastungen der Notfallkliniken spezifisch und kontinuierlich erfasst und berichtet werden, um eine bessere Ressourcensteuerung zu erreichen.
Forderungen der DGINA
- Verpflichtende Erstellung von Notfallplänen zur Vermeidung der Überlastung der Notfallversorgung.
- Festlegung ausreichender ärztlicher und pflegerischer Personalausstattung, die auch Personalausfallkonzepte in Pandemiesituationen berücksichtigt.
- Planung von stets verfügbaren Bettenkontingenten für Notfallpatienten auf Intensiv-, IMC- und Normalstationen.
- Kontinuierliche Erhebung der Auslastungsparameter in den Notaufnahmen/Notfallkliniken und Abgleich mit weiteren Daten wie zum Beispiel Intensivregister zum Monitoring des Gesundheitssystems.
- Initialisierung von Maßnahmenplänen vor Eintreten patientengefährdender Überlastungssituationen.